Ein Bundesanwalt in Chicago erhebt schwere Vorwürfe gegen das Edelmetallgeschäft von JPMorgan Chase & Co (NYSE:JPM). Im Raum stehen Preismanipulationen an den Gold- und Silbermärkten.
Lucy Jennings, Staatsanwältin der Betrugsabteilung des Justizministeriums, nennt es nicht weniger als eine „kriminelle Verschwörung innerhalb einer der größten Banken der Wall Street“. Worum geht es?
Aktuell läuft ein Prozess gegen drei ehemalige Mitarbeiter der US Großbank J.P. Morgan. Unter den Angeklagten ist auch der Leiter der Edelmetallabteilung, Michael Nowak. Vorgeworfen werden den Händlern Marktmanipulation, Überweisungs- und Warenbetrug, Spoofing und weitere Straftaten. Es geht um Zeiträume von 2008-2016 und insgesamt mehr als zwei Dutzend Verbrechen.
Dabei beruft sich die Anklage auf den Tatbestand der erpresserischen Verschwörung nach einem Gesetz von 1970, das eigentlich zum Kampf gegen die Mafia dient. Im Fall einer Verurteilung in allen Anklagepunkten drohen den Händlern jahrzehntelange Gefängnisstrafen.
Neben Michael Nowak sitzen auch der Goldhändler Gregg Smith und der Hedgefondsverkäufer Jeffrey Ruffo auf der Anklagebank. Mit Christopher Jordan soll im November ein weiterer Händler vor Gericht gestellt werden.
Das sogenannte Spoofing ist seit 2010 gesetzlich verboten. Dabei geben Händler riesige Orders auf und stornieren diese, bevor es zur Ausführung kommt. Das Ziel: Die Preise in eine bestimmte Richtung manipulieren und dadurch durch eigene Trades profitieren.
Die bloße Stornierung von Orders ist nicht illegal – im Kontext einer Strategie, mit der stornierte Orders zur Marktmanipulation genutzt werden, ist die Grenze zur Straftat jedoch nach geltendem Gesetz klar überschritten.
„Wenn der Trick funktioniert, verliert jemand auf der anderen Seite“
Lucy Jennings erläuterte gegenüber den Geschworenen: „Wenn dieser Trick funktioniert, hat jemand anderes auf der anderen Seite des Deals verloren“.
Die Verteidigung der Angeklagten bestreitet die Vorwürfe. Die Angeklagten hätten niemals in Manipulationsabsicht gehandelt. Vielmehr habe die Regierung gezielt Handelsdaten herausgepickt, um den Eindruck manipulierter Orders zu erwecken.
Die Händler begingen jedoch keine Marktmanipulation, wenn echte, ausführbare Offenmarktaufträge platziert würden. Die Regierung mache es sich deshalb zu einfach und erzähle nicht die ganze Geschichte, plädierte David Meister, Nowaks Anwalt.
Smiths Anwalt Jonathan Cogan erläuterte Details zur Sichtweise der Verteidigung. Auf den heutigen Marktplätzen für Gold und andere Metalle konkurrierten menschliche Händler mit Algorithmen, die innerhalb einer millionstel Sekunde kaufen und verkaufen könnten. Die Händler hätten deshalb routinemäßig Kauf- und Verkaufsaufträge simultan erteilt, um Trades im Namen der eigenen Kunden ausführen zu können.
Verteidigung: Menschliche Händler konkurrieren mit Algorithmen
Zwar seien einige Aufträge nur für Sekunden im Orderbuch gewesen – das sei angesichts der Geschwindigkeit dieser Märkte jedoch eine „Ewigkeit“. In der Verhandlung will die Verteidigung deshalb nachweisen, dass die überwiegende Mehrzahl aller Orders storniert wird und ein typischer Auftrag wenige Sekunden im Orderbuch verbleibt.
Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Darstellung der Verteidigung über keinerlei Beweise wie zum Beispiel Chat-Protokolle oder aufgezeichnete Telefongespräche, die den Angeklagten eine zielgerichtete Motivation nachweisen könnten.
Guy Petrillo, der Rechtsanwalt von Ruffo, verteidigte seinen Mandanten und erläuterte, dieser arbeite direkt mit Bankkunden zusammen und sei dazu da, Kundenaufträge zu akquirieren. Ruffo selbst habe nie einen dieser Aufträge erteilt und sei auch nicht an der Ausführung im Handel beteiligt gewesen. Die Vergütung sei zudem nicht an die Handelsaktivität der Bank gebunden gewesen.
Anklage: Zeugen und elektronische Kommunikation als Nachweise
Die Anklage sieht es etwas anders. Jennings gab an, dass elektronische Kommunikation und weitere Beweise darlegen würden, wie die drei Angeklagten zusammengearbeitet hätten um die Marktmanipulation zu ihren Gunsten umzusetzen.
Die Anklage will auch Zeugen wie zum Beispiel ehemalige Händler hören. Zu diesen Zeugen gehört auch der frühere J.P. Morgan Händler John Edmonds – der sich wegen Preismanipulationen schuldig bekannt hat.
Im Zeugenstand erwartet wird auch Corey Flaum, der mit zwei der drei Angeklagten bei Bear Stearns zusammengearbeitet hatte, bevor das Institut durch J.P. Morgan übernommen wurde. Auch Flaum hatte sich 2019 der Marktmanipulation schuldig bekannt.
Die Historie bis zurück zu Bear Stearns ist für den Prozess nicht ganz unbedeutend. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Smith und Ruffo ihre illegalen Praktiken von dort zu J.P. Morgan mitgenommen haben.
Bear Stearns Händler hatten früher mehrere Orders auf unterschiedlichen Preislevels platziert. Diese Orders waren wesentlich größer als die eigentliche, tatsächlich beabsichtigte Order. Bei dieser auch als Layering bekannten Technik werden die „umgebenden“ Orders storniert, sobald die eigentliche Order ausgeführt wurde. Der Angeklagte Smith hat diese Praktik nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im Laufe der Jahre rund 38.000 mal angewandt.