Die US-Wirtschaft sieht entweder stark oder schwach aus - je nachdem, welche Datensätze man bei der Beurteilung heranzieht. Das ist in gewisser Weise immer so - aus dem einfachen Grund, dass es immer Bereiche der Wirtschaft gibt, die sich anders oder sogar entgegen dem allgemeinen Trend entwickeln. Dieses Mal ist die Beurteilung der Situation insofern anders, als dass die Widersprüchlichkeit der Signale enorm ist.
Das Paradebeispiel für Wachstum und Zuversicht ist die Lage am Arbeitsmarkt, wo weiterhin kräftige Stellenzuwächse zu beobachten sind.
Es ist strittig, ob das überraschend robuste Stellenplus der letzten Zeit auf außergewöhnliche einmalige Faktoren zurückzuführen sind, die mit den anhaltenden Auswirkungen der Pandemie zusammenhängen. Eine Theorie ist das so genannte "Horten von Arbeitskräften". Wenn dieses Mal etwas anders ist: Kann sich dieses Phänomen dann plötzlich umkehren? Oder hält es sich jetzt hartnäckig?
Unabhängig von der Erklärung (und der Dauerhaftigkeit oder der Abwesenheit einer solchen) sind die Zahlen unbestreitbar. Die Arbeitslosigkeit in den USA ist nach wie vor niedrig, und die Zahl der Beschäftigten nimmt stetig zu: Im Januar stieg die Zahl der Beschäftigten um 517.000, das höchste monatliche Stellenplus seit Juli. Gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote auf 3,4 % und damit auf den niedrigsten Stand seit den 1950er Jahren.
Auch andere Schlüsselbereiche der Wirtschaft zeigen sich robust. Bemerkenswert ist, dass die Verbraucherausgaben, obwohl sie in den letzten Monaten schwankten, eine starke Fähigkeit zur Erholung an den Tag legen. Die Ausgaben für den privaten Konsum sind im Januar um 1,8 % gestiegen, der stärkste Wert der letzten zwei Jahre.
Es gibt unterschiedliche Definitionen für eine Rezession, aber es ist eine sichere Annahme, dass die Wirtschaft mit ziemlicher Sicherheit nicht schrumpfen wird, wenn das Stellenwachstum und die Ausgaben der Verbraucher robust sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die wichtigsten Indikatoren weiterhin Warnungen aussenden. Zu diesen gehört u.a. die invertierte Renditekurve der Treasuries. Die steigenden Zinssätze und ungewöhnlich starke Rückgänge der Geldmenge sind weitere Anzeichen.
Mehrere weit gefasste Messgrößen für den Konjunkturzyklus zeichnen ein geradezu bedrohliches Bild. So lesen sich die Daten Leading Economic Index des Conference Board recht pessimistisch.
Der Arbeitsmarkt weist jedoch in eine ganz andere Richtung. Die entscheidende Frage ist: Welche Faktoren werden zuerst nachgeben? Auf der Suche nach einer Antwort wird die Beobachtung der Beschäftigtenzahlen und der damit zusammenhängenden Daten erste Hinweise darauf geben, wie es wirklich weitergehen wird. Achten Sie daher insbesondere bei den nächsten Updates genau auf Hinweise für ein schwächeres Stellenplus.
Die Stellenausschreibungen auf der Jobplattform Indeed.com deuten darauf hin, dass die jüngste Stärke auf dem Arbeitsmarkt abflaut und der Trend bei den offenen Stellen weiter nach unten gehen wird.
Analysten von anderen Plattformen sehen die Lage ähnlich. Julia Pollak, die leitende Volkswirtin von ZipRecruiter, sagte:
"Wir haben [die Verlangsamung] in den Beschäftigungsdaten noch nicht gesehen, aber wir werden sie bald sehen. Wir sprechen ständig mit unseren Kunden. Wir besprechen mit ihnen ihre Pläne für künftige Einstellungen. Sie sagen uns, dass sie sich Sorgen über das Risiko zu hoher Einstellungen machen."
Der Index für die Arbeitsmarktbedingungen von Kansas City tendiert bereits nach unten, was darauf hindeutet, dass der Anstieg der Beschäftigtenzahlen im Jahresvergleich bald nachlassen wird.
Die Frage ist, ob es sich bei den Warnzeichen weiterhin um verfrühte und möglicherweise irreführende Indikatoren handelt. So viel ist klar: Die wirtschaftlichen Indikatoren, die normalerweise zur Bewertung des Konjunkturzyklus herangezogen werden, geben widersprüchliche Signale. Wir befinden uns möglicherweise mitten in einer Lernerfahrung, nach der die Art und Weise, wie Analysten das Konjunkturrisiko bewerten, neu definiert wird.
Solange der Arbeitsmarkt angespannt bleibt und der Wille zu Einstellungen hoch ist, kann man kaum von einer nahen Rezession sprechen. Solange uns die harten Daten in diesem Bereich nichts anderes sagen, scheinen die Beschäftigtenzahlen der einzige Indikator zu sein, der uns klar sagt, ob das konjunkturelle Risiko hoch oder niedrig ist.