Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1280 (07:19 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1228 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 111.08. In der Folge notiert EUR-JPY bei 125.27. EUR-CHF oszilliert bei 1.1303.
Brexit: Hoffnungswerte auf rationales britisches Verhalten!
Zunächst werfen wir einen Blick auf die verfügbaren Fakten der Einigung zwischen der EU und Theresa May. Die Staaten der EU haben sich auf eine Verschiebung des Brexit-Termins bis maximal 31. Oktober 2019 geeinigt. Am 20./21. Juni soll eine Überprüfung der Lage auf einem EU-Gipfel stattfinden. Das UK muss laut irischem Ministerpräsidenten Varadkar an den EU-Wahlen teilnehmen oder am 1. Juni 2019 ohne Abkommen die EU verlassen.
Der positive Aspekt ist darin zu sehen, dass ein ungeregelter Exit des UK aus der EU damit am 12. April nicht mehr auf der Agenda steht und die Chance weiter besteht, dass es zu einem regulierten Brexit kommt.
Ein negativer Aspekt sollte jedoch nicht ausgeblendet werden. Die EU forderte für eine weitere Aufschiebung des Brexit-Termins von Theresa May belastbare Gründe. Wer vage Hoffnungswerte als belastbare Gründe interpretieren möchte, mag die Glaubwürdigkeit der EU-Granden als bestätigt ansehen. Wer erkennen will, dass Westminster mit der EU "Schlitten fährt", kann sich durchaus auch bestätigt fühlen, denn die EU ist gestern eingeknickt. London bekam eine "Extrawurst". Der Preis weiterer Verunsicherung für die reale Wirtschaft der EU ist erheblich. Die deutschen Industrieverbände hatten zuvor darauf verwiesen.
Fazit: Die EU ist weiter mit dem Brexit voll beschäftigt. Das bindet Kapazitäten, die anderswo sinnvoller zu allokieren wären. Wirtschaft und Märkte werden weiter belastet. Hoffnungswerte auf rationales Verhalten in Westminster sind tragendes Gerüst der aktuellen Entscheidungen. Diese Hoffnungswerte wurden seit drei Jahren nicht bedient. Wird sich das in den kommenden sechs Monaten ändern?
EZB: Butterweich und streichzart!
Die EZB will die Zinswende frühestens 2020 einleiten. Die Währungshüter bekräftigten, den Leitzinssatz (0,00%) bis mindestens Ende Dezember nicht anzutasten. Nach einer Zinswende will der EZB-Rat noch für längere Zeit fällig werdende Anleihen aus ihrem Bestand ersetzen. Die Notenbank-Bilanz sollte daher nicht schrumpfen. Sie war in den vergangenen Jahren durch Anleiheankäufe um mehr als 2,6 Billionen EUR gewachsen.
Ergo gibt es keinen Grund für Liquiditätsängste. Ganz im Gegenteil ist das System mit Überschussliquidität geflutet, die weder Funktionen in der Real- noch in der Finanzwirtschaft hat. Das Thema der langfristigen Bankenfinanzierung komme auf den kommenden Sitzungen auf die Agenda (LTRO), heißt es aus Frankfurt.
FOMC: Ruhige Hand in schwacher Lage faktisch butterweich/streichzart!
Mehrere der Mitglieder des Offenmarktausschusses betonten, dass sie ihre Entscheidungen flexibel an der weiteren Entwicklung der Konjunkturlage orientieren würden. Das klingt gelassen. Ist die Gelassenheit Verbalakrobatik oder belastbar?
Die strukturelle US-Lage ist kritisch. Die selbsttagenden Kräfte der US-Wirtschaft sind unausgeprägt. Der Kreditzyklus ist alt und die Schuldenniveaus, ob öffentliche Hand, Privathaushalte als auch Unternehmen ist historisch hoch. Diplomatischer lässt sich das nicht formulieren. Ergo ist die Gelassenheit des FOMC wohl eher ein Narrativ. Zunächst würde an der Zinspause (bis Jahresende) festgehalten. Ja, das macht Sinn, wenn man über weiter erhöhte Zinskosten, die angeschlagene US-Konjunktur nicht abwürgen will.
Sachliche Hintergründe der Zinspause seien unsichere US-Konjunkturaussichten, der von den USA initiierte Handelsstreit und die mit dem Brexit verbundenen Risiken. Dieses Statement ist nicht anzufechten. Es fehlte aber der Verweis auf den reifen Kreditzyklus! Das Thema Zinswende in den USA ist faktisch prominenter, als es das Protokoll ausdrückt.
Fazit EZB/FED: Von der Zinsfront ist bezüglich der Weltkonjunktur und der Finanzmärkte weder von der EZB noch von der Federal Reserve mit Belastungen zu rechnen. Ganz im Gegenteil!
US-Handelskonflikt:
Der Druck auf die US-Regierung wächst. Die US-Wirtschaftsdaten neigen zu Schwäche, mindestens zu Dynamikverlusten anders als zuletzt in China. Das ist auch nur logisch, denn die US-Zölle bezahlen US-Verbraucher und US-Unternehmen (Verschlechterung der Investitionsbedingungen), während China strukturelle Gegenmaßnahmen getroffen hat, die jetzt beginnen Traktion zu zeigen.
Laut US-Finanzminister Mnuchin geht es gut voran. Man hätte einen Umsetzungsmechanismus vereinbart. Gesprächewürden heute fortgesetzt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Kraft des normativ Faktischen ihre Wirkung in Washington entfalten wird. Ist die Position der US-Regierung noch Ausdruck von Stärke?
Datenpotpourri der letzten 24-Handelsstunden:
Eurozone: Erfrischend!
Frankreich: Die Industrieproduktion legte unerwartet per Februar im Monatsvergleich um 0,4% zu (Prognose -0,5%).
Italien: Die Industrieproduktion nahm per Februar um 0,8% im Monatsvergleich zu (Prognose -0,8%). Der Vormonatswert wurde von +1,7% auf +1,9% revidiert. Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahmeum 0,9% (Prognose -0,9%) .
USA:
Die US-Verbraucherpreise legten per März im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,3%) und im Jahresvergleich um 1,9% (Prognose 1,8%) nach 1,5% zu. Die Kernrate verzeichnete einen Anstieg um 2,0% nach 2,1% im Jahresvergleich. Das Federal Budget wies per Februar ein Defizit in Höhe von 147 Mrd. USD aus (Prognose -180 Mrd. USD).
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Währungsrelation EUR/USD favorisiert. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.1100 - 1.1520 eröffnet neue Opportunitäten.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH
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