Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0951 (05:47 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0917 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 143,90. In der Folge notiert EUR-JPY bei 157,58. EUR-CHF oszilliert bei 0,9792.
Märkte: Positive US-Daten unterstützen
Durchgehend positive und besser als erwartete US-Wirtschaftsdaten aber auch positive Daten aus Asien (siehe Datenpotpourri) gaben den Aktienmärkten Unterstützung oder Auftrieb.
An den Rentenmärkten kam es als Konsequenz zu einem Anstieg des Renditeniveaus. 10-jährige Bundesanleihen rentieren aktuell mit 2,36% (Vortag 2,30%), während US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit eine Rendite in Höhe von 3,77% (Vortag 3,73%) abwerfen.
Trotz starker US-Daten und negativer Entwicklungen in Deutschland konnte der EUR Boden gegenüber dem USD gewinnen. Höchstkurse der letzten 24 Stunden lagen bei 1,0976. Dagegen verlor Gold gegenüber dem USD. Silber war nahezu stabil.
Deutschland: Zunehmend ein Problemfall
Der Datenkranz, der uns aus Deutschland, der größten Wirtschaftsnation der EU und der Eurozone, erreicht wird zunehmend prekärer. Die optimistischen Töne der Polit-Arena Berlins verhallen mangels realer Traktion. Deutschland wird damit zur Belastung der EU und der Eurozone. So sank das Stimmungsbarometer des IFO-Instituts für die Export-Industrie per Juni von +1,0 auf -5,6 Punkte und markierte den tiefsten Stand seit November 2022.
Kritischer ist nachfolgendes Thema, denn dort geht es um den Kapitalstock, der die Grundlagen sowohl der privaten als auch der staatlichen Einkommen darstellt.
Deutschland: Kapitalabflüsse auf Rekordniveau – Kapitalstock erodiert
Trotz der jüngsten Ansiedlungen großer Konzerne (Intel (NASDAQ:INTC), Wolfspeed (NYSE:WOLF)) meiden immer mehr Investoren den Standort Deutschland. 2022 kam es laut einer Studie des IW bei den Direktinvestitionen netto zu einem Minus in Höhe von 132 Mrd. EUR. Unter 46 in der Studie berücksichtigten Staaten sei das der stärkste Abfluss.
Kommentar: Diese Statistik belegt den Verfall der Position Deutschlands. Die Bürger mögen Politiker wählen. Die Unternehmen stimmen mit ihren Investitionsentscheidungen ab. Ja, Deutschland ist noch budgetär in der Lage Investitionen mit Subventionen zu „kaufen“ (Intel). Wie lange noch? Ein Verfall auch der öffentlichen Haushalte wird perspektivisch wahrscheinlicher.
Das IW konstatiert, die Zahlen seien ein Warnsignal, dass der Standort an Attraktivität verlöre. Demografie, hohe Energiepreise, hohe Unternehmenssteuern, ineffiziente Bürokratie und eine marode Infrastruktur hätten Deutschland immer unattraktiver gemacht.
Kommentar: Es kommen weitere belastende Themen dazu: Keine langfristige Energieversorgungssicherheit, unzureichende IT-Infrastruktur, abnehmendes Bildungsniveau und Fachkräftemangel als auch die Frage der Wahrung eigener Interessen (Unterordnung).
Laut Umfrage der Managementberatung Horváth drohe sich die Investitionsflucht fortzusetzen. Nahezu jedes dritte Unternehmen wolle in den nächsten fünf Jahren Personalbestand in Europa abbauen und in Indien, Nordamerika und China aufbauen.
Kommentar: Es gab früh warnende Stimmen (jetzt Nacherzählung). Wer mit dem Kapitalstock spielt, spielt mit dem Rückgrat der Stabilität von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik!
EZB: Frau Lagarde ganz dicht bei Herrn Nagel
Die EZB Präsidentin Lagarde lieferte in ihren gestrigen Äußerungen keine Diskrepanz zu den Einlassungen des Bundesbankpräsidenten Nagel.
Sie konstatierte, dass mit Zinserhöhungen um 400 Basispunkte bereits deutliche Fortschritte erzielt worden seien. Diese Zinsschritte hätten ihre volle Wirkung noch nicht entfaltet.
Kommentar: Zinserhöhungen wirken sich erst im Zeitverlauf aus. Im Hinblick auf die Erfassung des Impakts fehlt es an historischen Vergleichsdaten, da nie zuvor eine so aggressive Zinspolitik in einem derartig kurzen Zeitraum appliziert wurde. Die Chance, respektive das Risiko, dass dieser Impakt unterschätzt wird, sollte nicht vollständig ignoriert werden.
Lagarde führte weiter aus: Für eine Entwarnung sei es zu früh. Man sei entschlossen, das Inflationsziel von 2% zu erreichen. "komme, was da wolle". Man würde das erhöhte Niveau so lange wie erforderlich aufrecht erhalten. Man würde situationsbezogen agieren. Eine zeitnahe Kehrtwende der Geldpolitik der EZB sollte nicht erwartet werden. Eine weitere Zinserhöhung sei im Juli wahrscheinlich.
