Angriff auf die Jahresend-Rallye

Veröffentlicht am 12.12.2014, 12:31

Kurz vor dem Jahresende führen zwei Problemfaktoren zu Verunsicherungen an den Finanzmärkten: Die politische Krise in Griechenland und der fallende Ölpreis. Die Wahl eines neuen griechischen Staatspräsidenten im Parlament Ende Dezember dürfte aus heutiger Sicht an politischer Disharmonie scheitern. Daher kommt es im kommenden Februar verfassungsgemäß zu vorgezogenen Parlamentsneuwahlen. Dabei könnte laut Umfragen die linksradikale Partei Syriza als Wahlsieger in Regierungsverantwortung kommen. Mit der kürzlichen Vorstellung ihres extrem Euro-kritischen Parteiprogramms hat die Parteiführung der Syriza bereits für Entsetzen bei führenden Investmentbanken gesorgt. Die Partei spricht dabei vom Ende jeglicher Sparbemühungen, der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der Troika (EU-Kommission, EZB, IWF) und sogar von einem unkontrollierten Schuldenschnitt. Laut einer steigenden Anzahl von Investoren wird mittlerweile die Wahrscheinlichkeit eines GREXIT - Austritt Griechenlands aus der Eurozone - auf rund 20 Prozent geschätzt. Aber nicht nur griechische Anleihen, sondern ebenso andere Euro-periphere Rentenmärkte wurden im Dominoeffekt vom neuen Euro-Krisenvirus angesteckt. 10-jährige Staatsanleihen aus Spanien, Italien und Portugal zeigten zeitweise deutliche Anstiege der Risikoaufschläge zu deutschen Staatstiteln, deren Renditen auf ein neues Allzeittief von 0,64 Prozent gefallen sind.

Politik ist die Kunst des Möglichen

Allerdings dürften bei einer tatsächlichen Regierungsbeteiligung der Partei Syriza moderatere Töne zu vernehmen sein. So manche martialische wahlpopulistische Forderung wird sich schnell der politischen Realität anpassen. Denn ansonsten würde die Ächtung Griechenlands in Europa und vor allem an den Finanzmärkten die zweifelsohne heute schon schwierigen Lebensverhältnisse der Griechen noch weiter eintrüben. Das käme dieser populistischen Partei sicher nicht zugute. Aber auch die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF wird Griechenland entgegenkommen. Ein weiterer Schuldenerlass ist zwar nicht umsetzbar, da dann auch andere schuldengeplagte Euro-Länder in diesen Genuss kommen wollen. Im Gegenzug für u.a. den Verzicht auf einen Schuldenschnitt oder den Euro-Austritt wird man Griechenland jedoch mit Verlängerungen der Schuldenlaufzeit und abgemilderten Spar- und Reformforderungen entgegenkommen. Die Euro-Politik und die Troika werden alles unternehmen, damit Griechenland nicht zum ersten fallenden Stein in einer Dominokette wird, an deren Ende der Zerfall der Eurozone stünde. Die Abwendung einer erneuten, von Griechenland ausgehenden Euro-Staatsschuldenkrise ist für die EZB ein klares Alibi, im nächsten Jahr mit Staatsanleihenkäufen - QEE (Quantitative Easing Eurozone) - zu beginnen.

Ölpreisverfall drückt die Eurozone in die Deflation

Geradezu dramatisch fallende Energiepreise - vor allem beim Öl - sorgen für Deflationsdruck in der Eurozone. Für 2015 rechnet die OPEC mit der schwächsten Nachfrage nach dem von ihren Mitgliedsstaaten geförderten Rohöl in den letzten 12 Jahren. Dennoch sind die OPEC-Staaten zu keiner Angebotsverknappung bereit, sondern verteidigen ihre Marktanteile gegenüber dem US-Angebot, das über die großflächige Schieferölproduktion via Fracking auf den Markt drängt. Ein möglicher weiterer Ölpreisrückgang bis auf 60 US-Dollar pro Barrel Ende des Jahres würde im Frühjahr in der gesamten Eurozone zu einer Deflation von schätzungsweise minus 0,5 Prozent führen. Vor einem Deflationsszenario warnte zuletzt auch EZB-Chefvolkswirt Praet. Zurzeit sind die langfristigen Inflationserwartungen in fünf Jahren für die kommenden fünf Jahre klar abwärts gerichtet und liegen bereits den vierten Monat in Folge unter dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent. Daher liegt der Fokus der EZB eindeutig auf der Stabilisierung der Inflationserwartungen, also im Gegensatz zu früheren geldpolitischen Doktrinen auf Preissteigerungen. Bei der EZB ist die Angst vor der japanischen Deflationskrankheit stark ausgeprägt. Konsumenten und Investoren könnten mit der Aussicht auf noch geringere Preise für Güter und Dienstleistungen ihre Kauf- und Investitionsentscheidungen zeitlich immer weiter hinauszögern. Im Extremfall fiele die Wirtschaft der Eurozone kräftig in die Rezession.

Die EZB steht mit ihrem geldpolitischen Rücken an der konjunkturellen Wand

Ein Deflationsumfeld hat nicht zuletzt negative Auswirkungen auf die Staatsschuldenfinanzierung der Euro-Länder. Denn bei weiter sinkender Inflation/sich verstärkender Deflation würde sich der Trend sinkender Realzinsen seit Ende 2013 umkehren, was die Auflegung neuer schuldenfinanzierter Konjunkturprogramme - die in Ermangelung anderer wirksamer Nachfrageelemente zur Wirtschaftsförderung leider unumgänglich sind - wieder verteuern würde. Auch hier ergibt sich für die EZB ein Argument für Staatsanleihenaufkäufe, die sie als vorbeugende Waffen gegen Deflationierung sieht. Die EZB wird argumentieren, dass ein Deflationsszenario, wenn es sich erst einmal etabliert hat, kaum mehr zu bekämpfen ist, da die Leitzinsen und Anleiherenditen in unserem Papiergeldsystem nicht unter null fallen können, aber eigentlich müssten. Ansonsten versucht jeder Anleger möglichst viel Bargeld zu halten, was zu einem Bank Run und dann zu umfänglichen Bankeninsolvenzen führte. In diesem Szenario wäre die EZB also gezwungen, zuzusehen, wie die Realrenditen immer weiter steigen würden. Dann würde auch der Bestand an Staatsschulden durch Inflation nicht mehr gemindert, sondern über Deflation vergrößert. Die Schuldenkrise würde im wahrsten Sinne des Wortes wieder zur realen Gefahr. Und die EZB kommt in den Genuss eines weiteren Alibis für Staatsanleihenaufkäufe. Sie muss konstatieren, dass ihre bisher ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen auf Konjunktur und Inflation keine Wirkung zeigten. Das Zinsargument hat ohnehin schon längst ausgedient. Denn solange sich die Kreditmargen angesichts der hohen konjunkturellen Risiken bei nur schwachen Renditeaussichten der kreditierten Unternehmen weiter eintrüben, bleiben selbst niedrigste Leitzinsen eine stumpfe Waffe. Symptomatisch für die Kreditzurückhaltung der Banken ist die kürzlich schwache Aufnahme zweckgebundener Langfristkredite der EZB. Mit 130 Mrd. Euro fällt sie zwar höher aus als im September mit gut 83 Mrd. Euro. Dennoch liegt sie am unteren Ende der Erwartungsspanne von 90 bis 250 Mrd. Um das Ziel der EZB, die Bilanzsumme innerhalb von zwei Jahren um eine Billion Euro oder mehr auf den Stand von März 2012 auszuweiten, um damit Konjunktur und Inflation über Liquiditätsausweitungen zügig anzukurbeln, wird die EZB nicht nur ABS-Papiere, sondern auch breite Staatsanleihenaufkäufe ergreifen müssen.

