Im Mai wurden in den USA außerhalb der Landwirtschaft 217.000 neue Jobs geschaffen. Analysten hatten einen Stellenzuwachs um 210.000 erwartet. Damit stabilisiert sich der Wert auf über 200.000. Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass die US-Wirtschaft so langsam in Fahrt kommt.
Eine weitere, sehr interessante Nachricht: Nach fünf Jahren Erholungsphase der US-Wirtschaft wurden die Stellenverluste im Zuge des 2008er Crash in Höhe von 8,7 Millionen Stellen wieder ausgeglichen. Mit 138,5 Millionen beschäftigen Personen wurde das bisherige Rekordniveau vom Januar 2008 übertroffen. Damals waren es 138,4 Millionen Personen gewesen. Dazu die Grafik:
Erinnern Sie sich vielleicht noch daran, was im Jahr 2009 alles über den US-Arbeitsmarkt geschrieben wurde? Insbesondere dazu, wie lange es dauern würde, bis dieser sicherlich dramatische Stellenabbau wieder neutralisiert werden würde? Es wurde von 10 bis 15 Jahren, sogar 20 Jahren gesprochen. Doch tatsächlich hat es „nur“ fünf Jahre gedauert.
Ich schreibe das eben nicht, um zu belegen, dass ich mit meinem „Optimismus“ damals richtig lag. Auch will ich nicht behaupten, dass nun in den USA alles richtig läuft. Ich schreibe das, damit Sie sich diese Ereignisse merken – zurückblicken und sich selbst hinterfragen.
Es ist neben den vielen anderen Beispielen, die ich in den vergangenen Jahren hier vorgestellt habe, ein weiterer Beleg dafür, dass sich eben auch die Analysten, die Redakteure und Journalisten in solchen Krisen- und Crashphasen von der allgemeinen Massenpanik anstecken lassen. Es sind eben auch nur Menschen. Und Menschen, die in Panik geraten, haben eine gewisse Tendenz, die Realität düsterer zu sehen, als sie vielleicht ist.
Denken Sie daran, wenn es das nächste Mal an den Börsen scheppert. Machen Sie sich bewusst, dass in solchen Phasen vieles übertrieben dargestellt wird. Enttarnen Sie, dass die Analysten, die dramatische Untergangszenarien entwerfen, eben auch nur Teil der Massenhysterie geworden sind.
Und doch soll dies kein Aufruf zur Blauäugigkeit sein! Das ist eben die Schwierigkeit an den Börsen, herauszufinden, ob die Panik zu diesem Zeitpunkt nun berechtigt ist oder eben nicht. Deswegen schreiben wir auch in unseren Börsenbriefen davon, sich hinter den Markt zu stellen. Wenn die Börsen in solchen Phasen steigen, dann ist das nicht „verrückt“ oder „irrational“, wie so viele dann schreiben, sondern ein wichtiger Hinweis, den man ernst nehmen sollte…
Nachtrag zur EZB Sitzung
Wenn wir uns einen Teil der Maßnahmen der EZB genauer anschauen, bleiben Fragen offen. Was soll diese mikroskopische Senkung des Leitzins, was soll der negative Einlagezins für Banken, was soll die Anspielungen, die eine quantitative Lockerung vermuten lassen? Wirklich verändern wird sich dadurch nichts.
Meines Erachtens geht es der EZB auch weniger um die tatsächlichen Auswirkungen, sondern um die Signalwirkung. Einerseits für die Geldmärkte, aber noch entscheidender ist die Signalwirkung auf Anleger, die nicht aus dem Euro-Raum kommen.
Aus Sicht dieser Anleger bietet eine Aktienanlage in Euro gleich zwei Vorteile: Erstens scheinen sich die Aktienmärkte der Staaten, die in der EU-Schuldenkrise am meisten gelitten haben, zu erholen. Gleichzeitig steigt der Euro, wie man an dem Aufwärtstrend in der Grafik unten erkennen kann. Wenn Sie also aus einer ausländischen Währung heraus in europäische Aktienmärkte investieren, haben Sie direkt zwei Vorteile – den Kursgewinn und den Währungsgewinn. Der Zufluss an ausländischem Kapital führt aber zu einem weiter steigenden Euro. Hier entsteht somit ein sich selbst erhaltende Kreislauf.
Das Dumme ist lediglich, dass ein steigender Euro quasi Wasser auf die Mühlen der Deflation ist. Und darum muss die EZB einen seltsamen Spagat machen. Einerseits will sie durch die geldpolitischen Maßnahmen die Wirtschaften der verschiedenen Länder der EU stützen (was aber noch mehr Geld anziehen würde), andererseits möchte sie aber auch den Euro schwächen. Und erst aus diesem Blickwinkel betrachtet machen die Aktionen Sinn, denn der Euro hat im Vorfeld dieser EZB-Sitzung und in Erwartung der Maßnahmen entsprechend reagiert:
Es kam zu einem Kursrutsch bis zur EZB-Sitzung von 1,40 Dollar auf 1,35 Dollar. Und wie immer, wenn das Ereignis dann tatsächlich so eingetreten ist, wie vom Markt erwartet, setzt eine Gegenbewegung ein – das sind Gewinnmitnahmen. Und so darf diese noch nicht als Turnaround gewertet werden. Erst in den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob der Euro weiter fällt.
Kurze charttechnische Analyse
Aus charttechnischer Sicht ist es dem EUR/USD nicht gelungen, die rote Abwärtstrendlinie nachhaltiger zu überwinden. Das ist ein eher bearishes Zeichen. Im Moment sieht es so aus, als würde es sich der Euro in einer Seitwärtsbewegung um oder leicht oberhalb der 1,35er Marke bequem machen wollen. Entwickelt sich eine Seitwärtsbewegung in einem Trendkanal und wird dabei, ohne dass zuvor die obere Begrenzungslinie des Trendkanals getestet wurde, wieder die untere Begrenzungslinie angelaufen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Trendkanal nach unten gebrochen wird.
Gerade im Bereich EUR/USD macht das auch fundamental Sinn. Wie ich schon mal geschrieben hatte, müsste der Dollar gegenüber dem Euro aus fundamentalen Gesichtspunkte zulegen, da die Fed ihre Geldpolitik vorsichtig zu straffen beginnt, während die EZB ihre Geldpolitik immer noch weiter lockert. Und so passt das im Moment zumindest alles zusammen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Handelswoche, und stoßen Sie auf den DAX bei 10.000 Punkten an!
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH