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EZB-Maßnahmenpaket: Marktreaktion eindeutig, Auswirkung ungewiss

Veröffentlicht am 09.06.2014, 12:16
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Am Freitag war aus Washington die Nachricht zu vernehmen, dass die Beschäftigungssituation in den USA wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht hat. Die während der Rezession verlorenen Arbeitsplätze seien wieder aufgebaut worden.

US-Beschäftigungsniveau wieder auf Vorkrisenniveau

Laut dem offiziellen Arbeitsmarktbericht, der ebenfalls am Freitag veröffentlicht, blieb die Arbeitslosenquote im Mai mit 6,3% unverändert zum Vormonat auf dem niedrigsten Stand seit fünfeinhalb Jahren. Noch interessanter war die Zahl der neugeschaffenen Stellen. Nachdem im April stolze 282.000 neue Jobs (außerhalb der Landwirtschaft) gemeldet wurden, kamen im Mai noch einmal 217.000 hinzu.

Ökonomen hatten einen Zuwachs in dieser Größenordnung erwartet, weshalb die eigentliche Sensation war, dass seit Februar 2010 damit insgesamt 8,8 Millionen Jobs entstanden, nachdem zuvor in Folge der Finanzkrise 8,7 Millionen abgebaut worden waren. Nach nur 5 Jahren wurde der dramatische Stellenabbau wieder neutralisiert, während man am Hochpunkt der Krise davon ausgegangen war, dass dies 10, 15 oder gar 20 Jahre benötigen würde.

Während US-Indizes Allzeithochs markierten, hing der DAX fest

Den US-Indizes verhalfen diese Meldungen zu neuen Allzeithochs. Der S&P 500 legte zum Beispiel noch einmal um rund 1% auf rund 1.950 Punkte zu, nachdem er in den Tagen zuvor bereits in Folge des Ausbruchs aus seiner monatslangen Seitwärtsbewegung (blau im folgenden Chart) stark ansteigen konnte.

S&P500 kann jüngst stark zulegen

Dagegen hing der DAX unterhalb der magischen Marke von 10.000 Punkten fest, abgesehen von kleinen Ausbruchsversuchen (siehe rote Kreise im folgenden Chart).

DAX hängt bei 10.000 Punkten fest

Und dies, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag das lang ersehnte und allgemein erwartete umfangreiche Maßnahmenpaket beschloss und daher eigentlich gerade die europäischen Märkte hätten beflügelt sein können. Der EuroStoxx50 profitierte tatsächlich entsprechend, lediglich der DAX hinkte hinterher.

Vergleich der Aktienindizes
Damit zeigt sich wohl, wie wichtig die magische Marke von 10.000 Punkten als psychologischer Widerstand ist.

EZB beschloss das erwartete Maßnahmenpaket

Kommen wir nun zum wichtigsten Ereignis dieser Woche: Die EZB hat also wie erwartet eine ganze Serie neuer Maßnahmen angekündigt. Ziel sei es, die niedrige Teuerungsrate in der Währungsunion wieder näher in Richtung des Zielwertes von nahe 2% zu bringen. Gleich mehrfach betonte der Notenbank-Präsident Mario Draghi auf der anschließenden Pressekonferenz, dass es der Zentralbank mit ihren Maßnahmen neben der Inflation aber auch besonders darum gehe, die Kreditkonditionen für die Realwirtschaft zu verbessern.

Zinssenkungen

Den Leitzins (Zins für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte) senkte die EZB von 0,25% auf 0,15%. Von vielen Marktteilnehmern wurde im Vorfeld sogar ein etwas größerer Schritt auf 0,10% erwartet.

Während beim Leitzins die Einschätzung des Marktes also leicht daneben lag, erfüllte die EZB beim Einlagensatz mit einer Senkung von 0,00% auf -0,10% die Erwartungen exakt.
Mit dieser Entscheidung gibt es nun für Banken erstmals in der Geschichte Strafzinsen fürs Geldparken bei der EZB. Dies ist so besonders, weil es das erste Mal ist, dass sich eine der großen Notenbanken für einen solchen Negativzins entscheidet.

Vom Markt weniger beachtet wurde die Reduzierung des Zinssatzes für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (kurzfristige Notkredite) um 35 Basispunkte auf 0,40%.

Mit dieser kombinierten Zinsmaßnahme sorgt die EZB einerseits dafür, dass sich die Banken zu günstigeren Konditionen Geld bei der EZB leihen können (Senkung des Leitzinses von 0,25 auf 0,15%), andererseits wird gleichzeitig verhindert, dass dieses Geld gleich wieder bei der EZB geparkt wird (negativer Einlagensatz).

Auf der Pressekonferenz teilte Mario Draghi dazu noch mit, dass diese niedrigeren Zinssätze ab dem 11. Juni 2014 in Kraft treten und für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau bleiben werden.

Langfristige, zweckgebundene Kredite

Weil zweifelhaft ist, ob alleine ein negativer Zins auf die Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB zur gewünschten Belebung der Kreditvergabe führt, kündigte EZB-Chef Draghi des Weiteren an, dass sich Banken im September und Dezember jeweils für vier Jahre zusätzliches Geld leihen können. Das Volumen dieser LTRO-Maßnahme (LTRO = longer-term refinancing operations, „Dicke-Bertha“) soll in Summe bis zu 400 Milliarden Euro betragen.

Schon einmal hat die EZB den Banken derartige LTRO-Geldspritzen verpasst. Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise wurde insgesamt rund 1 Billion Euro so gut wie zinsfrei an die Banken ausgegeben. Die Laufzeit betrug damals 3 Jahre. Da diese Zeit nun bald rum ist, war es kein Wunder, dass nun ein Ersatzprogramm beschlossen wurde.

Die EZB verfolgt nun ein anderes Ziel

Damals war es übrigens durchaus gewünscht, dass das Geld in Staatsanleihen überschuldeter Staaten floss, um die seinerzeit hochgeschossenen Zinsen für die Anleihen von Krisenländern auf ein Normalmaß zu reduzieren. Angesichts der aktuell rekordniedrigen Renditen (zehnjährige italienische Titel warfen mit 2,837% so wenig ab wie noch nie seit Einführung des Euro und auch die Renditen spanischer und irischer Papiere fielen mit 2,74% beziehungsweise 2,51% auf ein Rekordtief) ist dies heute nicht mehr nötig und die EZB verfolgt nun entsprechend ein anderes Ziel – den Kreditmarkt.

Damit dieses Mal sichergestellt werden kann, dass die Maßnahme zu einer verbesserten Kreditvergabe an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors führt, werden die Kredite nun zweckgebunden vergeben („Targeted LTRO“). Die Banken müssen das Geld in Form von Krediten an Unternehmen weitergeben. Sie dürfen damit keine Staatsanleihen kaufen, keine öffentlichen Kredite und auch keine Kredite an Häuslebauer vergeben. Zur Kontrolle sollen entsprechende Meldeverpflichtungen für Banken eingeführt werden.

SMP-Gelder werden vorerst nicht sterilisiert

Zu guter Letzt wird als weitere Maßnahme des beschlossenen Gesamtpaketes das Volumen der von der EZB noch gehaltenen Staatsanleihen aus dem ersten Anleihekaufprogramms SMP, welches bereits 2012 beendetet wurde, vorerst nicht mehr über den Geldmarkt „sterilisiert“. Dadurch fließt diese Liquidität, aktuell noch rund 165 Milliarden Euro, in den Markt und wird nicht mehr, wie bisher, abgeschöpft.

