Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,1265 (06:22 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,1211 im US-Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 107,15. In der Folge notiert EUR-JPY bei 120,72. EUR-CHF oszilliert bei 1,0720.
Risikoaversion nimmt zu:
Seit Mitte letzter Woche nimmt Risikoaversion zu. Jüngst spielt das Thema einer zweiten Viruswelle eine prominente Rolle. Dieses Thema versucht der Markt auch an der Entwicklung der Corona-Lage in China festzumachen, wo sich die Anzahl der akuten Infektionen von 115 auf 214 erhöhte. Wir nehmen das zur Kenntnis. Die Konjunkturdaten, die uns per Berichtsmonat Mai aus China erreichten, unterstreichen die Fortsetzung der Konjunkturerholung vor Ort, auch wenn die Prognosewerte nicht erreicht wurden (siehe Datenpotpourri).
Das globale Konjunkturbild impliziert derzeit einen leichten Erholungsmodus nach dem Tiefpunkt, der global per April 2020 angesiedelt werden muss. Die zugenommene Risikoaversion an den Finanzmärkten hat insbesondere die Aktienmärkte in eine Korrektur gezwungen. Diese Entwicklung setzt sich zu Wochenbeginn fort.
Rom will Reformen:
Italiens Regierung will die Krise zu weitreichenden Reformen nutzen. Ministerpräsident Conte stellte ambitionierte Vorhaben in Aussicht. Es geht um einen Abbau der Bürokratie, um Investitionen in die Digitalisierung und in umweltfreundliche Energiequellen, um verbesserte Bildung, mehr Unterstützung für Arme und bessere Berufschancen für Frauen. Conte sagte, man müsse die Gelegenheit ergreifen und die Krise zu einer Chance machen. In der Tat bieten Krisen Chancen. Rom erfährt die europäische Solidarität. Die Mittel daraus investiv zur Restrukturierung zu nutzen, eröffnete Italien eine bessere Zukunft. Bekommt „Aristoteles“ seine Chance in Rom? Es wäre und es ist höchste Zeit!
Vertreter der Fed melden sich zu Wort:
Die innenpolitische Krise der USA ruft nun auch Vertreter der US-Notenbank auf den Plan. Systemischer Rassismus und hohe Arbeitslosenquoten bei Afro- und Hispanoamerikanern bremsen die US-Konjunktur nach Einschätzung des Fed Gouverneurs Roger Kaplan (Dallas Fed) aus. Eine offenere Volkswirtschaft, in der jeder eine Chance habe, bedeute ein schnelleres Wachstum der Erwerbsbevölkerung und der Produktivität. Eine solche Entwicklung sei im Interesse der USA. Die am schnellsten wachsenden demographischen Gruppen in diesem Land seien die Afro- und Hispanoamerikaner. Wenn diese nicht gleichermaßen partizipieren könnten, würden die USA langsamer vorankommen.
Roger Kaplan ist hinsichtlich der ökonomischen Aufarbeitung der Problematik vollständig zuzustimmen. Das humanistische Motiv, die Lage in den USA neu zu gestalten, ist fraglos dominanter, aber das ökonomische Motiv hat ebenso Tragkraft.
Es ist an der Zeit, dass die USA nicht nur über westliche Werte nach Gutsherrenart reden, sie über Regime-Change versuchen, andernorts herbei zu putschen oder herbei zu bomben, sondern diese Werte auch im Alltag in den USA belastbar verankern.
Northstream II:
Die Bundesregierung kritisiert den amerikanischen Plan, deutsche Behörden und Unternehmen wegen Nord Stream 2 mit Sanktionen zu belegen. Wie Medien im Auswärtigen Amt in Erfahrung brachten, hält man die möglichen Strafmaßnahmen für einen schweren Eingriff in die europäische Energiesicherheit und EU-Souveränität. Wir stimmen hier vollständig überein. Damit untergraben die USA den Status unserer Demokratien.
Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung lehne man ab. Die Kritik bezieht sich auf einen Gesetzentwurf im amerikanischen Senat, in dem Demokraten und Republikaner fordern, die bestehenden Sanktionen gegen Betreiber von Verlegeschiffen für Gasröhren auf Zulieferer auszuweiten, aber auch auf Dienstleister sowie auf Behörden von beteiligten Staaten. Dazu könnten die deutschen Unternehmen E.ON (DE:EONGn) und Wintershall gehören, aber auch deutsche Genehmigungsbehörden.
Die Situation ist an Absurdität kaum zu überbieten. Unsere deutschen Regierungsvertreter haben in Washington nichts zu sagen. Aber die Regierungsvertreter der USA greifen in unsere Innenpolitik ein? Das ist nicht nur ein arroganter, s0ndern gleichzeitig ein totalitärer US-Ansatz.
