Kabul (Reuters) - Afghanistans Präsident Aschraf Ghani hat den radikalislamischen Taliban Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen angeboten und damit einen Kurswechsel eingeleitet.
"Wir unterbreiten dieses Angebot ohne Vorbedingungen, um ein Friedensabkommen zu erzielen", sagte Ghani am Mittwoch bei einer internationalen Friedenskonferenz in Kabul. Er zeigte sich auch offen für eine Anerkennung der Taliban als legitime politische Gruppierung. Dies solle den Weg für einen politischen Prozess ebnen und Verhandlungen über ein Ende des seit über 16 Jahren andauernden Krieges ermöglichen. Teil einer Vereinbarung mit den Taliban könnten eine Waffenruhe, die Freilassung Gefangener, Neuwahlen unter Beteiligung der Taliban sowie eine Überprüfung der Verfassung des Landes sein. Bisher hatte Ghani die Taliban als Terroristen bezeichnet und lediglich denen unter ihnen Gespräche angeboten, die bereit waren, die Waffen niederzulegen.
"Wir erwarten von den Taliban, dass sie sich in einen politischen Prozess einbringen, dessen Ziel es ist, die Taliban als Organisation an den Verhandlungstisch bei Friedensgesprächen zu bringen", sagte Ghani. Er werde sich dabei nicht vorschnell gegen irgendeine Gruppe stellen, der es um Frieden gehe.
Die Taliban kämpfen seit ihrem Sturz 2001 für die Wiedererrichtung eines islamischen Gottesstaates am Hindukusch. Sie haben sich kürzlich zu Gesprächen mit den USA bereiterklärt, lehnen direkte Verhandlungen mit der Regierung in Kabul bislang aber ab. Eine Reaktion der Taliban auf Ghanis Angebot stand zunächst aus. Zuletzt hatte es allerdings von beiden Seiten Signale der Annäherung gegeben.
GHANI: TALIBAN KÖNNEN VERTRETUNG IN KABUL ERRICHTEN
Gemeinsam mit den Taliban als legitimer politischer Gruppe könne ein Rahmen für Friedensverhandlungen abgesteckt werden, erklärte Ghani. Die Taliban könnten dazu auch eine Vertretung in Kabul oder an einem anderen gemeinsam vereinbarten Ort errichten. Dafür müssten sie allerdings die Regierung und die Herrschaft des Rechtsstaates anerkennen. Frühere Kämpfer könnten integriert und mit Arbeitsstellen versorgt werden. Gefangene Taliban könnten freikommen und von internationalen Terrorlisten gestrichen werden. Ghani erneuerte auch sein Gesprächsangebot an den Nachbarstaat Pakistan, den Afghanistan seit langem der Unterstützung der Taliban beschuldigt. Pakistan weist die Vorwürfe zurück.
Vertreter der Taliban hatten zuletzt eingeräumt, dass sie unter zunehmendem Druck von ihnen freundlich gesonnenen Staaten stehen, Friedensverhandlungen zuzustimmen. Eine Konsequenz daraus sei das jüngste Verhandlungsangebot an die USA. Die USA hatten das militärische Vorgehen gegen die Taliban im vergangenen Jahr verschärft auch mit dem Ziel, die Extremisten an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die Taliban kontrollieren dennoch weite Teile Afghanistans. Sie bekannten sich auch zu zwei schweren Anschlägen im Januar in Kabul, bei denen Hunderte Menschen getötet oder verletzt wurden.
Deutschland beteiligt sich mit knapp 1000 Soldaten an einem Einsatz zur Beratung und Ausbildung der afghanischen Truppen. Die meisten der Bundeswehr-Soldaten sind in Masar-i-Scharif im Norden des Landes stationiert.