Fed-Chef Jay Powell bekommt von mir Bestnoten für seine Geldpolitik. In schwierigen Zeiten tut er das ökonomisch Richtige und überlässt es der Politik, für einen sozialen Ausgleich zu sorgen.
Letzten Mittwoch Abend hat die US-Notenbank ihre Zinsentscheidung bekannt gegeben: Der Leitzins wird zum vierten Mal in Folge um 0,75% angehoben und erreicht nun ein Niveau von 3,75%-4,00%. Nach vier Jumbo-Schritten in Folge wurde eine Ankündigung über die Verlangsamung der künftigen Zinsschritte von den meisten Marktbeobachtern erwartet.
Doch eine Verlangsamung bedeutet noch lange nicht, dass das Inflationsgespenst erfolgreich vertrieben wurde. Wie kann US-Notenbankchef Jay Powell also die Geschwindigkeit verlangsamen, ohne den Druck von den Märkten zu nehmen?
Nun, die Antwort ist in drei Komponenten zu sehen: Geschwindigkeit, Ziel und Dauer. Die Geschwindigkeit der Zinsschritte wird nachlassen. Weitere Jumbo-Schritte von +0,75% wird es wohl erst einmal nicht mehr geben.
Doch das Ziel der Zinsanhebungsserie ist noch nicht erreicht. In der Pressekonferenz machte Powell klar, dass es noch keinerlei Anzeichen für eine Abschwächung des Inflationsdrucks gibt. Daher rechne man inzwischen mit einem höheren Leitzinsziel als zuvor. Das heißt, wenngleich künftige Zinsanhebungen vielleicht nicht mehr Jumbo-Schritte von 0,75% sein werden, so ist doch damit zu rechnen, dass eine Vielzahl kleinerer Schritte, also +0,5% oder +0,25%, den Leitzins noch deutlich höher schrauben werden, bevor die US-Notenbank zufrieden ist.
"We will keep at it, until the the job is done" hatte Powell schon bei der vorangehenden Notenbanksitzung gesagt: "Wir werden den Leitzins so lange anheben, bis die Inflation besiegt ist." Und das wird länger dauern als bislang erwartet, fügte er dieses Mal hinzu. Der Leitzins wird am Ende höher stehen, als das bislang von den meisten erwartet wird.
Die Geschwindigkeit mag also nach der dieswöchigen Entscheidung gedrosselt werden, doch das Ziel wurde nach oben korrigiert. Und neben Geschwindigkeit und Ziel gibt es noch die dritte Komponente, die Dauer. Wie lange wird der Leitzins dann auf dem hohen Niveau belassen?
Nun, dazu hat Powell ebenfalls etwas gesagt: Inflation neige dazu, wenn sie nicht konsequent im Keim erstickt wird, sich in der Gesellschaft einzunisten. Um dies zu verhindern, müsse sie konsequent und endgültig bekämpft werden. Wir dürfen uns also darauf einstellen, dass der Leitzins länger auf einem höheren Niveau verbleiben wird, als wir uns das heute vorstellen.
Oder, um es kurz zu machen: Jay Powell hat aus der Geschichte gelernt. Er nimmt die Inflationsrisiken ernst und weiß, wie man damit umgeht.
Der eine oder andere wirft ihm vor, er habe zu spät mit der Straffung der Geldpolitik begonnen, und müsse daher nun überproportional heftig agieren. Doch wenn Sie auf den vergangenen Winter zurück blicken, dann werden Sie sich sicherlich daran erinnern, dass die Corona-Zahlen auf einem beunruhigend hohen Niveau pendelten und neue Virusvarianten, damals noch Delta, eine höhere Sterberate befürchten ließen.
Weitere Corona-Hilfspakete wurden geschnürt, Kurzarbeit war in Deutschland weit verbreitet und die Geldpolitik war gezwungen, länger locker zu bleiben, als es die damalige wirtschaftliche Entwicklung eigentlich zuließ. Dadurch erfolgte die Reaktion der US-Notenbank ein wenig zu spät und ja, daher muss er nun um so heftiger reagieren.
Er tut das überaus konsequent und bekommt dafür von mir die Schulnote 1+ mit Sternchen. Besser hätte man es nicht machen können.
Und in Europa? Nun die EZB-Chefin Christine Lagarde hat noch viel später begonnen als Jay Powell. Erst im Juli wurde der Leitzins erstmals erhöht. Und in ihrer jüngsten Pressekonferenz sprach Lagarde schon wieder Sätze aus, die eine Verlangsamung der weiter zu erwartenden Zinsschritte erwarten lassen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Ich bin überrascht, muss ich zugeben. Zum einen hätte ich nicht erwartet, dass Jay Powell tatsächlich die ökonomische Notwendigkeit politisch durchhalten wird. Doch er hält durch.
Zum anderen hätte ich erwartet, dass Christine Lagarde ihren sehr stark verspäteten Einstieg in die Straffung der Geldpolitik nunmehr konsequent durchziehen wird, um gegenüber den USA aufzuholen. Doch auch hier habe ich mich geirrt, ihr Fuß auf dem Gaspedal zuckt schon wieder.
Somit wird sich der Trendwechsel am Währungsmarkt wohl noch ein wenig hinziehen. Ich hatte schon für die kommenden Wochen einen festeren Euro erwartet. Vorübergehend war das auch schon der Fall. Doch die beiden jüngsten Entscheidungen der Notenbanken dürften diesen Trendwechsel um einige Wochen, wenn nicht Monate, verzögern. Updates gibt es wie immer in meinen wöchentlichen Heibel-Ticker Ausgaben.