Die Berichtssaison ist bisher stärker als erwartet gestartet. Die Analystenschätzungen wurden von vielen Unternehmen übertroffen. Den Anfang haben dabei die US-Banken gemacht. Zwar mussten diese deutlich rückläufige Gewinne melden, doch lagen diese dennoch oberhalb der Expertenmeinungen.
Bislang haben noch verhältnismäßig wenige Unternehmen ihre Bilanzen veröffentlicht. Aus dem S&P 500 lagen vorgestern 45 Geschäftsberichte vor. Von diesen haben laut Refinitiv-Daten allerdings 68,9 % die Gewinnerwartungen übertroffen. Der langjährige Durchschnitt liegt bei 66,2 %. Unter dem Strich verdienten die Unternehmen dabei 4,9 % mehr als von Analysten geschätzt.
Dabei gilt es jedoch wie üblich zu beachten, dass die Erwartungen vor Beginn der Berichtssaison kräftig zurückgeschraubt worden waren. Anfang Juli wirkten die Analysten noch am optimistischsten und gingen von einem Gewinnanstieg von 11,1 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aus. Drei Monate später zeigten sie sich mit +4,5 % bereits wesentlich zurückhaltender. Und aktuell rechnen sie sogar nur noch mit einem Plus von 2,8 %.
Ohne den Beitrag des Energiesektors, der von den hohen Preisen profitiert, gehen die Analysten sogar von einem Gewinnrückgang um 2,0 % aus.
Es wäre laut Refinitiv das zweite Quartal in Folge mit negativem Wachstum, wenn es den Energiesektor nicht gäbe. So etwas hat es nur in zwei früheren Perioden gegeben: während der globalen Finanzkrise von 2008 bis 2009 und zur Corona-Pandemie 2020.
Aber zum Vergleich: Am 1. Juli war man für die Bilanzsaison zum 2. Quartal 2022 von einem Gewinnwachstum von 5,6 % ausgegangen. Am Ende erzielten die Unternehmen immerhin +8,4 %.
Es besteht also Hoffnung, dass es auch dieses Mal nicht so schlimm kommt wie befürchtet.
Erneut auch trübere Zukunftsaussichten
Angesichts der jüngsten Entwicklungen verwundert es auch nicht, dass die Erwartungen für die kommenden Quartale ebenfalls (weiter) zurückgeschraubt wurden. Am 26. August stellte sich das Bild noch wie folgt dar:
(Quelle: Refinitiv)
Fast zwei Monate später lässt sich feststellen, dass nur die Erwartungen zum 3. Quartal 2023 nicht gesenkt wurden. Für alle anderen Zeiträume wurden sowohl die Umsatz- als auch die Gewinnwartungen nach unten revidiert.
Kein Wunder also, dass sich die Aktienmärkte bis vor kurzem dementsprechend belastet zeigten und noch neue Korrekturtiefs erreicht haben. Doch wenn nun die Berichtssaison weiterhin positiv verläuft und am Ende die Erwartungen genauso geschlagen werden wie in den Quartalen zuvor, könnte dies zu einem versöhnlichen Jahresausklang an den Börsen beitragen.
Bilanzen und Energiepreise helfen dem Aktienmarkt
Ähnliches gilt für die Energiepreise, die jüngst erneut nachgegeben haben. Das betrifft nicht nur die Ölpreise, welche die Preisanstiege nach der Förderkürzung der OPEC+ wieder abgegeben haben, sondern auch die Erdgaspreise. Setzt sich hier die Abwärtstendenz der vergangenen Wochen fort, so dämpft dies die Inflation(serwartungen) und damit den Druck auf die Aktienkurse.
Fazit
Aktuell sollten Sie also drei Dinge besonders im Auge behalten: die Ergebnisse der Berichtssaison, die Energiepreise und die Zinsen. Läuft die Bilanzsaison plötzlich schlechter und/oder steigen die Öl- und Gaspreise und/oder die Zinsen wieder, ist dies tendenziell schlecht für den Aktienmarkt.
Aktuelles Beispiel: Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen kletterte gestern zeitweise auf den höchsten Stand seit Juli 2008, also seit mehr als 14 Jahren. Das hat kurzzeitig wieder Druck auf die Aktienkurse ausgeübt. Die Korrelation der beiden Märkte ist demnach weiterhin sehr hoch.
Allerdings fielen die Aktienmärkte nicht auf neue Korrekturtiefs, weil sie von günstigeren Energiepreisen und dem positiven Verlauf der Bilanzsaison profitiert hatten. Und so zeigt sich, wie diese drei Faktoren aktuell anteilig den Aktienmarkt beeinflussen.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus