Die Finanzmärkte stecken im Herbst 2018 in der Krise. Deutsche Aktiensparer könnten schon bald merken, wie wichtig Angela Merkel war und ist. Denn am Sonntag bei der Hessenwahl könnte es für Europa und den Euro um sehr viel gehen. Die italienische Regierung gibt es ein trauriges Bild ab. Innenminister Matteo Salvini lässt in Sachen Menschenrechte viele Selbstverständlichkeiten vermissen, doch ausgerechnet auf der monetären Seite muss man den Italienern Recht geben.
Marcel Fratzscher erläuterte es jüngst an dieser Stelle und proklamierte, dass man Italien Schulden zugestehen sollte. Ein Sparprogramm nach Art Griechenlands würde Italien noch weiter nach rechts drängen und Europa sowie möglicherweise den Euro planieren. Wenn es Europa gutgehen soll, dann darf man die Italiener nicht in Sparversklavung nehmen.
Infrastruktur in bitterem Zustand
Wer in den letzten Jahren einmal in Italien gewesen ist, wird selbst für den reichen Norden eine massive Notwendigkeit an infrastrukturellen Programmen erkennen, von einer Linie südlich von Rom ganz zu schweigen. In Neapel ließe das Straßenbild mitunter vermuten, man sei in Myanmar oder Kambodscha und nicht in einer europäischen Großstadt. Natürlich – vieles bei den Italienern ist ebenso wie in Griechenland hausgemacht dank Korruption und absurder Verwaltung, doch Sparzwänge helfen da sicher nicht. Was aber hat dies nun mit der Wahl in Hessen und am Ende mit deutschen Sparern, ja Aktiensparern, zu tun?
Merkel ist noch sehr wichtig
Als einziger großer Stabilitätsanker fungiert in Europa außenpolitisch neben Angela Merkel momentan Emmanuel Macron. Die deutsch-französische Achse ist neben der EZB das wichtigste Instrument, um in Europa den Laden am Laufen zu halten, Investoren einen verlässlichen Wirtschaftsraum zu bieten. Unsicherheit mögen Investoren nicht. Da kommt Hessen eine entscheidende Rolle zu. Sollte die SPD um Torsten Schäfer-Gümbel vernichtend geschlagen werden und Ministerpräsident Volker Bouffier zudem aus dem Amt gekegelt werden, so dürften Merkel und die SPD ein massives Problem haben. Kommt der Stein ins Rollen, so wäre der 29.10 der Anfang vom Ende der Groko und damit dem Ende Angela Merkels. Dies dürften Anleger ebenso spüren wie Sparer. Verwerfungen beim Euro, bei deutschen Staatsanleihen und am Aktienmarkt könnten die Folge sein, wenn Merkel und die Groko kippen. So kurios es klingt – fast alle sollten die Daumen drücken, dass die Wahl in Hessen sowohl CDU als auch SPD irgendwie am Leben lassen und die Ergebnisse respektabel ausfallen.
Dollar brummt
Die Kehrseite einer Unsicherheit hinsichtlich der Führung in Europa könnte nämlich eine Flucht in den US Dollar sein und damit viele Probleme nochmal verstärken – Stichwort Handelskonflikt. Am Börsenplatz Gettex gehörten Papiere auf steigende Dollar-Kurse in den letzten Wochen zu den rege gehandelten. Investoren gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft den Streit deutlich besser überstehen werde als exportabhängige Volkswirtschaften wie China, oder Deutschland. Deshalb kaufen Investoren US-Dollar, weshalb er gegenüber Währungen, wie dem Euro, schon jetzt deutlich steigt.
Schere zwischen der Geldpolitik der Notenbanken geht auseinander
Weil die US-Wirtschaft brummt und die Arbeitslosigkeit sehr niedrig ist, will die Fed mit steigenden Zinsen ein Überhitzen der Wirtschaft und damit ein weiteres Anheizen der Inflation verhindern. „Daher hat die US-Notenbank zuletzt die Leitzinsen um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 2,0 bis 2,25 Prozent angehoben – das war die achte Erhöhung in diesem Zyklus“, erläutert Nicolai Tietze von Morgan Stanley (NYSE:MS). Die Aktienmärkte driften ohnehin schon seit Jahren auseinander. Die großen US-Techs brummen, während hierzulande Fresenius (DE:FREG), Bayer (DE:BAYGN), Daimler (DE:DAIGn), VW (DE:VOWG), Siemens (DE:SIEGn), SAP (DE:SAPG), BASF (DE:BASFN) oder HeidelCement jüngst maue Ergebnisse oder gar Gewinnwarnungen lieferten. Zinsen gibt es für deutsche Sparer keine mehr und Aktiensparer sehen den DAX nun 2.000 Zähler unter seinem Rekord vom Frühjahr. Eine Spekulation mit dem Discount-Call DD2V1V auf den DAX mit Laufzeit bis Weihnachten ist daher auch ein Vertrauen in Draghi, Merkel und die Stabilität.
Einer tut das Nötige auf alle Fälle. Im Gegensatz zur FED verschärft Mario Draghi die Geldpolitik der EZB nur sehr langsam. „Zwar wird das Anleihenkaufprogramm seit Anfang Oktober 2018 auf 15 Milliarden Euro pro Monat halbiert“, erklärt Matti Greenspan vom Broker EToro. Allerdings will die EZB die Zinsen bis über den Sommer 2019 auf dem aktuellen Niveau halten. Das schwächt den Euro ohnehin schon gegenüber dem US-Dollar. Was die Europäer also bräuchten, wären stabile Verhältnisse und vor allem reichlich Wachstum. Für Wachstum ist eine lockere Geldpolitik der EZB weiterhin notwendig. Stabilität kommt in erster Linie von einer handlungsfähigen Führung in Europa. Diese Rolle haben primär Frankreich und Deutschland inne und Angela Merkel wird dort noch gebraucht.
Positives Signal erhofft
Insofern dürfte jeder Sparer, Anleger und allgemein Bürger in Hessen genau überlegen, wo er sein Kreuzchen am Wahlsonntag macht. Kurios ist die Situation ohnehin. Anders als in Bayern hat die Landesregierung aus CDU und Grünen einen guten Job gemacht, steht für gute Zusammenarbeit und ordentliche Kommunikation. Gleichzeitig mühen sich SPD und FPD um eine konstruktive Opposition. In Hessen könnte so mancher daher guten Gewissens wohl schwarz, rot, gelb oder grün wählen. Eine solche Positivauswahl findet man nicht in jedem Bundesland – vielleicht gibt es ja dann doch aus Hessen ein stabiles Signal für Europa, den Bund, den Euro und alle Aktiensparer. Selbst in Italien müsste man sich freuen.