Berlin (Reuters) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich vor den Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition beim umstrittenen Familiennachzug für Flüchtlinge alle Optionen offen.
"Über schwierige Punkte werden wir miteinander in Ruhe sprechen - und nicht in Interviews", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" auf die Frage, ob die Pläne für eine Koalition zwischen Union, Grünen und FDP an dieser Frage scheitern könnten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bezeichnete das Thema im ZDF dagegen als "ganz zentralen Punkt". Integration sei schwierig, wenn Menschen ihre Familie nicht nachholen könnten. Ein "Aufmalen von roten Linien" vor den Sondierungsgesprächen halte er aber nicht für sinnvoll.
Der Nachzug von Familienangehörigen ist in Deutschland bis März 2018 für jene Personen ausgesetzt, denen ein subsidiärer Schutz gewährt wird. Dieser Schutz gilt für Menschen, die nicht als individuell verfolgt gelten, denen in ihrer Heimat aber Folter, andere unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe droht oder in deren Ländern Krieg herrscht. Als weiteren zentralen Punkt für die Grünen nannte Hofreiter die Schaffung legaler Fluchtwege.
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sagte, ein genereller Familiennachzug würde Deutschlands Möglichkeiten überfordern. "Aus meiner Sicht sollten wir daher Kontingente festlegen und nach ökonomischen und humanitären Kriterien vergeben", sagte er dem "Spiegel".
Merkel rechnet nach eigenen Worten mit langen Beratungen: "Es wird mit FDP und Grünen noch auf vielen Gebieten Diskussionen geben, schließlich haben wir sehr unterschiedliche Ausgangspositionen." FDP-Chef Christian Lindner beharrte in der österreichischen Zeitung "Die Presse" darauf, dass Flüchtlinge die Perspektive haben müssten, in ihre alte Heimat zurückzukehren. "Humanitärer Schutz darf nicht automatisch zu Daueraufenthalt führen."
KAUDER POCHT AUF FINANZMINISTERIUM FÜR UNION
Die Sondierungsgespräche sollen am Mittwoch beginnen. Die FDP will in die Verhandlungen mit einem Kernteam aus vier Politikern gehen, dem neben Lindner auch Vizechef Wolfgang Kubicki, Generalsekretärin Nicola Beer und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann angehören. Diese Gruppe soll um Fachpolitiker ergänzt werden. Union und Grüne hatten ihre Delegationen bereits bekanntgegeben.
Unionsfraktionschef Volker Kauder reklamierte unterdessen das Finanzressort für die Union. "Ich wünsche mir, dass das Finanzministerium bei uns bleibt", sagte er dem "Spiegel". Es müsse das Erbe des scheidenden Ministers Wolfgang Schäuble bewahrt werden. Die Deutsche Rentenversicherung warnte die Unterhändler, die Rentenkasse dürfe nicht mit neuen Leistungen belastet werden, denen keine Beiträge gegenüberstünden.