Washington/Berlin (Reuters) - US-Präsident Donald Trump spielt offenbar mit dem Gedanken, die Sanktionsschraube gegen Russland noch schärfer anzuziehen, als es das Repräsentantenhaus derzeit plant.
"Er könnte das Sanktionsgesetz genau so unterzeichnen, wie es vorliegt, er könnte aber auch sein Veto mit dem Ziel einlegen, eine noch härtere Regelung für Russland zu verhandeln", sagte Trumps neuer Kommunikationschef Anthony Scaramucci am Donnerstag CNN. Der russische Präsident Wladimir Putin nannte die US-Pläne illegal und "extrem zynisch". Er drohte Vergeltung an, wenn sie Gesetz würden. Eines Tages müsste sich Russland rächen. Die Antwort seines Landes hänge nun davon ab, wie das Gesetz am Ende aussehe. Dennoch setze er darauf, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern irgendwann wieder besserten.
Auch in Deutschland wurden die Stimmen lauter, die von Gegenmaßnahmen sprachen, weil die US-Pläne auch Firmen in Deutschland und europäischen Partnerländern bedrohten. Die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries beklagte das und warnte vor einem Handelskrieg mit den USA. "Es gibt die Möglichkeit von Gegensanktionen, das sieht die Welthandelsorganisation so vor", sagte sie in der ARD. Auch der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) plädierte dafür, sich dies als allerletzte Möglichkeit offenzuhalten.
Das US-Repräsentantenhaus hatte am Dienstag einen Gesetzentwurf verabschiedet, der geltende Strafmaßnahmen gegen Russland verschärft. Damit soll Russland für die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die Unterstützung von Präsident Baschar al-Assad im syrischen Bürgerkrieg und eine mutmaßliche Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl bestraft werden. Im Zentrum der Sanktionspläne steht dabei der Energiebereich. Im Öl- und Gasgeschäft sind die USA ein Konkurrent Russlands. Daher rührt sich Kritik, dass die USA aus den Sanktionen auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen wollen.
VÖLKERRECHTLICHE BEDENKEN
Im Zentrum des Unmuts in Deutschland und der Europäischen Union steht die Auswirkungen der US-Pläne auf nicht-amerikanische Firmen. Die deutsche Wirtschaft und die deutsche Politik werfen den USA vor, dies zu nutzen, um eigene Wirtschaftsinteressen in Europa zu durchzusetzen - nämlich um mehr Öl und Gas in den europäischen Markt zu drücken. "Solche exterritorialen Wirkungen von solchen Sanktionen sind nach unserer Auffassung völkerrechtswidrig", sagte der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Jürgen Hardt, im SWR. Man werde nicht hinnehmen, dass die USA über Sanktionen Einfluss auf Europas Energiepolitik nehmen. Auch die Europäische Union ist auf Gegenmaßnahmen eingestellt.
Der OA-Geschäftsführer Michael Harms warf den USA pure Interessenpolitik vor. "Die gewünschten Sanktionen gegen Pipelineprojekte sollen dazu dienen, die Energieexporte aus den USA nach Europa anzukurbeln, Jobs in den USA zu schaffen und die US-Außenpolitik zu stärken". Das stehe so im Gesetzentwurf. Ausdrücklich zielten die Vereinigten Staaten auch darauf ab, das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 in der Ostsee zu verhindern, das der russische Gazprom-Konzern mit europäischen Unternehmen plant. Insgesamt seien alle internationale Firmen bedroht, die am Ausbau, der Modernisierung und dem Erhalt russischer Energie-Leitungen beteiligt seien. "Das Gesetz schwebt wie ein Damoklesschwert über europäischen Firmen, die sich im Energiesektor engagieren". Sorge bereite zudem, dass auch die Russische Bahn als Sanktionsziel genannt werde.
Die deutsch-russische Auslandshandelskammer sprach von einer "Gefährdung der deutschen Wirtschaft in Russland". Ihr Präsident Rainer Seele sieht in den schärferen Sanktionen eine Bedrohung für die Energiesicherheit Europas. Sie förderten den Protektionismus und schafften neue Konfliktfelder. Auch die Vereinigung der europäischen Wirtschaft in Russland äußerte sich tief-besorgt über die US-Sanktionspläne.
HOFFNUNG AUF ÄNDERUNGEN
Kritik kommt auch vom deutschen BASF-Konzern, der über seine Tochter Wintershall seit langem mit russischen Partnern im Energiebereich, vor allem Gazprom, zusammenarbeitet. Vorstandschef Kurt Bock bemängelte: "Sanktionen zu beschließen zulasten eines Dritten, nämlich zulasten Europas, und gleichzeitig die amerikanische Wirtschaft zu befördern nach dem Motto 'buy american gas' - das ist schon bemerkenswert, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass Russland uns seit Jahrzehnten zuverlässig in Europa beliefert." Allerdings sei wohl das letzte Wort in Washington noch nicht gesprochen. Er hoffe, dass europäische Interessen doch noch berücksichtigt werden. Ähnlich äußerte sich der OA.
In der russischen Presse hieß es unter Berufung auf Quellen aus dem Moskauer Außenministerium, sollte Trump den Gesetzentwurf unterzeichnen, werde die russische Seite Vergeltungsmaßnahmen ergreifen. Der mit großer Mehrheit im US-Abgeordnetenhaus verabschiedete Entwurf muss noch durch den Senat und dann noch vom Präsidenten unterzeichnet werden. Ein Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte zwar, er rechne nicht damit, dass sich die neuen US-Sanktionen besonders negativ auswirkten. Jedoch dämpften sie die Hoffnung, dass die bestehenden westlichen Strafmaßnahmen in den nächsten Jahren aufgehoben würden, sagte Alexej Kudrin zu Reuters. Die aktuellen Sanktionen drückten die Wirtschaftsleistung derzeit um 0,5 Prozent.