Kommentar: Entschlossenheit ist positiv, ebenso das Inflationsziel von 2%. Die Begrifflichkeit "komme, was da wolle" erinnert an Draghis "whatever it takes". Schauen wir mal. Ich verweise auf die Vorlaufindikatoren der Verbraucherpreise Import-, Großhandels- und Erzeugerpreise). Sie gehen zum Teil deutlich zurück. Diese Datensätze sind bezüglich der potenziellen Verbraucherpreisentwicklung zunächst ermutigend (auch erwartete Basiseffekte im 2.Halbjahr 2023).
Der Verweis darauf, dass das europäische Inflationsproblem zu erheblichen Teilen durch die diskretionär von uns verfügten und weiter verschärften Sanktionspolitiken hervorgerufen wurde und weiter wird, sollte berücksichtigt werden. Kann die EZB diese durch die Politik hervorgerufenen Probleme heilen?
Ja, indem man die Wirtschaft in eine nachhaltige Rezession führte und damit die Nachfrage kappte. Was auf ersten Blick smart klingt, mag jedoch ultimativ nicht smart sein. Das Risiko, dass dann der EUR als Folge von Rezession, von Strukturverlust in der Wirtschaft, von Haushaltsdefiziten und von Außenhandelsdefiziten verfiele, ist erheblich. Damit stünde dann das Thema der importierten Inflation im Raum.
Diese Gedanken sind umso mehr von Relevanz, da manche "Freunde" mit unzulässigen Mitteln aggressiv bemüht sind, Wirtschaftsstrukturen aus Europa in ihr eigenes Land zu verlagern. Auch das ist eine historische Anomalie zu früheren Wirtschaftszyklen.
Ja, das Thema Inflationsbekämpfung hat viele Facetten und vor allen Dingen ist es komplex. Wird diese Komplexität in unseren Eliten voll erfasst?
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone: Italiens Verbraucher sind zuversichtlicher, die Produzenten nicht
Italien: Der Index des Geschäftsklimas des Verarbeitenden Gewerbes sank per Juni von 101,2 (revidiert von 101,4) auf 100,3 Punkte (Prognose 101,0). Es war der schwächste Wert seit Februar 2021. Dagegen legte der Index des Verbrauchervertrauens von 105,1 auf 108,6 Zähler zu, dem höchsten Wert seit Februar 2022.
Frankreich: Die Zahl der Arbeitslosen stellte sich per Berichtsmonat Mai auf 2.806.000 nach 2.799.800 per April.
Kanada: Kernrate der Verbraucherpreise (J) mit geringstem Anstieg seit 11/2021
Die Verbraucherpreise nahmen per Mai im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,5%) nach 0,7% zu. Im Jahresvergleich kam es zu einem Anstieg um 3,4% (Prognose 3,4%) nach 4,4%. Die Kernrate der Verbraucherpreise legte im Jahresvergleich um 3,7% (Prognose 3,9%) nach zuvor 4,1% zu. Es war der geringste Anstieg seit November 2021.
USA: Durchgehend positive Überraschungen und Akzente
Der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter verzeichnete per Berichtsmonat Mai einen Anstieg um 1,7% (Prognose -1,0%) nach zuvor 1,2% (revidiert von 1,1%). Laut Case Shiller Hauspreisindex nahmen die Wohnimmobilienpreise im 20 Städtevergleich per April um 0,9% im Monatsvergleich zu (Prognose 0,4%). Im Jahresvergleich stellte sich ein Rückgang um 1,7% (Prognose -2,6%) nach zuvor -1,1% ein.
Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart des Conference Board lieferte mit einem Sprung von 102,5 (revidiert von 102,3) auf 109,7 (Prognose 104,0) eine positive Überraschung. Der Absatz neuer Wohnimmobilien stellte sich in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung (annualisiert) auf 763.000 (Prognose 675.000) nach zuvor 680.000 (revidiert von 683.000). Der Richmond Fed Composite Index stieg per Juni von zuvor -15 auf -7 Punkte.
China: Unternehmensgewinne der Industrie verringern Rückgang ggü. Vorjahr
Die Unternehmensgewinne des industriellen Sektors lagen in der Phase Januar bis Mai 2023 um 18,8% unterhalb des Niveaus des Vorjahres nach -20,6% in der Phase Januar bis April 2023.
Südkorea: Verbrauchervertrauensindex steigt auf höchsten stand seit 05/2022
Der Index des Verbrauchervertrauens nahm per Juni von 98,0 auf 100,7 Punkte zu und markierte den höchsten Indexstand seit Mai 2022.
Derzeit ergibt sich für das Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1,0650 – 1,1100 eröffnet neue Trendsignale.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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