Obwohl die Geldpolitik der EZB vergangenen Donnerstag nicht angetastet wurde und Draghi die Investoren auf den März-Termin vertröstete, werteten einige Marktteilnehmer letzteres dennoch dahingehend, dass Mario Draghi mit seinem Verweis auf die März-Sitzung bereits eine weitere Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt und damit den deutlichen Kurssprung an den Märkten ausgelöst hat. Wir sind da anderer Meinung:
Um den wahren Grund für die aktuellen Kurserholungen zu finden, muss man einfach nur auf die Kursbewegungen im direkten Umfeld der EZB-Zinsentscheidung und der anschließenden Pressekonferenz blicken:
Der Tag begann für den DAX schwungvoll. Doch wie so oft vor wichtigen Terminen, pendelten sich die Kurse unter abnehmender Volatilität in einer Seitwärtsbewegung ein, wie das Kaninchen vor der Schlange (linke blaue Linie im DAX-Chart).
Mit der Zinsentscheidung um 13:45 Uhr, bei der die Leitzinsen unverändert blieben, begann der DAX leicht zu steigen. Zwei Minuten nach Beginn der Pressekonferenz (14:30 Uhr) stiegen die Kurse dann plötzlich stark an, nur um nach weiteren 10 Minuten wieder in sich zusammenzubrechen.
Logisch ist dazu die Erklärung, dass die Anleger in Erwartung neuer geldpolitischer Maßnahmen den DAX nach oben getrieben haben, als diese jedoch nicht kamen, die spekulativen Positionen wieder aufgelöst wurden.
Bis 17 Uhr - da war die EZB-Pressekonferenz längst beendet - konnte man keine klare Aufwärtstendenz feststellen, sondern lediglich ein wildes Auf und Ab (um die rechte blaue Linie), das den DAX letztlich auf einem höheren Niveau schließen ließ. Angesichts der herben Kursverluste der vorangegangenen tage war aber auch ohne die EZB eine Kurserholung zu erwarten. Von einem Kursanstieg, der durch die Aussagen Draghis verursacht wurde, ist daher weit und breit nichts zu sehen.
Der wahre Grund für die aktuellen Kurserholungen
Der Kursanstieg kann vielmehr mit dem Anstieg der Ölpreise und den charttechnisch wichtigen Unterstützungen in den Aktienindizes begründet werden, an denen sich die Anleger gemäß unserer Sonderausgabe (siehe Dateianhang) orientieren konnten. So sind die Ölpreise am Donnerstag exakt ab 17:00 Uhr deutlich angestiegen (siehe grüne Linie im Öl-Chart).
Genau zu diesem Zeitpunkt wurden die US-Rohöllagerbestände veröffentlicht. Diese sorgten offenbar für einen „Short-Squeeze“. Die Short-Positionen auf die Ölpreise hatten zuletzt Extremwerte erreicht. Und diese Short-Trader mussten nun angesichts der gemeldeten Lagerbestände ihre Positionen glattstellen. Das Schließen eines „Short“ wirkt wie ein Kauf. Und deshalb kam es zu der dynamischen Gegenbewegung, weil „die Short-Trader aus dem Markt gedrückt“ wurden (=Short-Squeeze).
Aktienindizes erreichten wichtige Unterstützungen
Weil es zuvor aus Marktsicht (und auch unserer Meinung nach) die extrem gefallenen Ölpreise waren, die sich negativ auf die Aktienmärkte ausgewirkt hatten (siehe rote Rechtecke im folgenden Chartvergleich zwischen Brent und DAX), kam es nun zu einer gemeinsamen Gegenbewegung in beiden Märkten.
Zumal die Aktienindizes (folgende Charts S&P500 und Dow Jones) wichtige Unterstützungen erreicht hatten und daher die Erholung der Ölpreise dankend annehmen konnten, um sich von diesen Unterstützungen nach oben abzustoßen:
Im DAX (folgender Chart) konnte sich so ein Doppelboden bei ca. 9.325 bilden, der ganz offensichtlich die bessere Begründung für die aktuelle Kurserholung ist.
Vom Ablauf der Gegenbewegung hängt viel ab
Die angelaufenen Gegenbewegungen werden uns nun Aufschluss darüber geben, wie die Kräfte der Bullen und Bären derzeit verteilt sind. Kommt es lediglich zu einer kurzen Gegenbewegung, die schnell wieder abverkauft wird, und brechen dann die Unterstützungen, wird es deutlich bärischer. Je weiter die Kurse jedoch steigen und je dynamischer sie dies tun, desto bullischer wird es.
„Käuferstreik“ vorerst beendet
Was auch immer den Short-Squeeze ausgelöst hat – der vor einer Woche hier an dieser Stelle festgestellte „Käuferstreik“ ist vorerst beendet und damit auch die Durststrecke in unserem in dieser Woche noch einmal deutlich ausgebauten „Geldanlage Premium Depot“. – Es läuft weiter nach Plan!
Fazit
Falsch ist sicherlich nicht, dass die EZB ihr Inflationsziel von 2% auf absehbare Zeit nicht erreichen können wird, weil der niedrige Ölpreis in den europäischen Abnehmerländern tendenziell für deflationäre Tendenzen sorgt. Doch es sollte eigentlich jedem klar sein, dass Notenbanken die Ölpreise, die derzeit hauptsächlich für die niedrigen Inflationsraten verantwortlich sind, nicht beeinflussen können. Ein weiteres Agieren von Seiten der EZB würde daher aus unserer Sicht ins Leere laufen und lediglich die Diskussion über geldpolitischen Aktionismus weiter intensivieren.
Insofern dürfte die EZB in den kommenden Monaten vermehrt ihr Augenmerk auf die Entwicklung der Kerninflationsrate legen. Und vielleicht hofft sie auch, dass es im Ölpreis bis März eine anhaltende Gegenbewegung gibt und sich das Problem damit in Luft auflöst. Neue Maßnahmen im März sind jedenfalls noch längst keine beschlossene Sache – und daher auch nicht der Grund für die aktuellen Kurserholungen.
Sie wollen zukünftig derartige Analysen direkt in Ihr E-Mail-Postfach bekommen? Dann melden Sie sich zu unserem kostenlosen Börsennewsletter „Geldanlage-Brief“ an auf www.geldanlage-brief.de
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Geldanlage
Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief vom 24.01.2016)