Zwei Dinge laufen für den US-Notenbankchef Jerome Powell, der auf seine Wiederernennung hofft, völlig schief. Erstens steigt die Inflation und zeigt keine Anzeichen für ein Abflauen. Die Containerschiffe stauen sich im Hafen von Los Angeles, wo nicht einmal die Arbeit rund um die Uhr die Lieferkette am Laufen halten kann.
Nachdem Powell monatelang behauptet hatte, die Inflation sei nur vorübergehend und die Störungen in der Lieferkette lediglich ein Schluckauf, realisieren die Anleger langsam, dass wir bis weit ins nächste Jahr hinein eine relativ hohe Inflation erleben werden und die Erwartungen die Bodenhaftung verlieren könnten. Außerdem hält die Ethik-Kontroverse über den Wertpapierhandel führender Fed-Mitglieder weiter an. Zwei Regionalbankpräsidenten der Fed mussten zurücktreten, und nun haben die Verkäufe von Fondsanteilen durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Bank, Richard Clarida - und sogar durch den Vorsitzenden Powell selbst - Fragen aufgeworfen, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts.
Billige Ausreden; Führungsvakuum?
Clarida hat im Februar 2020, als die US-Notenbank massive geldpolitische Impulse setzte, die den Aktienkursen zugutekamen, Millionenbeträge von Rentenfonds in Aktienfonds umgeschichtet. Die Fed erklärte, dies sei eine im Voraus geplante Umschichtung gewesen. Letzte Woche wurde dann bekannt, dass Powell im Oktober 2020, also in einem Monat, in dem die Kurse 6 % ihres Wertes verloren, Anteile in Millionenhöhe aus einem Aktienindexfonds verkauft hat. Die Fed behauptet, ihr Chef habe die Fondsanteile aus familiären Gründen veräußert.
Diese Ausreden erscheinen etwas fadenscheinig, schließlich verlassen wir uns darauf, dass diese Leute die Fed-Bilanz von über 8 Billionen Dollar verwalten.
Powell kündigte letzte Woche neue Beschränkungen an, die es führenden Fed-Beamten untersagten, einzelne Aktien zu kaufen oder einzelne Anleihen zu halten, und verlangte gleichzeitig eine 45-tägige Ankündigungsfrist für alle Investitionen, die dann mindestens ein Jahr lang gehalten werden müssen. Viele Kommentatoren waren der Ansicht, dass die Beschränkungen nicht weit genug gingen, obwohl es schwierig ist, genau festzulegen, welche Regeln für die Entscheidungsträger gelten sollten, die im Allgemeinen über erhebliche Vermögenswerte verfügen.
Analysten meinen, dass das Zögern von Präsident Joe Biden, die Nachfolge bei der Fed zu regeln, zu einem Führungsvakuum bei der Federal Reserve geführt hat, und das gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die Anleger auf entschlossenes Handeln hoffen dürften. Die Fed dürfte ihre Pläne, die Anleihekäufe im November um 15 Milliarden Dollar pro Monat zu reduzieren, mit ziemlicher Sicherheit umsetzen, doch scheint dies angesichts der rasch steigenden Inflationsraten etwas zu wenig.
Powell kann durchaus noch eine zweite Amtszeit bekommen, aber ob zu Recht oder zu Unrecht, sein Ruf bekommt erste Kratzer.
Ebenso schlimm ist, dass Bidens Zögern ihm den Schwung raubt, um der Fed seinen Stempel aufzudrücken. Zugegeben, der Präsident war damit beschäftigt, den Kongress dazu zu bewegen, seinen Ausgabengesetzen zuzustimmen, aber in den letzten Wochen ist eine klare Führung in der Fed immer notwendiger geworden.
Das Beige Book der Fed, das vor den Sitzungen des Offenmarktausschusses der Fed Anekdoten aus den Regionalbanken sammelt, dokumentierte letzte Woche wie Boni und höhere Löhne um Personal rekrutieren und halten zu können, zusammen mit höheren Transportkosten und anhaltenden Engpässen die Preise in die Höhe treiben.
In mehreren Distrikten der Fed blieb die Nachfrage nach Möbeln hoch. Die Boston Fed sagte, ein Möbelhändler habe die Preise um 30% angehoben, während die Hersteller im Bezirk mit 10 bis 30% höheren Produktionskosten konfrontiert waren, was einen kräftigen Anstieg der Produktionspreise nach sich zog. Das Beige Book weist seit Monaten auf Preisdruck hin, aber die Fed-Ökonomen blieben auf ihre Modelle fixiert, die ihnen sagten, dass solche Preiserhöhungen nur vorübergehend sind. Es ist schwieriger, die Beweise zu ignorieren, wenn sie sich häufen.
Powell hielt am Freitag erneut an seiner Ansicht fest, dass es nicht an der Zeit sei, die Zinsen anzuheben, obwohl er auf einer virtuellen Konferenz einräumte, dass der Inflationsdruck länger anhalten wird als erwartet.
Aber er sagte, der "wahrscheinlichste Fall" sei immer noch, dass die Inflation nächstes Jahr wieder sinkt, während er darauf bestand, dass die Fed bereit sei einzugreifen, sollte dies nicht der Fall sein.
Randal Quarles, dessen Amtszeit als stellvertretender Vorsitzender der Aufsichtsabteilung Anfang dieses Monats abgelaufen ist, der aber weiterhin im Gouverneursrat sitzt, machte am Mittwoch ähnliche Bemerkungen, während Christopher Waller, das neueste Mitglied des Vorstands, "eine aggressivere geldpolitische Reaktion" als eine bloße Reduzierung der Anleihekäufe im nächsten Jahr für gerechtfertigt hält, sollte die Inflation über das Jahresende hinaus hoch bleiben.