Vielleicht haben Sie den vorangegangenen Konjunktur-Radar vom 2. April in unserem kostenlosen Börsennewsletter "Geldanlage-Brief" gelesen. In dem damaligen Artikel kamen wir zu dem Fazit, dass eine Zinssenkung der EZB, die nur einen Tag später tagte, fraglich sei. Zwar sprachen die Preisdaten für weitere geldpolitische Maßnahmen, doch die Konjunktur nahm weiter Fahrt auf, weshalb weitere Liquidität nicht zwingend benötigt wurde.
Angesichts der jüngst recht klaren Hinweise auf eine inzwischen als sicher geltende Zinssenkung Anfang Juni erscheint uns ein Blick auf die aktuellen Wirtschafts- und Preisdaten besonders interessant.
Aufschwung im Baugewerbe gerät ins Stocken
Besonders erfreulich war im April die Entwicklung der Produktion im Baugewerbe. Hier zeichnete sich eine klare Trendwende ab. Im Dezember hatte die Produktion im Baugewerbe um 1,3% bzw. 1,2% zugenommen, im Januar war sie gegenüber dem Vormonat Dezember 2013 im Euroraum um 1,5% und in der EU um 1,3% gestiegen.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass dieser Aufschwung deutlich ins Stocken geraten ist. Im Februar 20143 nahm die Produktion im Baugewerbe schon nur noch um 0,4% bzw. 0,5% zu, im März fiel sie sogar gegenüber Februar im Euroraum um 0,6% und in der EU um 0,5%.
(Quelle: Eurostat)
Die Trendwende ist damit noch nicht beendet, sie könnte jedoch in Gefahr geraten.
Industrieproduktion schwächelt
Zumal auch die Industrieproduktion schwächelt. Im März kam es hier zu einem Rückgang gegenüber Februar, im Euroraum um 0,3% und in der EU um 0,2%.
(Quelle: Eurostat)
Die Schwäche zieht sich fast durch alle Industriezweige. So ist der Rückgang der Produktion im Euroraum auf Rückgänge bei Vorleistungsgütern (-0,8%), bei Verbrauchsgütern (-0,5%), im Energiesektor (-0,4%) und bei Investitionsgütern (-0,3%) zurückzuführen. Bei der EU sieht es ähnlich aus. Hier kommt noch ein Rückgang bei den Gebrauchsgütern hinzu.
Geringe Impulse am Arbeitsmarkt
Derweil gibt es auch keine Verbesserungen mehr am Arbeitsmarkt. Im Euroraum liegt die saisonbereinigte Arbeitslosenquote schon seit Dezember 2013 bis März 2014 bei 11,8% nur stabil. In der EU lag die Arbeitslosenquote im März 2014 bei 10,5%, stabil gegenüber Februar 2014.
(Quelle: Eurostat)
Wachstum bleibt hinter den Erwartungen zurück
Am Sonntag berichteten wir bereits, dass das Wirtschaftswachstum weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Das BIP war im Vergleich zum Vorquartal im ersten Quartal 2014 im Euroraum lediglich um 0,2% und in der EU um 0,3% gestiegen. Damit hatte sich das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone überraschend nicht beschleunigt. Die Wirtschaft wuchs nur genauso stark wie im Schlussquartal 2013. Ohne das starke Wachstum in Deutschland hat Europas Wirtschaft sogar nur ein Null-Wachstum hinbekommen.
Preisentwicklung zu schwach
Ebenfalls am vergangenen Sonntag war die jährliche Inflation ein Thema, die leicht zulegen konnte - von 0,5% im März auf 0,7% im April. Dies ist einfach zu wenig, zumal dem EZB-Rat auf der Sitzung am 8. Mai bereits bekannt war, dass die Erzeugerpreise der Industrie im März gegenüber Februar im Euroraum um 0,2% und in der EU28 um 0,3% gefallen sind.
(Quelle: Eurostat)
Schon seit mehr als einem Jahr sinkt der Preisindex der Industrie. Diese Entwicklung schlägt sich (zeitversetzt) auch auf die Verbraucherpreise nieder. Entsprechend hoch dürfte der Druck auf die Inflation bleiben, was der EZB nicht schmecken wird. Zumal es inzwischen auch nicht mehr nur die Preise für Energie sind, die fallen (im März um 0,8%). Auch die Preise für Vorleistungsgüter waren im März um 0,2% rückläufig.
Kreditvergabe unverändert (schwach)
Solange die Banken das Geld der EZB nicht in den Wirtschaftskreislauf geben, wird sich an dieser Entwicklung auch nichts ändern. Wie die über den gesamten Euro-Raum aggregierten Ergebnisse des Bank Lending Survey von Ende Aprilzeigen, haben die Banken im Euro-Raum ihre Vergabestandards per saldo weder für Unternehmenskredite noch für Konsumentenkredite nennenswert verändert. Das Niveau ihrer Kreditstandards in den verschiedenen Kreditsegmenten schätzen die Banken im Euro-Raum derzeit als relativ straff ein. Die Jahresänderungsrate der MFI-Buchkredite an den privaten Sektor war im März negativ (-3,1%). Entsprechend dürfte die EZB auch hier entsprechende Maßnahmen ergreifen, um dieses Problem anzugehen.
EZB hat nun genug Daten, um zu reagieren
Bislang traf EZB-Chef Mario Draghi nur wiederholt die Aussage, dass die Währungshüter weitere Informationen benötigen und daher noch abwarten. Mit den jüngsten BIP- und Preisdaten sowie unter anderem den Zahlen zum Bausektor, der Industrie, dem Arbeits- und dem Kreditmarkt hat die EZB wohl bis zur vergangenen Ratssitzung genug (enttäuschende) Daten sammeln können, um zu erkennen, dass weitere geldpolitische Impulse nötig sind. Entsprechend hatte sich Mario Draghi bereits in der Pressekonferenz vom 8. Mai geäußert.
Fazit
Im April waren wir noch klar der Meinung, dass die Erwartungen an Zinssenkungen unerfüllt bleiben werden. Aufgrund der kontinuierlichen Beobachtung der Wirtschaftsdaten kommen wir inzwischen zu einem anderen Ergebnis. Wir stimmen dem Konsens nun zu und erwarten deutliche geldpolitische Signale am 5. Juni.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus