Taipeh/Berlin (Reuters) - Google will nach dem teuren Motorola-Fehlschlag nun doch wieder Smartphones unter dem eigenen Dach herstellen.
In der Nacht zu Donnerstag gaben die US-Amerikaner bekannt, für 1,1 Milliarden Dollar in bar einen Teil des Handygeschäfts des langjährigen taiwanischen Partners HTC zu übernehmen. Damit wechseln auch 2000 Mitarbeiter, rund ein Fünftel der HTC-Belegschaft, den Arbeitgeber. Die Betroffenen hatten bereits zuvor im Auftrag von Google deren Pixel-Handys hergestellt.
"Das ist ein Strategiewechsel", sagte Gartner-Analystin Annette Zimmermann. Er zeige, dass Google das Hardware-Geschäft nun ernsthaft verfolgen will. Bisher wird der Smartphone-Markt von Samsung Electronics und Apple (NASDAQ:AAPL) dominiert, die kürzlich zum anstehenden Weihnachtsgeschäft neue Luxus-Alleskönner-Geräte vorgestellt haben. Google wiederum ist mit Android der dominierende Handy-Betriebssystem-Anbieter. Nun geht es dem weltgrößten Suchmaschinen-Konzern wohl darum, ähnlich wie Apple Hard- und Software aus einer Hand zu offerieren und dadurch besser zu kontrollieren.
Google hatte 2012 für 12,5 Milliarden Dollar die Handyfirma Motorola Mobility übernommen und bereits zwei Jahre später für nur noch rund drei Milliarden Dollar an Lenovo (H:0992) aus China veräußert. Experten bewerteten diesen kostspieligen Versuch, sich als Smartphone-Anbieter zu etablieren, als große Schlappe. Laut der Google-Mutter Alphabet (NASDAQ:GOOGL) soll mit Hilfe der HTC-Sparten-Übernahme nun das Engagement des Konzerns auf dem Smartphone-Markt sowie im Hardware-Geschäft verstärkt werden. Künftig soll der Konzern aus dem Silicon Valley auch Zugriff auf die Patente von HTC haben. Zugleich vereinbarten beide Unternehmen, auf weiteren Gebieten eine Zusammenarbeit zu prüfen.
Der globale Marktanteil der Pixel-Smartphones von Google liegt laut IDC-Schätzungen bei unter einem Prozent. Demnach sollen bisher 2,8 Millionen Stück ausgeliefert worden sein. Apple kam den Marktbeobachtern von FactSet Street Account zufolge allein im abgelaufenen Quartal auf 41,03 Millionen iPhones. Der frühere Motorola-Mobility-Chef, Rick Osterloh, der heute für die Hardware bei Google verantwortlich zeichnet, betonte: "Das Hardware-Geschäft steckt noch in den Kinderschuhen." Vor drei Jahren erwarb der Konzern den Thermostate-Hersteller Nest und hat seither unter anderem den Lautsprecher Google Home auf den Markt gebracht. Am 4. Oktober will Google neue Pixel-Smartphones präsentieren.
HAT HTC EINE ZUKUNFT?
Der HTC-Konzern, der zu den Pionieren auf dem Smartphone-Markt zählt, befindet sich in einer scheinbar unaufhaltbaren Talfahrt. "Es sieht danach aus, als könnte das HTC-Smartphone-Geschäft früher oder später ganz verschwinden", sagte Zimmermann. Früher war mal jedes zehnte Smartphone, das über die Ladentheke wanderte, ein HTC-Gerät. Im vergangenen Jahr kamen die Taiwaner allerdings nur noch auf einen Marktanteil von 0,9 Prozent - Tendenz fallend. "Konkurrenten wie Huawei, Oppo, Xiaomi und ZTE schnappen nach den Fersen von HTC", sagte Analyst Jake Saunders vom Analysehaus ABI Research in Singapur über die Wettbewerber aus China. Bisher will der Konzern jedoch sein rote Zahlen schreibendes Geschäft mit den Alleskönner-Geräten fortführen.
Licht am Horizont könnte es jedoch auch für HTC geben. Auf der Suche nach neuen Umsatzbringern haben sich die Taiwaner der Virtuellen Realität zugewandt. Ihre Datenbrille Vive gilt als erfolgreicher als die Oculus-Brille von Facebook (NASDAQ:FB). Bis 2019 könnte das Vive-Geschäft die Hälfte des Konzernumsatzes erwirtschaften, prognostiziert David Dai vom Analysehaus Bernstein. Zimmermann sieht das kritisch: Es sei erst 2021 damit zu rechnen, dass wirklich eine ansehnliche Zahl dieser Geräte verkauft wird.