Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0534 (06:01 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0526 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 130,38. In der Folge notiert EUR-JPY bei 137,35. EUR-CHF oszilliert bei 1,0489.
Die Finanzmärkte agieren vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen weiter nervös bei erhöhter Risikoaversion. Das ist mehr als verständlich. Unsicherheiten bestimmen das Bild, ob Ukraine-Krise, ob des Themas Versorgungsengpässe in der Weltwirtschaft, ob Sanktionspolitiken ohne Rechtsbasis, ob Erschütterungen der regelbasierten Ordnung, ob Zinspolitik westlicher Zentralbanken, ob Lockdowns in China oder Spätfolgen der Corona-Pandemie. Ukraine/Russland: Gastransit gefährdet?
In diesem Kontext erreichte uns folgende Nachricht. Der ukrainische Netzbetreiber erklärte gestern, dass die Nowopskow-Verdichterstation in der östlichen Luhansk-Region wegen der Einmischung der Besatzungsmächte in technische Prozesse nicht mehr genutzt werden könne. Der Gasfluss würde ab heute über die Sochraniwka-Route eingestellt und über den Sudscha- Knotenpunkt geleitet.
Gazprom (MCX:GAZP) ließ verlauten, dass diese Umstellung technisch unmöglich sei. Das Volumen, das hier in Frage steht, stellt circa 1/3 der Liefermengen durch die Ukraine dar. Das ist ein erhebliches Volumen. Ein Ausfall kann die Wirtschaft Westeuropas erschüttern. China: Preisanstiege höher als erwartet, aber im Vergleich niedriges Niveau - Happy China!
Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat April im Jahresvergleich um 2,1% (Prognose 1,8%) nach zuvor 1,5% zu. Das war der höchste Anstieg seit November 2021 (2,3%). Die Erzeugerpreise legten per April im Jahresvergleich um 8,0% (Prognose 7,7%) nach zuvor 8,3% zu.
Auch wenn die aktuellen Daten über den Prognosewerten liegen, zeigt sich, dass China bezüglich der Preisstabilität westlichen Ländern weit überlegen ist. Damit ergeben sich für China anders als in westlichen Ländern Potenziale bezüglich einer lockeren Zins-, Mindestreserve- als auch Geldmengenpolitik, um Abschwung-Risiken zu begegnen. Einer der Hintergründe, warum China so viel besser in der Inflationsfrage dasteht, hat damit zu tun, dass weder das Thema Versorgungssicherheit noch das Thema der Rohstoffpreise (Discounts zu Weltmarktpreisen) wegen der Nichtteilnahme an den Sanktionen gegen Russland belastend wirken.
Bundesbank: Joachim Nagel mit klaren Worten – Danke!
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel ist in der Zentralbankszene ein sachorientierter und stabilitätsorientierter Protagonist, der Diplomatie kann. Das zeichnet ihn aus. Klare Worte erreichten uns gestern, die deutlich machten, dass Stabilitätspolitik in der EZB mit höchster Wahrscheinlichkeit das Thema der näheren Zukunft wird.
Der Bundesbankpräsident hält eine erste Zinsanhebung der EZB im Juli für sinnvoll, sofern der aktuelle Inflationsschub anhalte. Es sei wichtig, dass Notenbanken rechtzeitig handelten.
Kommentar: Der erste Satz ist Klartext. Der zweite Satz inkludiert eine Portion "Politische Korrektheit", die aber offensichtlich notwendig ist, um Glaubwürdigkeitslücken der EZB-Politik der jüngeren Vergangenheit (nicht seine Fehler) auszublenden.
Nagel erwartet, dass die Anleihekäufe der EZB Ende Juni auslaufen würden. Das nächste, was er erreichen wolle, sei, den Einlagensatz wieder ins positive Territorium zu bewegen. Der geldpolitische Fokus müsse dann vom Einlagensatz wegbewegt und zurück auf den Leitzins gelegt werden. Aktuell liegt der Einlagensatz im Euro-Raum bei -0,5%.
Bei einem Satz unter 0% zahlen Banken Strafzinsen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken (internationaler Wettbewerbsnachteil europäischer Banken). Laut Nagel sollten die Schritte vorhersehbar, graduell und datenabhängig sein. Nagel sagte, das Zeitfenster sei jetzt gegeben, um zu zeigen, weswegen man da sei. Die Notenbank müsse die Inflation ins Visier nehmen und die Inflationserwartungen Richtung 2% nach unten bewegen.
Kommentar: Hier wird Transparenz geliefert. Es gibt Ansagen, was zu tun ist und welche Ziele erreicht werden sollen. Urteil: Erfrischend klar!
Zuvor hatte der finnische Notenbank-Chef Rehn sich für eine Zinserhöhung im Juli ausgesprochen. Österreichs Notenbankchef Holzmann hielt zuletzt angesichts der hohen Inflation bis zu drei Zinsanhebungen in diesem Jahr für möglich.
Bundesbankpräsident Nagel warnte, dass eine Verzögerung der geldpolitischen Wende eine riskante Strategie sei. Je mehr sich der Inflationsdruck ausbreitete, umso größer würde dann die Notwendigkeit, eine sehr starke und abrupte Zinserhöhung einzuleiten. Unternehmen und Haushalte würden dann aber übermäßig belastet.
Kommentar: So ist es - von meiner Site ein "Danke" an Joachim Nagel!
Fed: Williams liefert eine zarte Spur Optimismus
Aus den USA erreichten uns Nachrichten von Seiten des bedeutenden Präsidenten der Federal Reserve Bank New York. Der Präsident der Federal Reserve Bank of New York John Williams sagte, dass die Aufgabe der US-Notenbank schwierig sei. Sie sei jedoch nicht unlösbar.
Dem stimmen wir grundsätzlich zu. Die US-Wirtschaft hat gegenüber der europäischen einen großen Vorteil. Das Thema Versorgungssicherheit mit Rohstoffen ist weit unkritischer als in Europa. Das Problem der Preislichkeit der Rohstoffe betrifft jedoch auch die US-Wirtschaft. Mehr noch ist die US-Konjunktur nicht eine rein von Einkommen getrieben Ökonomie (klassisches Modell), sondern der Konjunkturverlauf wird auch von der Bewertung der Vermögensgegenstände wesentlich beeinflusst (anders als in Europa). Ergo könnten weiter fallende Aktienmärkte und Schwäche am Immobilienmarkt sich stark belastend auswirken. Grenzt das Handlungsspielräume der Fed ultimativ ein? Meine Antwort lautet: "Ja"!
Er betonte , dass der Ukrainekrieg, die Lockdowns in China als auch Lieferunterbrechungen wegen der Corona-Pandemie kurzfristig den Inflationsdruck und Aussichten für die globale Konjunktur belasteten. Das ist richtig. Sollten die USA zur regelbasierten Ordnung zurückkehren (keine regellosen Sanktionen, Wiederbelebung der WTO, Einstellung hybrider Finanz- und Wirtschaftskriege, ehrliches Engagement für Deeskalation in Ukraine) wäre der Weltkonjunktur und der Versorgung der Welt sehr geholfen.
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone: Markante Divergenz bei ZEW-Indices für Deutschland und Eurozone
Deutschland: Der ZEW-Sentiment-Index stellte sich per Mai auf -34,3 (Prognose -42,0) nach zuvor -41,0 Punkte. Der ZEW-Lageindex fiel von zuvor -30,8 auf -36,5 Zähler (Prognose -35,0). Bemerkenswert war der ZEW-Erwartungsindex der Eurozone, der sich per Mai dynamisch von zuvor -43,0 auf +29,5 Punkte erholte.
In Italien war die Industrieproduktion im Monatsvergleich per März unverändert (Prognose -1,9%) nach zuvor +4,0%. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 3,0% (Prognose 1,3%) nach zuvor 3,4% (revidiert von 3,3%). Italiens Industriesektor ist offensichtlich widerstandsfähiger als der deutsche Industriesektor.
USA: Kleine Unternehmen mit widerstandsfähiger Stimmungslage auf ermäßigtem Niveau
Der NFIB Business Optimism Index (kleine Unternehmen) verharrte per Berichtsmonat April unverändert bei 93,20 Punkten und zeigte damit Widerstandskraft auf den schwächsten Niveaus seit April 2020. Die Spitzenwerte dieses Index lagen in den letzten 2 Jahren bei 104,0 Zählern (September/Oktober 2020).
China: Preisanstiege höher als erwartet, aber im internationalen Vergleich niedriges Niveau
Die Verbraucherpreise nahmen per Berichtsmonat April im Jahresvergleich um 2,1% (Prognose 1,8%) nach zuvor 1,5% zu. Das war der höchste Anstieg seit November 2021 (2,3%). Die Erzeugerpreise legten per April im Jahresvergleich um 8,0% (Prognose 7,7%) nach zuvor 8,3% zu.
Japan: Devisenreserven sinken auf niedrigsten Stand seit November 2019
Die Devisenreserven sanken per Berichtsmonat April von zuvor 1.356,1 Mrd. USD auf 1.322,2 Mrd. USD. Das ist der niedrigste wert seit November 2019.
Südkorea: Arbeitslosenquote weiter am Allzeittief
Die Arbeitslosenrate verharrte per April unverändert bei 2,7% und bewegt sich weiter auf dem tiefsten Niveau in der uns seit 1999 vorliegenden Historie.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0950 - 1.0980 neutralisiert den positiven Bias des USD.
Viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe
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