Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Der Ölpreis stand in der vergangenen Woche unter heftigem Verkaufsdruck. Verantwortlich für den Kursrutsch waren in erster Linie die neuesten Daten zum US-Lagerbestand. Erinnerungen an das Jahr 2015 werden wach – damals verlor der Energieträger massiv an Wert. Wie sieht aktuell die charttechnische Lage aus?
Hohe US-Produktion setzt dem Ölpreis zu
Verantwortlich für den jüngsten Rutsch der Energiepreise waren die neuesten US-Lagerbestandsdaten, welche ein erweitertes Angebot seitens der US-Fracking-Industrie signalisierte. Die US-Fracking-Industrie wird anscheinend immer effizienter: Mittlerweile lohnt sich das Aufbrechen der öl-reichen Gesteinsschichten schon ab einem Ölpreis von rund 50 Dollar je Barrel.
Insofern wirkt die Produktionsdrosselung der OPEC-Staaten nur bedingt. Sobald sich der Ölpreis oberhalb von 50 Dollar befindet, wird das Angebot seitens der Fracking-Unternehmen ausgeweitet werden. Vor diesem Hintergrund sind von der fundamentalen Seite her kaum Preiserhöhungen wahrscheinlich. Nach Schätzungen von Experten sind in den USA aktuell rund 600 Bohrtürme aktiv – so viele wie seit Mitte 2015 nicht mehr.
Neuerliche Abwärtswelle
Rückblick: Nach der herben Talfahrt der Ölpreise in 2014 und 2015 stabilisierte sich der Rohstoff im vergangenen Jahr zunächst. Ausgehend vom 2015er-Tief bei 27 Dollar erholte sich der Energieträger bis Februar 2017 bis auf 56 Dollar je Barrel (159 Liter). Dabei hatte sich ein zaghafter Aufwärtstrend ausgebildet, welcher die Notierung mehrere Monate am Stück nach Norden führte. Mit der jüngsten Entwicklung wird die Fortsetzung des Aufwärtstrends allerdings in Frage gestellt.
In der folgenden Abbildung ist die Entwicklung des Brent-Öls seit Anfang 2016 dargestellt (in US-Dollar je Barrel):
Während der Ölpreis in den beiden ersten Monaten des laufenden Jahres in einer engen Handelsspanne oberhalb von 55 US-Dollar notierte, ging es seit Anfang März um mehr als zehn Prozent abwärts. Zuletzt verzeichnete der Rohstoff fast täglich sinkende Notierungen. Vergangenen Mittwoch markierte die europäische Nordsee-Sorte Brent ein neues Verlaufstief bei 49,74 Dollar. Nach der zaghaften Aufwärtsbewegung der letzten Monate trübt sich das Chartbild des Rohstoffs erneut ein.
Charttechnischer Aufwärtstrend im Blickpunkt
Im Handelsverlauf der letzten Woche fiel das Brent-Öl zeitweise unter die maßgebliche Trendlinie. Der charttechnische Aufwärtstrend ist damit in Gefahr. Zunächst konnten sich die Kurse zwar wieder minimal erholen, dennoch muss die Lage als instabil bezeichnet werden. Sorgen bereitet in erster Linie das neue Verlaufstief im Vergleich zum Tief der letzten Woche.
In den kommenden Tagen ist eine kleine Erholungsbewegung der Notierung möglich, schließlich befindet sich das Öl nach technischen Kriterien in einem überverkauften Zustand. Im weiteren Verlauf dürfte der Aufwärtstrend jedoch zur Disposition stehen. Aufgrund der hohen US-Förderung ist erst einmal nicht mit steigenden Notierungen des Rohstoffs zu rechnen. Ein Bruch des Aufwärtstrends würde dagegen einiges an Abwärtspotenzial eröffnen. In diesem Szenario würde zunächst das Kursziel von 46 Dollar aktiviert werden, denn erst dort verläuft die nächste Unterstützungslinie. Mittelfristig wären darüber hinaus weiter sinkende Notierungen wahrscheinlich.
Freundliche Grüße aus Köln
Bernd Raschkowski