Anpassung der Inflations- und Wachstumserwartungen

Draghi begründete das gesamte Maßnahmenpaket damit, dass sich der Inflationsausblick der EZB-Volkswirte eingetrübt habe. Bisher erwarteten die Experten eine Teuerungsrate von 1% in diesem Jahr und dass sich die Inflationsrate in der Währungsunion im Jahr 2016 wieder dem Zielwert von 2% annähern werde. Nun sank die Prognose für die Inflation in der Eurozone 2014 von 1,0% auf 0,7% und für 2015 von 1,3% auf 1,1%. Die Preisentwicklung werde in den kommenden Monaten auf dem aktuell niedrigen Niveau bleiben und dann schrittweise zulegen, so Draghi.

Auch die Erwartungen bezüglich des Wirtschaftswachstums wurden angepasst. Kurzfristig sind die Experten nun skeptischer, langfristig dagegen etwas optimistischer. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone 2014 wurde von 1,2% auf 1,0% gesenkt, für das Jahr 2015 dagegen von 1,5% auf 1,7% erhöht.

Weitere Maßnahmen können folgen

Auf Nachfrage bekräftige Draghi in der Pressekonferenz, dass den nun angekündigten Maßnahmen durchaus weitere folgen könnten, sofern nötig. Gemeint dürften die oben genannten, reduzierten Prognosen sein. Sollten hier erneute Anpassungen erforderlich werden, dürfte dies mit einer erneuten Veränderung der Geldpolitik einhergehen.

Assetkäufe wurden vorbereitet

Nicht umsonst sprach Mario Draghi in der Pressekonferenz auch davon, dass der Aufkauf (Outright-Käufe) forderungsbesicherter Wertpapiere (asset backed securities, ABS) vorbereitet wird.

Damit ist übrigens keineswegs das „Quantitative Easing“, also der Ankauf von Staatsanleihen, gemeint. Es wird eher um den Kauf von Papieren gehen, die mit Forderungen an Unternehmen der Realwirtschaft des Euroraums besichert sind – also z. B. Unternehmensanleihen.

Dass es hier bei einer Ankündigung blieb dürfte wohl auch damit zusammenhängen, dass der Aufkauf von Wertpapieren in Europa wegen der geringen Kapitalmarktorientierung der Unternehmensfinanzierung nicht so gut funktionieren würde wie in den USA.

Einstimmige Entscheidungen

Alle Entscheidungen zu den jüngsten Maßnahmen wurden laut Draghi übrigens einstimmig gefällt. Aus seiner Sicht sei es erstaunlich, dass bei so einem komplexen Thema ein für alle annehmbarer Konsens gefunden wurde.

Die Marktreaktionen sind eindeutig, die Auswirkungen nicht

Für die Märkte scheint die Sache nun klar zu sein: Aktien- und Anleihenkurse sowie Hauspreise werden weiter steigen. Entsprechend beherzt griffen die Anleger in einigen Märkten bereits zu.

Doch für uns ist die Sache keineswegs so eindeutig. Denn zwar KÖNNEN sich die Banken nun zu günstigeren Konditionen bei der EZB verschulden, fraglich ist jedoch, ob sie es tatsächlich auch TUN. Denn wenn sie sich nun neues Geld besorgen, dann können sie es nicht mehr so leicht bzw. billig bei der EZB parken. Entsprechend müsste nun der Interbankenmarkt belebt werden, bei dem das gegenseitige Vertrauen der Banken aber noch relativ gering ist (insbesondere in den Krisenländern).

Und das Geld, welches über die LTRO-Geschäfte geliehen werden kann, muss in Form von Krediten an Unternehmen weitergegeben werden. Sollten die Banken die Risiken dafür allerdings nach wie vor zu hoch einschätzen, dann wird eben im Zweifelsfall einfach auf die Aufnahme weiterer Liquidität verzichtet.

Banken werden einerseits angehalten, höhere Risiken einzugehen…

Die Alternative dazu, die sogar wesentlich schlimmer wäre, ist, dass die Banken mit den neuen Krediten risikoreiche, wenig aussichtsreiche Investitionsprojekte finanzieren. Langfristig könnte damit erneut die Stabilität des Finanzsystems gefährdet werden.

… und andererseits gezwungen, Risiken zu reduzieren

Nicht umsonst hat die EZB genau vor solchen Entwicklung erst kürzlich gewarnt. Entsprechend hoch dürfte der Druck der Bankenaufseher auf die Kreditinstitute bleiben, Risiken zu reduzieren, faule Kredite abzubauen und ihre Eigenkapitalquoten zu erhöhen.

Irgendwie eine paradoxe Situation: Einerseits setzt die EZB die Banken mit harten Stresstests unter Druck, und auf der anderen Seite nötigt sie die gleichen Banken nun, mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben und damit ihre Risiken zu erhöhen.

DAX nur kurz über 10.000 Punkte

Es ist also keineswegs sichergestellt, dass die Geldmenge deutlich stärker steigt als bisher und neues Geld an die Börsen fließen wird. Im Gegenteil, die EZB versucht letzteres sogar mit der Zweckbindung der Kredite zu verhindern.

DAX-Anleger scheinen dies genauso zu sehen, denn während der Pressekonferenz stieg der DAX zwar zeitweise auf über 10.000 Punkte, die Freude darüber währte aber nur kurz. Nun könnte es sogar sein, dass diese „magische Marke“ durch deren Erreichen ihre Faszination verliert und die Märkte nach der bislang positiven Reaktion bald wieder den Rückwärtsgang einlegen.

Die neuen Maßnahmen haben nur langfristig positive Effekte auf die Börsen

Eine Zinssenkung um 0,10% ist einfach zu wenig, um die Börsen lange beflügeln zu können. Sie ist nur kosmetischer Natur. Und neue Gelder der LTRO-Maßnahme sollen frühestens im September und Dezember und dann auch nur an Unternehmen fließen. Die Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen auf die Wirtschaft und damit auf die Aktienkurse sind daher eher langfristiger Natur und somit kaum geeignet, die Aktienkurse kurzfristig weiter stark zu beflügeln. Auch Mario Draghi erwartet keine schnelle Wirkung der neuen Maßnahmen: „Es wird drei bis vier Quartale dauern, bis wir die Ergebnisse sehen“, sagte der EZB-Chef auf der Pressekonferenz.

Inflationsziel dürfte erreicht werden

Relativ sichergestellt ist lediglich, dass die EZB mit den neuen Maßnahmen die Inflation anheizt. Denn die weitere Lockerung der Geldpolitik bei gleichzeitiger vorsichtiger Straffung in den USA dürfte den Euro gegenüber dem Dollar schwächen und damit für steigende Importpreise sorgen, die wiederum die Inflationsrate heben.

Noch ein paar Tage abwarten

Wir haben uns daher in unserem Börsendienst „Geldanlage Premium Depot“ bislang zurückgehalten und die Sache erst einmal beobachtet. Es ist schon oft so gewesen, dass die Märkte nach vermeintlich positiven Nachrichten in einer ersten Euphorie gestiegen sind, dann aber, nachdem man die Situation noch einmal im Detail betrachtet hat, Vernunft einkehrte und die Gegenrichtung eingeschlagen wurde.

Wenn sich der Fokus wieder auf die Fed richtet…

Aktuell lässt sich lediglich ein starker Anstieg in den US-Indizes feststellen. In zwei Wochen tagt allerdings wieder die US-Notenbank Fed. Und dann wird es wieder darum gehen, die Anleihekäufe um 10 Mrd. US-Dollar monatlich zu reduzieren. Sobald sich der Fokus der Märkte hierauf richtet, könnte es wieder zu Kursrücksetzern kommen.

Nie gegen die Notenbanken stellen

Allerdings werden wir uns nun auch keinesfalls gegen die Notenbanken stellen. Die Trends an den Märkten sind klar nach oben gerichtet. Entsprechend wechseln wir jetzt nicht (weiter) auf die Short-Seite. Unsere Aufgabe sehen wir nun darin, unsere aktuellen Investments zu managen und etwas Risiko aus dem Depot zu nehmen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus

(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 08.06.2014)

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