- von Hans-Edzard Busemann
Berlin (Reuters) - Schon vor dem Start der Sammlungsbewegung "Aufstehen" veröffentlicht die Initiatorin Sahra Wagenknecht eine Erfolgsmeldung nach der anderen.
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag sagte in einem Interview von web.de, bereits 50.000 Menschen hätten sich auf der Webseite der Bewegung angemeldet. Erst am Samstag war die Seite freigeschaltet worden. Bereits am Montag wurden nach Angaben von Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine 36.000 Anmeldungen erfasst. Dabei soll der Startschuss für "Aufstehen" erst am 4. September fallen.
Wagenknecht will mit der Bewegung linke Kräfte bündeln und mittelfristig eine Mehrheit für einen Politikwechsel schaffen. In der politischen Sommerpause hat die 49-Jährige eine Reihe von Interviews gegeben, in denen sie für das Projekt wirbt. Dort diagnostiziert sie ein Erstarken der Rechten in Deutschland durch die AfD während das linke Lager mit SPD, Grünen und Linkspartei von einer Regierungsmehrheit weit entfernt sei. In der "Welt" zog sie den Schluss: "Wir brauchen eine neue Sammlungsbewegung zur Wiedergewinnung der Demokratie, für Fairness im Umgang untereinander, für eine leistungsgerechte Verteilung und für eine Politik der guten Nachbarschaft im Verhältnis zu anderen Ländern."
Der Meinungsforscher Manfred Güllner sieht eine gewisse Chance für einen Erfolg des Unternehmens. Zwar werde Wagenknecht kaum Wähler von den Grünen abziehen können, die im Grunde keine linke Partei seien und sich zunehmend auf die liberale Mitte ausrichteten. Aber: "Sie hat Chancen, den linken Rand der SPD zu gewinnen." Zudem verzeichne die Linke Zuwächse in Westdeutschland, dort werde die Partei salonfähiger. Ob die Bewegung ein Erfolg werde, hänge sehr davon ab, "wie Wagenknecht es anstellt", sagt der Forsa-Chef.
Bisher hält sich Wagenknecht zu Einzelheiten bedeckt. Ein Manifest der Bewegung, die über 40 Gründungsmitglieder haben soll, gibt es noch nicht. "Die Namen dieser prominenten Unterstützer werden wir am 4. September veröffentlichen." Die meisten seien parteilos. Einige kämen auch aus der SPD, den Grünen und der Linken. Bei den Grünen bekannte sich die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer zu der Bewegung und bei der SPD der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow. Beide sind eher Randfiguren.
ABLEHNUNG BEI SPD UND GRÜNEN
In der SPD herrscht Ablehnung vor. Parteivizechef Ralf Stegner etwa spricht von einer "PR-Initiative mit notorischen Separatisten an der Spitze". Zudem gibt es bereits eine Art Bewegung von SPD-Mitgliedern. Sie haben im Mai die "Progressive Soziale Plattform" ins Leben gerufen, die jedoch kaum bekannt ist. Die Plattform will ein Zusammenschluss für Menschen sein, "die eine soziale, progressive Politik befördert". Ziel ist es, den "Stillstand im Mitte-Links-Spektrum" zu durchbrechen.
Auch bei den Grünen gibt es offiziell kein Interesse daran, die Wagenknecht-Bewegung zu unterstützen. "Das #Aufstehen von lauter Leuten, die gefühlte Ewigkeiten politische Spitzenämter besetzt haben, wirkt auf mich so wenig inspirierend wie die nationalen Anklänge", twitterte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. Ex-Grünen-Chefin Claudia Roth warf Wagenknecht im Redaktionsnetzwerk Deutschland vor, sozial Schwache gegeneinander auszuspielen.
Dieser Vorwurf wird auch in Wagenknechts Partei erhoben. In Teilen der Linken-Spitze stieß ein Beitrag der Fraktionsvorsitzenden in der "Nordwest-Zeitung" übel auf. "Die politisch sinnvolle Grenze verläuft nicht zwischen den Ressentiments der AfD und der allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur", schreibt sie dort. "Eine realistische linke Politik lehnt beide Maximalforderungen gleichermaßen ab." Viele Linke sehen in offenen Grenzen jedoch die DNA der Partei und werfen Wagenknecht vor, mit Restriktionen für Flüchtlinge von der AfD geschürte Ressentiments zu bedienen.
Zudem empfinden viele Linke entgegen den Beteuerungen Wagenknechts "Aufstehen" doch als Konkurrenz für die Linke. Als Beleg dafür sehen sie die Forderung der Politikerin, in den Parteien Platz für die Bewegung zu machen. "Wenn wir stark werden, können wir so viel Druck aufbauen, dass die Parteien für Mitstreiter der Sammlungsbewegung ihre Listen öffnen", sagte sie web.de.
Der Linken-Vorstand ist alarmiert. Wagenknechts Aufgabe sei es, die Linke zu stärken, erklärte Parteichef Bernd Riexinger. "Eine Bewegung, die die Linke schwächt, ist nicht akzeptabel."