Für klare Worte ist Bill Harris, ehemaliger Chef von Paypal, bekannt. Seiner Meinung nach wird der Bitcoin-Preis gegen Null gehen. Und auch viele Profis setzen offenbar auf einen bevorstehenden scharfen Absturz, wie die Entwicklung der Short-Positionen zeigt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Am Krypto-Markt scheint sich die Lage allmählich zu stabilisieren. Seit Mittwoch dominieren wieder grüne Vorzeichen, abgesehen von Stellar liegen die meisten Top 10-Coins im Plus. Auch bei der Leitwährung Bitcoin greifen Schnäppchenjäger zu. Nachdem am Dienstag kurzzeitig die 5900 getestet und gekauft wurde, lag der Preis zur Wochenmitte in der Spitze schon wieder bei 6600. Erneut könnte sich wie zuletzt Ende Juni die 6000er-Zone als Startrampe für eine Erholung erweisen. Viel Luft nach oben besteht allerdings nicht: Bereits um 6900 verläuft eine erste Verkaufszone, spätestens am Abwärtstrend (rot) bei rund 8000 werden sehr wahrscheinlich wieder die Verkäufer das Zepter übernehmen.
Zwischenfazit: Das Chance-Risiko-Verhältnis ist für Trader, die auf einen kurzen (!) Rebound setzen, durchaus gut. Rückenwind kommt zudem vom Terminmarkt.
Unter dem Chart ist die Entwicklung der Long- (grün) und Short-Positionen (rot) abgetragen. Seit dem Jahreswechsel liegt die Zahl der Long-Wetten meist deutlich höher. Allerdings gibt es auch immer wieder kurze Phasen, in denen die Shorts ausgebaut werden und zeitweise sogar dominieren (blaue Markierungen im Indikator). Professionelle Investoren spekulieren dann überwiegend auf fallende Kurse. Diese Extremzustände waren in den vergangenen Monaten immer dann zu beobachten, wenn Bitcoin den Bereich um 5900 bis 7000 anlief. Hier lauerten viele Akteure auf einen dynamischen Bruch nach unten.
Doch der Absturz blieb bisher aus, Bitcoin setzte jeweils zu einem Rebound an. Ende Januar wurden in kurzer Zeit große Wetten auf fallende Kurse aufgebaut. Als die Zielmarke von 6000 kurzzeitig getriggert wurde, mussten die Short-Seller Bitcoins kaufen, um ihre Wetten glattzustellen. Der kräftige Anstieg auf der Nachfrageseite ließ den Kurs schnell bis auf 11.000 steigen.
Danach begann das Spiel von vorne. Ab Mitte Februar wurden sukzessive neue Shorts aufgebaut. Anfang April waren bei 6650 kurzzeitig mehr Short- als Long-Positionen im Markt. Dieser Extremzustand dürfte die Trader dazu veranlasst haben, schon über der 6000 die Shorts zu schließen. Am 12. April setzte ein Short-Squeeze ein (lange weiße Kerze), Bitcoin zog anschließend kräftig an.
Mitte Mai kam der nächste Short-Angriff in Schwung. Bei diesem Versuch hatten die Short-Spekulanten mehr Ausdauer, die 6000 wurde getroffen. Mit der Zielerreichung rund vier Wochen später wurden die Wetten auf fallende Kurse erneut geschlossen, Bitcoin erholte sich bis auf 8600.
Seit Anfang August läuft eine neue Attacke. Der Aufbau an Short-Positionen fällt vergleichsweise zügig aus und liegt bereits ungewöhnlich deutlich über der Anzahl der Long-Positionen. Die Interpretation der Ausgangslage ist daher schwierig. Offenbar sind sich einige „Spekulanten“ auf der Short-Seite sehr sicher, dass Bitcoin dieses Mal den Kampf um die 6000 verlieren wird. Dafür spricht die Tatsache, dass jede Erholung seit Februar immer geringer ausfiel. Irgendwann reicht die Nachfrage an der 6000 nicht mehr aus und der Kurs kollabiert. Dies könnte mit dem laufenden vierten Test der Fall sein.
Allerdings gehen die Short-Trader ein großes Risiko ein. Sollte Bitcoin – warum auch immer – zu einer Erholung ansetzen, müssen die Shorts geschlossen werden. Ähnlich wie im Februar und April könnte ein kräftiger Short-Squeeze einsetzen und so die Nachfrage befeuern. Bitcoin dürfte bis an den Abwärtstrend laufen. Danach sollte sich das Spiel wiederholen – und beim fünften Test mit Kursen unter 6000 für die Shorties sehr wahrscheinlich belohnt werden.