Der geldpolitische Ausblick bleibt ungewiss, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts der ersten Zinssenkung. Die Fed-Funds-Futures preisen inzwischen sogar die Möglichkeit einer Zinserhöhung ein. Bei näherer Betrachtung ist die implizite Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung mit knapp 1 % sehr gering. Doch allein die Tatsache, dass die Marktstimmung die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung überhaupt berücksichtigt, ist als Zeichen einer Veränderung zu werten.
Fraglich ist, ob diese Verschiebung signifikant ist oder nur eine Variante des üblichen Marktrauschens darstellt. Was die Notenbank betrifft, so haben die Entscheidungsträger der Fed in den letzten Monaten signalisiert, dass Zinserhöhungen unwahrscheinlich sind, sich aber bezüglich des Zeitpunkts von Zinssenkungen eher bedeckt gehalten. Die Fed-Funds-Futures zeigen nach wie vor keinen Widerspruch zu diesen Aussichten - die eingepreisten Wahrscheinlichkeiten tendieren nach wie vor mit überwältigender Mehrheit zu keiner Zinsänderung bzw. zu Zinssenkungen für die nächsten FOMC-Sitzungen. So schätzt der Markt laut CME-Daten die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf der FOMC-Sitzung am 18. September auf rund 50 % ein.
Die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen, die besonders sensibel auf die Geldpolitik der Fed reagiert, preist ebenfalls eine niedrigere Fed Funds Target (NYSE:TGT) Rate ein (derzeit bei 5,25 % bis 5,50 %). Tatsächlich lag die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen am 23. Mai mit 4,91 % etwas niedriger. Fairerweise muss man sagen, dass der 2-Jahres-Satz bereits seit über einem Jahr Zinssenkungen vorwegnimmt. In jedem Fall signalisiert diese vielbeachtete Rendite, dass die Öffentlichkeit bei der Frage nach einer baldigen Änderung der Geldpolitik nach wie vor eher mit Zinssenkungen als mit Zinserhöhungen rechnet.
In den letzten Tagen haben die Wirtschaftsdaten jedoch bestätigt, dass die Wirtschaft weiterhin recht robust ist, so dass es verfrüht sein könnte, die Möglichkeit einer Zinserhöhung gänzlich auszuschließen. Die Daten der PMI-Umfrage für Mai deuten darauf hin, dass sich die US-Wirtschaft nach den schwachen Daten im April deutlich erholt hat. Auch die Anträge auf Arbeitslosenhilfe waren niedrig, was für die nahe Zukunft ein gesundes Wachstum am Arbeitsmarkt erwarten lässt.
Die entscheidende Variable bleibt natürlich die Entwicklung der Inflation. Die jüngsten Daten zeigen weitere Anzeichen für ein Nachlassen der Inflation, doch die jüngsten Fed-Protokolle erinnern daran, dass eine Zinserhöhung zwar nach wie vor unwahrscheinlich ist, aber von den Entscheidungsträgern durchaus in Betracht gezogen wird - zumindest wenn man zwischen den Zeilen des jüngsten FOMC-Protokolls vom 30. Mai und 1. April liest:
Die Teilnehmer legten weiterhin großen Nachdruck auf die Inflationsrisiken und betonten die Unsicherheit in Bezug auf die Wirtschaftsaussichten. Obwohl viele Teilnehmer die Geldpolitik als restriktiv einschätzten, äußerten sie sich unsicher über den Grad der Restriktivität.
Sie sahen Risiken darin, dass die hohen Zinssätze weniger Wirkung zeigen könnten als in der Vergangenheit, dass die längerfristigen Gleichgewichtszinssätze höher sein könnten als bisher angenommen oder dass das Produktionspotenzial niedriger sein könnte als erwartet. Sie waren jedoch auch der Ansicht, dass die Geldpolitik weiterhin gut positioniert ist, um auf die sich verändernden wirtschaftlichen Bedingungen und die Risiken für die Aussichten zu reagieren.
Der Gedanke einer Zinserhöhung ist in den Protokollen nur sehr unterschwellig enthalten, und die Kommentare tendieren nach wie vor stark dazu, erst einmal nichts zu tun - was die implizite Aussage der Fed-Futures widerspiegelt. Dennoch stellt die Tatsache, dass Fed-Mitglieder und Futures die Möglichkeit einer weiteren Straffung der Geldpolitik überhaupt ausloten, einen neuen, wenn auch kleinen Risikofaktor dar, der in makroökonomischen Prognosen zumindest berücksichtigt werden muss.