Bevor ich zum eigentlichen Thema kommen, ein kurzes Update zum DAX-Chart nach der Target-Trend-Methode:
Die am Mittwoch noch genannte 9.379er Marke wurde am Freitag mit einem großen Gap-Down (Kurslücke nach unten) gebrochen. Und eben diese Kurslücke bestätigt den Bruch dieser Marke. Damit wird das Bild wieder deutlich bearisher. Sie müssen zwar damit rechnen, dass dieses Gap eventuell noch geschlossen wird, aber das würde nichts an dem nun wieder getrübten Ausblick ändern.
Das Kursziel liegt damit wieder auf der Mittellinie des dunklen blauen Rechtecks bei 8.896 Punkten. Zuvor kann es im Bereich der Mittellinie des grünen Aufwärtstrendkanals (die schwarze punkt-gestrichelte Linie) zu einem Aufbegehren der Bullen kommen.
Wirklich bullisher würde es erst wieder nach Überwindung der jüngsten Hochs. Übergeordnet befinden wir uns nach wie vor in der Seitwärts- oder Konsolidierungsbewegung unterhalb des psychologisch wichtigen Widerstands bei 10.000 Punkten.
Der Nasdaq100 und die Technologie-Blase
Ich hatte am Donnerstag schon zum zweiten Mal geschrieben, dass man vorsichtig sein muss, wenn der Nasdaq100 derart stärker einbricht als der Dow Jones und der S&P500. Häufig ist das ein Warnzeichen, das auf weiter fallende Kurse hindeutet.
Um zu verstehen, warum die Anleger bei den aktuellen Kursen des Nasdaq100 „Höhenangst“ haben, reicht ein Blick auf den langfristigen Chart:
In diesem Chart erkennen Sie, dass wir uns in einem großen Widerstandsbereich befinden, in dem im Jahr 2000 das große Hoch der Technologieblase ausgebildet wurde. Normalerweise kann man eine so extrem breite Zone (die Höhe des blauen Rechtecks von 700 Punkten entspricht einer Schwankungsbreite von ca. 19 %.) schwerlich als markanten Widerstandsbereich bezeichnen. Doch in diesem Fall macht es Sinn, denn es ging im Jahr 2000 schließlich fast nur um Extreme. Dazu ein detaillierter Blick auf die Entwicklungen in jenem Jahr:
Ich hab hier mit nummerierten Pfeilen die Punkte markiert, die diesen Widerstandsbereich definieren. Auf der Unterseite befinden sich diese nahezu auf einem punktgleichen Niveau. Die Oberseite ist etwas weniger klar, der Wert 4.045 Punkte damit eine Art Durchschnitt. Der schräge grüne Pfeil (1) deutet auf eine kleine Kurslücke hin, die mit dem Eintritt in diesen Bereich entstanden ist. Der schräge rote Pfeil (4) deutete auf eine Phase hin, bei der mit dessen oberer Begrenzung gekämpft wurde.
Nun könnte man fragen, warum man nicht das Allzeithoch des Nasdaq100 bei 4.816 Punkten, das am 24.03.2000 ausgebildet wurde, als den eigentlichen Widerstand ansieht. Natürlich ist dies ein wichtiger Widerstand. Schaut man sich jedoch den Chart genau an, erkennt man Folgendes: Eigentlich handelte es sich bei dem Top des Nasdaq100 im Jahr 2000 um ein Top in Form einer Seitwärtsbewegung. Allerdings war dann das eigentliche Hoch ein „Übertreibungsausbruch“, dem anschließend regelkonform auch eine Übertreibung nach unten aus dem blauen Rechteck folgte (siehe gelbe Ellipsen). Solche Verzerrungen der „Lehrbuch-Formationen“ sind typisch für Übertreibungsphasen. Dieser Umstand führt dazu, dass die klassische Charttechnik während einer Übertreibung Probleme hat, eindeutige Topformationen auszumachen.
Wenn man den Chart jedoch mit einem gewissen Abstand betrachtet, zeigt sich, dass der Nasdaq100 damals im Prinzip lediglich an der psychologisch bedeutsamen 4.000-Punkte-Marke gescheitert ist. Das ist eigentlich alles.
Die aktuelle Situation
Jetzt, 14 Jahre später, ist der Nasdaq100 wieder in den Bereich eingedrungen, an dem er damals schon Schwierigkeiten bekam und mit dem er dann von 1999 bis Ende 2000 fast ein Jahr lang gekämpft hat. Anleger, die dies erkennen, werden sich fragen, ob wir uns nicht jetzt wieder in so einer Übertreibungsphase befinden, zumal der Nasdaq100 seit nun fünf Jahren im Rallymodus ist.
Kein Wunder also, dass die Anleger in diesem Bereich Höhenangst haben. Das letzte Hoch wurde bei 3.738 Punkten ausgebildet – also wieder in der Nähe der 4.000-Punkten-Marke.
Lehnen Sie sich zurück und lächeln
Sie müssen sich vor Augen führen, dass diese Technologieblase, die wir damals im Nasdaq100 gesehen haben, zu den ganz großen Blasen der Geschichte der Börsen gehört. Viele von Ihnen werden sich noch an diese Zeiten erinnern. Die Bewertungen einzelner Unternehmen erreichte fantastische Höhen, weitab jeder unternehmerischen Realität. Gier beherrschte die Seelen der vielen großen und kleinen Anleger. Alle wollten von dem Schlaraffenland Börse profitieren. Es folgte das, was diesen Übertreibungsphasen immer folgt: Einer des größten Crashs der Geschichte. Und jetzt, 14 Jahre später, soll all dies vergessen sein?
Bei diesen Gedanken könnte einem schon etwas mulmig werden, und genau das ist es, was zu den Kurseinbrüchen führt. Allerdings ist am Freitag die Situation eine ganz andere und 14 Jahre ist aus Sicht der Börse eine lange Zeit. Nach dem großen Crash 1929 brauchte es 25 Jahre, bis die alten Hochs wieder überwunden worden. Allerdings fand in diesem Zeitraum der zweite Weltkrieg statt. Der 1987er Crash war bereits nach 4 Jahren endgültig überwunden.
Dieser zugegebenermaßen wichtige Widerstandsbereich im Nasdaq100 bleibt somit vor allem eine psychologische Barriere, die - ähnlich wie die 10.000er Marke im DAX - die Anleger aber eine Weile beschäftigen könnte. Aber letztlich dürfte auch diese überwunden werden. In einer kommenden großen Rally würden sich danach erst die richtig großen Chancen ergeben...
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH