FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Börsen in Frankfurt und London wollen einen Gemeinschaftskonzern schmieden. In vielen Fragen sind sich Deutsche Börse (XETRA:DB1Gn) und London Stock Exchange (FSE:LS4C) (ISE:LSE) (LSE) schon einig, etliche Fragen sind aber noch offen. Ein Überblick:
Was wir wissen:
- Geplant ist eine gemeinsame Holdinggesellschaft nach britischem Recht ("UK TopCo") mit Sitz in London.
- Die Deutsche-Börse-Aktionäre sollen mit 54,4 Prozent die Mehrheit an dem fusionierten Unternehmen halten, für die Anteilseigner der LSE sind 45,6 Prozent vorgesehen. De facto handelt es sich also um eine Übernahme der Londoner durch die Frankfurter Börse.
- Ihre Zentralen in Eschborn vor den Toren Frankfurts und in der britischen Hauptstadt wollen die Unternehmen erhalten.
- Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter soll das neueGemeinschaftsunternehmen führen. LSE-Verwaltungsratschef Donald Brydon soll diesen Posten auch im fusionierten Unternehmen übernehmen. Als Brydons Stellvertreter ist der derzeitige Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, Joachim Faber, vorgesehen.
- Nach Erlösen entstünde der weltgrößte Börsenbetreiber mit einem Gesamtumsatz von 4,7 Milliarden Euro.
- Die Partner kalkulieren mit Einmalkosten von 600 Millionen Euro.
- Beide Seiten werben mit großen Wachstumschancen und hohem Einsparpotenzial: Die Kosten könnten - ab dem dritten Jahr nach Vollzug des Deals - pro Jahr um 450 Millionen Euro gedrückt werden, das entspreche rund einem Fünftel des jährlichen Aufwands der Konzerne. Eine Verlagerung von Geschäften sei nicht vorgesehen.
- Die Konzerne hoffen, das Geschäft Ende 2016 oder spätestens im ersten Quartal 2017 erfolgreich abzuschließen. Auch ein möglicher EU-Austritt Großbritanniens ("Brexit") soll die Pläne nicht durchkreuzen. Am 23. Juni stimmen die Briten darüber ab, ob das Land weiter Mitglied in der Europäischen Union bleibt.
Was wir noch nicht wissen:
- Zum genauen Zeitplan schweigen sich die Unternehmen aus. Ihren Aktionären muss die Deutsche Börse ein Umtauschangebot machen, dem mindestens drei Viertel zustimmen müssen. Dieser Prozess wird einige Wochen dauern.
- Bei der LSE entscheiden die Anteilseigner an einem einzigen Tag bei einer außerordentlichen Hauptversammlung. Dann müssen ebenfalls mehr als 75 Prozent des anwesenden Aktienkapitals zustimmen. Ob diese Versammlung noch vor dem britischen Referendum über den EU-Austritt stattfindet, ist offen.
- Wie viele Stellen gestrichen werden, ist unklar. Die Deutsche Börse will nach Worten ihres Finanzvorstandes Gregor Pottmeyer aber möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommen.
- Analysten rätseln, wie auf Dauer Millioneneinsparungen realisiert werden sollen, wenn Doppelstrukturen in Frankfurt und London erhalten bleiben. Die Konzerne erklären, die Vorteile lägen etwa darin, dass das neue Unternehmen die jeweils besten IT-Systeme nutzen werde.
- Damit der Zusammenschluss der beiden Börsenbetreiber im dritten Anlauf klappt, ist die Zustimmung etlicher Aufsichtsbehörden notwendig. Das für die Frankfurter Börsenaufsicht zuständige hessische Wirtschaftsministerium hatte ein Fragezeichen hinter die Pläne gemacht, den rechtlichen Sitz der geplanten europäischen Superbörse nach London zu verlagern. Auch ein positives Votum der EU-Wettbewerbshüter gilt keineswegs als Selbstläufer.
- Einen Strich durch die Fusionspläne könnte auch noch der US-Konkurrent CME-Gruppe aus Chicago machen. Der US-Börsenbetreiber Intercontinental Exchange (ICE) gab dagegen kürzlich bekannt, er habe "derzeit keine Absicht" ein Angebot für die LSE abzugeben. Das Unternehmen sehe auf Grundlage der vorliegenden Informationen keinen ausreichenden Nutzen in einer Übernahme.