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Veröffentlicht am 31.10.2012, 21:02
Börsen-Zeitung: Echtes Geld, Kommentar zur Herbst-Steuerschätzung, von

Angela Wefers.

Frankfurt (ots) - Besiegelt und verkündet hat es der

Bundesfinanzminister. Die goldenen Zeiten sind vorbei, in denen die

Steuerschätzer bei jedem Termin im Frühjahr und im Herbst frohe

Botschaften verkündeten. Die Finanzminister von Bund und Ländern

sowie die Kämmerer in den Gemeinden konnten mehr Geld einkalkulieren

als zuvor vorausgesagt. Die sich abkühlende Konjunktur fordert ihren

Tribut. Doch die Schätzung hinkt der Konjunkturabkühlung hinterher.

So können Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr noch ein letztes

Mal mit Extraeinnahmen - sozusagen aus der stillen Schätzreserve -

rechnen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kommt dies sehr

gelegen.

Zwei Nachtragshaushalte hat es in diesem Jahr bereits gegeben, die

größtenteils unter Krisenfolgen abzubuchen sind. Der dauerhafte

Euro-Stabilisierungsfonds ESM ist schneller aufgesetzt worden als

zunächst geplant. Damit wurden schon in diesem Jahr zwei der

insgesamt fünf Tranchen zur Kapitalisierung fällig. Weitere Mittel

flossen in die Stärkung des Wachstums in Europa. Gleichwohl könnte es

Schäuble gelingen, dank der Mehreinnahmen die ursprünglich geplante

Nettokreditaufnahme von rund 26 Mrd. Euro in diesem Jahr fast zu

erreichen und knapp 11 Mrd. Euro Zusatzausgaben zu verkraften. Die

Steuerschätzer und niedrige Zinsen für deutsche Staatspapiere machen

es möglich.

In den nächsten Jahren wird die Haushaltsplanung zäher, auch wenn

nicht zu vergessen ist, dass allein der Bund mit Steuerzuwächsen in

jährlichen Schritten von - grob gerechnet - 10 Mrd. Euro kalkulieren

kann. Denn solange die Wirtschaft wächst, wachsen auch die

Steuereinnahmen, nur nicht mehr ganz so schnell.

Für die Koalition aus CDU, CSU und FDP ist Maßhalten angesagt,

wenn sie sich am Sonntagabend zusammensetzt, um gemeinsam

Wunschlisten zu beraten: Betreuungsgeld, Abschaffung der

Praxisgebühr, Senkung der Stromsteuer, Aufbesserung der Renten stehen

darauf. Für zusätzliche Lasten ist es die falsche Zeit. Auch wenn der

Bund die Euro-Krisen-Ausgaben verkraftet, so ist die Neuverschuldung

dennoch viel zu hoch. Ein ausgeglichener Bundesetat für 2014, auf den

die Liberalen dringen, liegt noch in weiter Ferne. Das strukturelle

Defizit könnte auf null sinken, nur darin sieht sich Schäuble mit der

FDP einig. Das strukturelle Defizit ist eine artifizielle Größe,

rechnerisch bereinigt um konjunkturelle Effekte. Es sind aber die

zusätzlichen Kredite, die Bund und Bürger echtes Geld kosten.

(Börsen-Zeitung, 1.11.2012)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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