- von Gavin Jones
Rom (Reuters) - Kaum einer hätte vor der italienischen Parlamentswahl geglaubt, dass die populistische 5-Sterne-Bewegung und die rechte Lega jemals zusammenfinden würden.
Zu groß erschienen die Unterschiede der beiden Parteien, die seit ein paar Tagen versuchen, ihre Programme in Einklang zu bringen.
Eine Gemeinsamkeit gibt es: Die Wahlversprechen kosten etliche Milliarden Euro und dürften sich kaum umsetzen lassen. Schon jetzt wird klar, dass die beiden ungleichen Partner auf Kollisionskurs mit der EU und den Euro-Partnern sind. "Wir müssen Vereinbarungen mit der EU neu verhandeln, damit Italien nicht länger die Luft abgeschnürt wird", sagte Lega-Chef Matteo Salvini am Samstag nach Verhandlungen mit seinem potenziellen Partner Luigi Di Maio von den 5 Sternen.
Selbst wenn sie sich nur auf einen Teil ihrer Versprechen einigen, wird die Rechnung üppig. So wird das von den 5 Sternen geforderte Grundeinkommen für Arme auf jährlich 17 Milliarden Euro taxiert. Würde eine Pauschalsteuer von 15 Prozent für Unternehmen und Bürger eingeführt, was die Lega fordert, könnten die Steuereinnahmen um 80 Milliarden Euro im Jahr sinken. Die Rückabwicklung der Rentenreform: 15 Milliarden. Der Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung: 12,5 Milliarden Euro.
"Wenn das umgesetzt wird, wäre es die größte Veränderung des italienischen Wirtschaftssystems in der jüngeren Geschichte", sagt Wolfgang Münchau, Chef des Informationsdienstes Eurointelligence. Manche Unterhändler der beiden Parteien glauben inzwischen, dass sich ein pragmatischer Ansatz durchsetzen wird. So könnten die Wahlversprechen nur teilweise und schrittweise umgesetzt werden. So könnten die Politiker vor ihren Anhängern argumentieren, dass sie in den Verhandlungen zu Kompromissen gezwungen gewesen seien.
Dennoch bleibt unklar, wie Italien seinen Verpflichtungen nachkommen will. Das Euro-Land wollte eigentlich das Staatsdefizit senken und die Verschuldung zurückfahren. Diese beträgt 130 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung. In der Euro-Zone ist nur Griechenland noch stärker verschuldet. Zudem gibt es immer mehr Anzeichen, dass der Konjunkturmotor ins Stottern gerät: Die Industrieproduktion stagnierte im ersten Quartal, und die Stimmung der Unternehmer war im April so getrübt wie seit über einem Jahr nicht mehr.
LEGA WILL RADIKAL ANDERE HAUSHALTSPOLITIK
Die scheidende Regierung unter den Sozialdemokraten hatte versprochen, die Defizitquote von 2,4 Prozent im vergangenen Jahr auf 1,6 Prozent senken. Ziel war ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2020. Davon wollen Lega und 5 Sterne nichts wissen. "Das Ziel des ausgeglichenen Haushalts hat unsere Wirtschaft zerstört", sagt Lega-Senator Alberto Bagnai. Seine Partei will haushaltspolitisch die 180-Grad-Wende: Statt eines ausgeglichenen Haushalts soll der Fehlbetrag bis 2020 auf 3,0 Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung steigen. Dies dürfte für weitere Diskussionen mit den 5 Sternen sorgen. Deren Chef Di Maio kündigte kurz vor der Wahl im März an, das Defizit bei 1,5 Prozent zu stabilisieren.
Experten zufolge dürften die beiden Parteien für ihre Haushaltspläne wenig Gegenwind aus Brüssel bekommen. Die EU-Kommission sei sehr schwach und stehe ein Jahr vor ihrem Abtritt, sagt Wolfgango Piccoli von der Beratungsfirma Teneo Intelligence. Ihr bleibe nur übrig, Italiens Finanzpolitik stärker unter die Lupe zu nehmen. "Und die Märkte interessiert das nicht."