Die Energiekrise schlägt auf Europas Industriekapazitäten durch. Innerhalb eines Jahres hat nun die dritte westeuropäische Zinkschmelze geschlossen. Aus dem physischen Zinkmarkt drohen Engpässe, die sich deutlich im Verlauf der Terminpreis Kurve niederschlagen.
Der Rohstoffriese Glencore (LON:GLEN) fährt die Produktion im Werk Nordenham herunter. Verschiedene „externe Faktoren“ beeinflussten das Geschäft und die gesamteuropäische Industrie. Das Werk ist die dritte Zinkschmelzanlage in Westeuropa, die in deZinknachfrage,n letzten zwölf Monaten geschlossen wurde. Der Grund: Massiv steigende Strompreise.
Zinkmarkt: Schon vor Glencore-Schließung 234.000 t weniger Produktion
Das Angebot an Zink sinkt dadurch deutlich. Gleichzeitig bricht auch die Nachfrage ein. An der London Metal Exchange (LME) hat sich deshalb eine stark ausgeprägte Backwardation Situation eingestellt. Für den kurzfristig fälligen Kontrakt zahlen Marktteilnehmer 2.970 USD pro Tonne. Je weiter die Fälligkeit der Kontrakte in der Zukunft liegt, desto niedriger ist der Preis. Der Dezember-2025-Kontrakt notiert aktuell bei 2.173 USD.
In Nordenham werden jährlich 175.000 t raffiniertes Zink und Legierungen produziert. Glencore hatte bereits Ende des vergangenen Jahres die Schmelzhütte im italienischen Portovesme geschlossen. Nyrstar (WKN: A2AKN7, ISIN: BE0974294267) schloss im September das Werk im niederländischen Budel.
Auch Werke, die noch laufen, schränken ihre Produktion ein. Insbesondere werden die Produktionszeiten an die Verfügbarkeit von vergleichsweise günstigem Strom angepasst. Analysten der Macquarie Bank schätzten bereits vor der jüngsten Schließung in Nordenham, dass Europa 234.000 t an raffinierter Zinkproduktion pro Jahr verloren haben könnte. Dass die Krise endet, bevor die Energiekrise gelöst ist, erscheint unwahrscheinlich.
Doch das Zinkproblem ist keine rein europäische Angelegenheit. Macuarie zufolge wurden weitere 240.000 t an Produktionskapazität außerhalb Europas abgebaut. Als Grund führt die Investmentbank unter anderem eine eingeschränkte Energieversorgung in China an.
Die International Lead and Zinc Study Group geht davon aus, dass in den ersten sieben Monaten des Jahres 2,4 % weniger raffiniertes Zink produziert wurden.
LME begrenzt Lieferungen von russischem Zink
Zur Verknappung des Angebots trägt auch eine Entscheidung der LME bei. Diese hat als Reaktion auf die Ausweitung britischer Sanktionen gegen Iskander Makhmudov die Akzeptanz von Lieferungen russischen Zinks eingestellt. Makhmudov steht im Verdacht, Eigentümer des russischen Zink- und Kupferproduzenten UMMC zu sein.
Lieferungen der Marke „CZP SHG“ von UMMC sind seit dem 27. September nicht mehr zugelassen. Ausgenommen sind lediglich Fälle, in denen der Eigentümer nachweisen kann, dass UMMC „kein Eigentumsrecht und/oder andere“ wirtschaftliche Interessen hinsichtlich des Metalls besitzt.
Die Tragweite dieser Entscheidung ist allerdings begrenzt. Derzeit befindet sich im Lagersystem der LME ohnehin kein Zink aus Russland. Seit einem Brand in einer Schmelzhütte 2018 sind die Exporte deutlich gesunken. 2021 exportierte Russland einem dem International Trade Centre zufolge 622 t Rohzink – nach mehr als 40.000 t den Jahren 2017 und 2018. Dies berichtet die Agentur Reuters.
Analyst: Zinknachfrage sinkt mindestens so schnell wie Zinkangebot
Mittel- und langfristig drohen jedoch keine Zinkengpässe. Dies glauben jedenfalls die meisten Analysten und verweisen auf die Schwäche der Nachfrage. Der taumelnde chinesische Immobiliensektor, die Rezession in Europa und andere Entwicklungen führen demnach dazu, dass die Nachfrage mindestens so schnell sinkt wie das Angebot. Macquarie etwa geht davon aus, dass der LME Cash Preis im nächsten Jahr auf durchschnittlich 2.725 USD fallen wird. Citi rechnet sogar mit einem Preis von 2.500 USD zum Anfang des nächsten Jahres.
Kurzfristig bleiben die niedrigen Bestände ein Problem. An der LME liegen die Bestände mit gut 53.000 t auf einem mehrjährigen Tief (Anfang Januar beliefen sich die Vorräte darauf 146.000 t). Auch der Lagerbestand der Shanghai Futures Exchange (ShFE) liegt mit knapp 38.000 t so niedrig wie seit Juli 2021 nicht mehr. Dies erklärt die Backwardation Situation.
Branchendienste wie Fastmarkets berichten zudem über hohe Prämien für verfügbares Metall. Wer Zink nicht über die Börse, sondern an einen physischen Käufer in Europa verkauft, kann Aufschläge von 525 USD pro Tonne gegenüber dem LME Cash Kontrakt erzielen.