Wenn man sich Investorenpräsentationen anschaut oder die Wirtschaftspresse liest, dann stolpert man immer mal wieder über die Abkürzung „EBITDA“. Sie wird so häufig genutzt, dass sie sich zu einem Akronym entwickelt hat, das Insider überall auf der Welt ganz selbstverständlich benutzen. Die Steigerung davon ist das „bereinigte EBITDA“, das man gern als „adj. EBITDA“ antrifft.
Aber was wird da adjustiert, warum scheint diese Kennzahl so wichtig zu sein und warum hat Investorenlegende Charlie Munger so einen Groll dagegen? Hier sind die Antworten, kompakt und leicht verständlich.
Was hinter dem bereinigten EBITDA steckt EBITDA ist eine englische Abkürzung für einen ziemlich langen Begriff: „earnings before interest, taxes, depreciation and amortization“, zu Deutsch etwa „Ergebnis vor Zinsen, Steuern und jeder Art von Abschreibungen“. Es geht also um die operative Profitabilität ohne Berücksichtigung von Ansprüchen der Fremdkapitalgeber, des Fiskus oder der Investitionen in den Erhalt des Betriebs.
In meinen Artikeln umschreibe ich EBITDA gerne als Betriebsgewinn vor Abschreibungen. Schließlich sind EBIT und Betriebsgewinn weitgehend austauschbare Begriffe. Depreciation und Amortization wiederum betreffen beide Abschreibungen. Beim ersten Begriff geht es um Sachwerte wie angeschaffte Maschinen. Deren Kaufpreis wird zunächst ergebnisneutral aktiviert und geht dann planmäßig über mehrere Jahre gewinnmindernd in die Gewinn-und-Verlustrechnung ein, bis sie auf null abgeschrieben sind.
Beim zweiten Begriff geht es um immaterielle Sachen wie Patente oder Firmenwerte. Manches davon wird ebenfalls planmäßig über einen bestimmten Zeitraum abgeschrieben, während andere immaterielle Vermögenswerte periodisch auf ihre Werthaltigkeit überprüft werden müssen, was zu Sonderabschreibungen führen kann.
Sonderabschreibungen und andere Einmaleffekte wirken verzerrend auf eine EBITDA-Zeitreihe. Das Management sagt dann so etwas wie „ohne diese Sondereffekte wäre unser EBITDA auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr ausgefallen“. Finanzchefs geben sich oftmals viel Mühe, größtmögliche Vergleichbarkeit herzustellen, indem solche ungewöhnlichen Dinge herausgerechnet werden. Das heißt dann „bereinigtes EBITDA“.
Warum Charlie Munger dem EBITDA misstraut Wir bei The Motley Fool lieben und schätzen nur wenige Figuren im Finanzzirkus mehr als Charlie Munger, und der meint, dass „bereinigtes EBITDA Bullenkacke“ sei. Ihm sträuben sich die Haare, wenn Investmentbanker ihm mit dieser Kennzahl ankommen. Lächerlich sei das und ein Zeichen für Unaufrichtigkeit, kommentierte er auf der Aktionärsversammlung des Daily Journal. Wie viel Geld ein Unternehmen tatsächlich macht, darüber gebe sie keine akkurate Auskunft.
Tatsächlich ist das bereinigte EBITDA zunächst wenig hilfreich für die Bewertung eines Unternehmens. Schließlich sind es häufig gerade die Kostenblöcke, die danach in der Gewinn-und-Verlustrechnung auftauchen, die den Unterschied ausmachen.
Egal ob Darlehenszinsen, Steuersätze oder Erhaltungsinvestitionen: Jedes Unternehmen ist anders. Bei einem kapitalintensiven Geschäftsmodell spielen die Abschreibungen eine riesige Rolle, während sie bei manchen Dienstleistern oder Softwareunternehmen vernachlässigbar sind. Manche Unternehmen haben noch alte Hochzinsanleihen in der Bilanz, während sich bei anderen Geld auf der hohen Kante stapelt. Ein krasses Gegensatzpaar stellt beispielsweise die Deutsche Telekom (DE:DTEGn) (WKN: 555750) und Dialog Semiconductor (DE:DLGS) (WKN: 927200) dar.
Wenn man dann noch an die ausgeblendeten Sondereffekte denkt, dann wird es aus diesem Blickwinkel heraus wirklich lächerlich. Denn Einmaleffekte sind zwar von Natur aus einzigartig, aber sie kommen in unterschiedlichen Gewändern doch häufig mit gewisser Regelmäßigkeit. In einem Jahr sind es Restrukturierungsaufwendungen, im nächsten ein verlorener Gerichtsprozess und im dritten wird eine teure Übernahme im Wert gemindert.
Das bereinigte EBITDA ist besonders beliebt bei jungen Unternehmen, die Geldgeber davon überzeugen müssen, dass sie in gewisser Hinsicht schon profitabel sind. Eine gesunde Portion Misstrauen ist da angebracht, gerade auch, wenn Konzerne wie Uber (WKN: A2PHHG) plötzlich diese Kennzahl ins Rampenlicht stellen.
Wo das bereinigte EBITDA trotzdem Sinn ergibt Mit dem bereinigten EBITDA bekommen wir immerhin Hinweise zur Beantwortung der Frage, ob das betreffende Unternehmen unter normalen Umständen in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen. Wenn wir die langfristigen Schulden mit dieser Kennzahl ins Verhältnis setzen, dann erhalten wir ein sogenanntes Multiple, das aussagt, wie viele Jahre gebraucht würden, um alles zu tilgen, soweit weder Zinsen noch Steuern bezahlt werden, noch in den Betrieb investiert wird.
Fremdkapitalgeber können sich damit ganz gut orientieren, wie gut ihre Chancen stehen, dass sie ihr Geld von strauchelnden Kunden zurückbekommen. Die Gläubiger von Steinhoff (DE:SNHG) International (WKN: A14XB9) haben die Kennzahl folglich genau im Blick.
Für uns Aktionäre wiederum kann es interessant sein, den Wert des schuldenfreien Betriebs (Enterprise Value) durch das bereinigte EBITDA zu teilen. Damit erhalten wir ein Multiple, das ähnlich wie das bekanntere Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) funktioniert, aber durch das Ausblenden der Finanzierungskosten eine rein betriebliche Betrachtung zulässt. Damit erhalten wir im Idealfall gute Hinweise auf die Qualität des Geschäftsmodells und können zudem im Zeitverlauf erkennen, wie die Tendenz sich entwickelt.
Vorsicht ist angesagt beim EBITDA Auch wenn das (bereinigte) EBITDA also durchaus nützliche Anwendungen haben kann, sollte es nicht dogmatisch verwendet werden, sondern eher als ergänzendes Tool in unserem Werkzeugkasten. Die Kennzahl ist nicht standardisiert in den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) und eine Vergleichbarkeit über Unternehmensgrenzen hinweg ist somit nicht garantiert.
Bei der Bereinigung ist immer wieder zu beobachten, dass sehr großzügig angebliche Sondereffekte herausgerechnet werden, um eine möglicherweise nicht vorhandene Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells vorzutäuschen oder den Managementerfolg in einem besseren Licht darzustellen. Höre also besser auf Charlie Munger und lege den Schwerpunkt deiner Analyse auf aussagekräftigere Kennzahlen.
Ralf Anders besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool empfiehlt Uber Technologies (NYSE:UBER).
Motley Fool Deutschland 2020