Gegner des Projekts sagen, die Ostseeleitung schade den bisherigen Gas-Transitländern Ukraine und Polen und schaffe Russland Einnahmen für seine Kriege in der Ukraine, Libyen und Syrien (die wer heraufbeschworen hat?).
Wir weisen darauf hin, dass es die Ukraine war, die mit der Unterbrechung der Gaslieferungen Europa drohte. Wir weisen darauf hin, dass es die USA sind, die uns zu erpressen suchen. Wir weisen darauf hin, dass Polen Politikinteressen der USA ernster nimmt als die Kontinentaleuropas. "Food for thought!"
Aktuelle Corona-Lage gemäß der Johns-Hopkins-Universität:
Wir weisen darauf hin, dass die Darstellung der Johns-Hopkins-Universität lediglich eine Annäherung an die reale Lage liefert. Die Datenqualität ist in Teilen erodiert. Das gilt insbesondere für Genesungszahlen. Grundaussagen lassen sich dennoch grob ableiten.
Das Thema der Exit-Strategien aus den Extremmaßnahmen bestimmt weiter grundsätzlich das Bild. Es gibt aber auch vereinzelt Verschärfungen der Maßnahmen, die aber weitgehend regionalen und nicht nationalen Charakter aufweisen.
In Asien setzt sich die Entspannung (und die wirtschaftliche Erholung) fort. In China liegen 214 akute Infektionen vor. In Südkorea stellt sich die Zahl auf 1.114. In Japan liegt sie bei 928. In Singapur sind es 10.989.
In Kontinentaleuropa ist die Lage stabil. Einige Länder liefern keine aktuellen Genesungszahlen laut Johns-Hopkins, so dass wir uns hier nur auf die Länder fokussieren, die ihren Aufgaben nachkommen. In Deutschland liegt die Zahl der akuten Infektionen bei 6.628. Österreich liegt bei 373 Fällen. Die Schweiz bringt es auf 379. In Italien sind es noch 26.274. Irritierend sind die Genesungszahlen aus den Niederlanden (181!), Belgien, Spanien, Frankreich und Schweden (0!).
Die Problemländer sind weiter die USA (1.416.521), das UK (254.276), Brasilien (355.151) und Russland (241.793). Deren Genesungszahlen sind übrigens plausibel …
Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:
Eurozone: Konjunktureller Tiefpunkt per April
Die Industrieproduktion sank per Berichtsmonat April im Monatsvergleich um 17,1% (Prognose -20,0%) nach zuvor -11,9% (revidiert von -11,3%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Einbruch um 28,0% (Prognose -29,5%) nach zuvor -13,5% (zuvor -12,9%).
UK: Konjunktureller Tiefpunkt per April
Per Berichtsmonat April sank das BIP im Monatsvergleich um 20,4% (Prognose -18,4%) nach zuvor -5,8%. Im Jahresvergleich kam es per April zu einem Einbruch um 24,5% (Prognose -22,6%) nach zuvor -5,7%.
USA: Aufgehellte Verbraucherstimmung
Der Index des Verbrauchervertrauens nach Lesart der Universität Michigan stieg per Juni laut vorläufiger Berechnung von zuvor 72,3 auf 78,9 Punkte (Prognose 75,0). Die Importpreise legten per Mai im Monatsvergleich um 1,0% (Prognose 0,6%) nach zuvor -2,6% zu (Jahresvergleich -6,0% nach zuvor -6,8%), während die Exportpreise im Monatsvergleich um 0,5% nach zuvor -3,3% stiegen (Prognose 0,6%).
China: Konjunkturerholung setzt sich fort, Prognosen aber verfehlt
Die Industrieproduktion stieg per Mai im Jahresvergleich um 4,4% (Prognose 5,0%) nach zuvor 3,9%. Im Zeitraum von Januar bis Mai ergab sich im Jahresvergleich ein Rückgang um 2,8% nach zuvor -4,9%. Die Einzelhandelsumsätze sanken per Berichtsmonat Mai im Jahresvergleich um 2,8% (Prognose -2,0%) nach zuvor -7,5%. Im Zeitraum von Januar bis Mai lag der Rückgang bei -14,01% nach zuvor -16,84%. Investitionen im städtischen Bereich fielen im Jahresvergleich per Mai um 6,3% (Prognose -5,9%) nach zuvor -10,3%. Die Hauspreise stiegen per Berichtsmonat Mai im Jahresvergleich um 4,9% nach zuvor 5,1%.
Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0850 - 70 neutralisiert den positiven Bias des Euros.
Bleiben Sie gesund, viel Erfolg!
© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Solvecon Invest GmbH
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