Aktuelle Marktlage

Zurzeit wird die Jahresend-Rallye an den Aktienmärkten der Eurozone durch die griechische Innenpolitik und die möglichen Kollateralschäden sinkender Ölpreise behindert. Mindestens im Vorfeld der griechischen Parlamentswahlen bis zur Regierungsbildung ist mit grundsätzlich erhöhter Volatilität an den Anleihen- und Aktienmärkte zu rechnen. Ein stark sinkender Ölpreis hat - obwohl er grundsätzlich zu einer erhöhten Kaufkraft für Konsumenten und Margenverbesserungen bei Unternehmen führt - zumindest indirekt eine hemmende Wirkung auf Anleihen und Aktienmärkte. Denn drohten Öl und Gas produzierenden Ländern über schwache Energiepreise Unterfinanzierungen ihrer Staats- oder Unternehmensfinanzierungen oder könnten ihre Wohlstandstransfers an die Bevölkerung nicht mehr in gewohntem Ausmaß finanziert werden, müssten ihre Petrodollar-Staatsfonds Kasse bei Anlageklassen der Industrienationen machen. Bei Euro-Staatsanleihen und Aktien verfügen sie ohnehin über die größten Buchgewinne. Zur Abwendung diesbezüglicher Renditesteigerungen ergibt sich ein weiteres Alibi für die EZB, das Quantitative Easing Eurozone zu starten. Grundsätzlich zeigt sich die Verunsicherung an den Aktienmärkten der Eurozone zurzeit deutlich. Aufgrund der ergriffenen und noch zu ergreifenden geldpolitischen Gegenmaßnahmen gegen die Krisensymptome und auch angesichts der staatlichen Schuldenaufnahmen zur Stützung der Konjunktur ist trotz zwischenzeitlicher Gewinnmitnahmen von einem Ende der langfristigen Aktienhausse nicht auszugehen. Dafür spricht u.a., dass große deutsche Banken die Aktienquoten in ihren Musterdepots zuletzt deutlich aufgestockt haben.

Anlegerstimmung und Charttechnik

Zuletzt hat die Kursschwankungsbreite - gemessen am VDAX -Volatilitätsindex - wieder etwas zugenommen. Die theoretische DAX-Handelsspanne für die nächsten 30 Tage liegt demnach zwischen 9.100 und 10.300. Charttechnisch liegen auf dem Weg nach oben Widerstände an der Marke bei 10.050 Punkten und darüber an dem seit Januar 2014 ansteigenden Widerstand bei derzeit rund 10.350 Punkten. Auf längere Sicht ist die Marke bei rund 11.000 DAX-Punkten ins Visier zu nehmen. Aus charttechnischer Sicht wartet im DAX für den Fall einer technischen Reaktion eine sehr starke Unterstützungszone zwischen 9.800 und 9.750 Punkten. Als nächste Haltelinie notiert darunter die leicht steigende 200-Tage-Linie bei derzeit 9.531 Punkten.

Und was passiert in der KW 51?

Bei den vorgezogenen Unterhauswahlen in Japan ist eine Wiederwahl Shinzo Abes als Regierungschef zu erwarten. Damit sind vier weitere Jahre einer geld- und fiskalpolitischen Alimentierung der japanischen Volkswirtschaft zu erwarten. In den USA unterstreicht eine robuste Industrieproduktion im November das Voranschreiten der US-Konjunkturerholung. Laut Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed wird sich dieser Prozess fortsetzen. Weitere Unterstützung erhält die US-Konjunktur vom Immobiliensektor: Baubeginne und -genehmigungen zeigen sich stabil. Entsprechend aufmerksam werden Anleger die letzte Zinssitzung der Fed in diesem Jahr verfolgen. Konkrete Anzeichen für die anstehende Zinswende sind jedoch vor der Weihnachtspause nicht zu erwarten. Mit dem Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe, den ifo Geschäftsklimadaten, der ZEW Konjunkturlage und -erwartungen und dem GfK Konsumklimaindex kommt es in Deutschland zum ultimativen Konjunkturtest.

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