Wenn es gerade passt, dann ist man tolerant. Wenn es gerade passt, ist man fair und gerecht. Wenn es aber nicht passt, dann gibt es Ausreden. So kann man viele politische Agenden von Industrienationen zusammenfassen. Verstehen Sie mich nicht falsch, das soll keine leere Nörgelei sein, sondern lediglich eine Beobachtung. Gerade beim Thema wirtschaftliche Ausbeutung kommt ja immer aus der Ecke der Gewinner, dass der Markt alles regelt. Schön, darum ist es umso besser, dass nun die Schwachen Druck machen. Worum es geht? Die ivorische Schokoladenindustrie.
Das Marktvolumen der Schokoladenindustrie ist global gesehen in etwa $100 Milliarden schwer – eine ernstzunehmende Zahl. 45% aller Kakaobohnen kommen von der Elfenbeinküste. Sprich, dieses Land spielt eine zentrale Rolle in der globalen Schokoladenindustrie. Allerdings kommt von dem Umsatz gerade einmal 4% des Marktvolumens in der Elfenbeinküste an. Wie kommt das? Ausländische Unternehmen, gedeckt von ihren Regierungen, üben Preisdruck über Kartellstrukturen auf die produzierenden Länder aus. Außerdem bestechen sie Schlüsselfiguren und bedrohen die Produzenten und Kakaobauern. Am Ende verdienen so ivorische Bauern, laut dem World Economic Forum, im Schnitt nur $0.78 am Tag. Ein Armutszeugnis für eine bei anderen Moralthemen an der Front stehende Gesellschaft.
Jedenfalls kämpfen die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghana (übrigens mit rund 20% Produktionsanteil ebenfalls ein zentraler Pfeiler dieser Industrie) seit langer Zeit für den Schutz ihrer Kakaobauern. Preisböden haben alle nicht gewirkt, da die Unternehmen, wie Nestle (SIX:NESN), Mondelez (NASDAQ:MDLZ), Ferrero und Hershey´s (NYSE:HSY), einfach mit Boykott und den oben genannten Mitteln diese Böden umgingen – und das obwohl interne Quellen bestätigen, dass die Gewinngestaltung durch die Lieferkette durchweg Platz hätte, um an die Produzenten anständige Preise zu zahlen. So haben Ghana und die Elfenbeinküste ein System von Zusatzzahlungen an die Kakaobauern eingeführt. Auf jede abgenommene Tonne Kakao müssen $400 gezahlt werden, welche direkt an die jeweiligen Bauern gehen – das sogenannte Living Income Differential (LID). Während einige Abnehmer sogar deutlich mehr zahlen, wie der niederländische Schokoladenhersteller Tony´s Chocolonely, wenden sich andere Unternehmen an den Futures-Markt und umgehen somit die Zusatzzahlung, um ihre ach so geliebte Marge aufrecht zu erhalten.
Das lässt sich die Elfenbeinküste nicht gefallen und setzte darauf Angebots-Limits durch, damit die Preise künstlich ansteigen. Um das aber effektiv durchzusetzen, hat sich das westafrikanische Land wieder mit Ghana zusammengeschlossen und die Côte d’Ivoire-Ghana Cocoa Initiative (CIGCI) aufgestellt, um durch öffentliche Hand gegen die Ausbeutung der Kakaobauern vorzugehen. Auch Nigeria und Kamerun planen hier beizutreten, sodass man den Schoko-Kartellen mit einem eigenen Kartell entgegentritt, welches 75% der globalen Produktion repräsentieren würde.
Meiner Meinung nach ist das die einzige vernünftige Maßnahme gegen Ausbeutung und sollte auch in anderen gebeutelten Sektoren genau so angegangen werden. Den Unternehmen lieb zusprechen und mit Fairness und Gerechtigkeit ankommen bringt nichts. Wenn dies nicht intrinsisch gegeben ist, muss die Gegenseite dieselben Geschütze auffahren, was eben im Schoko-Sektor passiert. Hoffentlich reicht der Druck aus, damit die Kakaobauern in der Region zu Wohlstand gelangen können, wie es sich auch gehört. Ich werde jedenfalls ab jetzt genauer hinschauen, zu welcher Schokolade ich greife, auch wenn sie 3.90€ kostet – also mehr als der gesamte Wochenverdienst eines ivorischen Kakaobauers.
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