Die Medien berichten ausführlich über die Auswirkungen der Zölle auf Wirtschaft und Märkte - und oft klingen die Prognosen geradezu düster. Viele Experten malen die schlimmsten Szenarien aus.
Aus Neugier habe ich ChatGPT gefragt, welche Folgen Trumps Zölle haben könnten. Hier die Antwort:
"Eine der unmittelbaren Folgen erhöhter Zölle sind steigende Verbraucherpreise. Zölle wirken wie eine Importsteuer, und Unternehmen, die auf ausländische Waren angewiesen sind, geben diese zusätzlichen Kosten oft an die Kunden weiter. Besonders betroffen wären Sektoren wie Elektronik, Automobile und Haushaltswaren, in denen China eine zentrale Rolle in den globalen Lieferketten spielt. Das könnte die Inflation zusätzlich anheizen."
"Langfristig könnten Trumps Zölle zu Stagflation führen - also einer Kombination aus schwächerem Wirtschaftswachstum und anhaltender Inflation -, falls Unternehmen Schwierigkeiten haben, sich anzupassen. Zwar ist das Ziel, Arbeitsplätze und Produktion in die USA zurückzuholen, doch die wirtschaftlichen Risiken legen nahe, dass die Zölle letztlich das Wachstum bremsen und die Kosten für Verbraucher sowie Unternehmen erhöhen könnten."
Aber trifft diese Einschätzung wirklich zu? Um das beurteilen zu können, sollten wir zunächst klären, was Stagflation genau bedeutet.
Bemerkenswert ist, dass viele Analysen zur Stagflation, auf die sich ChatGPT stützt, eine entscheidende Komponente der Definition oft ausklammern: die Arbeitslosigkeit.
Während einige versuchen, mit reißerischen Schlagzeilen über "Stagflation" Klicks zu generieren oder Goldverkäufe anzukurbeln, lassen sie das wichtigste Element der eigentlichen Definition gerne weg.
Tatsächlich waren die Auswirkungen der Zölle auf die Inflation während Trumps erster Amtszeit nicht so drastisch, wie es oft dargestellt wurde. Die Inflation lag damals im Durchschnitt nahe am 2 %-Ziel der Fed. Wie zu erwarten war, bewegte sie sich im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum - sie stieg in Phasen stärkeren Wachstums und schwächte sich wieder ab, als sich das Tempo verlangsamte.
Entgegen den Befürchtungen der "Stagflationisten" haben die Zölle nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Im Gegenteil: Während dieses Zeitraums sank die Arbeitslosenquote auf einen der niedrigsten Werte seit Beginn der Aufzeichnungen. Gleichzeitig setzte sich das Wirtschaftswachstum fort.
Trotz der jüngsten Marktunsicherheiten in Bezug auf die Auswirkungen der Zölle zeigen die bisherigen Entwicklungen, dass eine Stagflation nicht eingetreten ist - und wohl auch nicht zu erwarten ist. Wie bereits in unserem Beitrag "Trumpflation" erläutert:
"Eine genauere Analyse zeigt, dass die Inflation möglicherweise nicht so stark ansteigt wie befürchtet. Die Normalisierung der Lieferketten, stabilere Energiepreise, veränderte Konsumgewohnheiten und das sich abschwächende globale Wirtschaftswachstum üben weiterhin Druck auf die Inflation aus. Zudem deutet die historische Erfahrung darauf hin, dass hohe Schulden und Defizite eher deflationäre als inflationäre Tendenzen begünstigen."
Doch wie haben sich die Zölle auf den Aktienmarkt ausgewirkt?
Zölle und die Reaktion des Aktienmarktes
Während ChatGPT das gängige Narrativ wiedergibt, übersieht es dabei die tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen von Trumps erstem Handelskrieg. Doch was ist mit den Folgen für den Aktienmarkt und die Volatilität? Hier der Ausblick von ChatGPT:
"Anfangs dürfte der Aktienmarkt empfindlich auf neue Zölle reagieren, insbesondere in Branchen, die stark vom internationalen Handel abhängig sind. Höhere Importkosten und die Drohung von Vergeltungszöllen könnten die Anlegerstimmung belasten und für zusätzliche Unsicherheit sorgen."
"Die letzte größere Zollerhöhung unter Trump im Jahr 2018 führte zu erheblichen Marktkorrekturen, da Investoren das Risiko eines langsameren globalen Wachstums und sinkender Unternehmensmargen einpreisten. Falls sich die Geschichte wiederholt, könnte eine ähnliche Marktreaktion folgen - mit besonderem Druck auf zyklische Sektoren wie Industrie, Technologie und Konsumgüter."
Erst letzte Woche haben wir über die "Zolltumulte" gesprochen, die für Unruhe an den Märkten sorgten. Viele Schlagzeilen suggerieren, dass Trumps Zölle den nächsten großen Börsencrash auslösen könnten. Vielleicht haben sie recht - an den Märkten gibt es immer die Möglichkeit, dass "etwas kaputt geht". Doch wie ChatGPT andeutet, lohnt sich ein Blick zurück: Wie reagierten die Märkte während Trumps erster Amtszeit auf den sich zuspitzenden Handelskrieg mit China?
Nach der Verabschiedung des Tax Cuts and Jobs Act erreichte der Markt ein neues Allzeithoch. Die Bewertungen waren ambitioniert, und die Fed begann mit einer Serie von Zinserhöhungen. Gleichzeitig verschärfte Trump den Handelskonflikt mit China. In den folgenden 18 Monaten bewegte sich der Markt in einer breiten Handelsspanne, blieb jedoch in einem übergeordneten Aufwärtstrend.
In unserem Artikel "Halten Sie Ihren Enthusiasmus unter Kontrolle" haben wir bereits darauf hingewiesen, dass sich die Entwicklungen in diesem Jahr stark an den ersten Handelskrieg anlehnen dürften - einschließlich plötzlicher Volatilitätsschübe.
Wie sich gezeigt hat, führten die Zölle in den verschiedenen Phasen des Handelskonflikts immer wieder zu kurzfristigen Marktreaktionen, während Anleger die Maßnahmen und deren potenzielle Folgen einordneten. Diese Volatilitätsausschläge waren jedoch meist nur von kurzer Dauer, da die Märkte die Auswirkungen der Zölle schnell absorbierten.
Trotz der vielen negativen Schlagzeilen, der Sorgen um Inflation und der wirtschaftlichen Risiken hat der Markt den Handelskrieg letztlich gut überstanden. Wie so oft bei düsteren Prognosen sind die schlimmsten Szenarien nicht eingetreten.
Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass der Handelskrieg für erhebliche Volatilität gesorgt hat - eine Herausforderung für viele Anleger, die in unsicheren Zeiten an ihrer Strategie festhalten mussten.
Rückblickend zeigt sich jedoch, dass genau diese Marktschwankungen immer wieder Kaufgelegenheiten boten. Wer die Nerven behielt, hatte die Chance, Aktien zu attraktiveren Preisen zu erwerben.
Wird es diesmal genauso sein? Vielleicht. Ein entscheidender Faktor könnte jedoch die Entwicklung der Unternehmensgewinne sein.
Auswirkungen von Zöllen auf die Unternehmensergebnisse
Das Risiko einer Stagflation scheint angesichts der weiterhin robusten Beschäftigungszahlen und der niedrigen Arbeitslosenquote übertrieben. Zwar dürften die Zölle für mehr Volatilität sorgen, doch der Markt wird diese Auswirkungen voraussichtlich verkraften. Das eigentliche Risiko liegt diesmal woanders: in der Kombination aus hohen Bewertungen und ambitionierten Erwartungen an das Ertragswachstum der Unternehmen.
Die Prognosen für das Earningswachstum im Jahr 2025 sind äußerst optimistisch und weichen deutlich vom langfristigen Wachstumstrend ab.
Als Trump seine erste Amtszeit antrat, lagen die Earningserwartungen noch unter dem langfristigen exponentiellen Wachstumstrend. Heute ist die Situation anders - und das macht den Markt anfälliger für Enttäuschungen.
Gleiches gilt für die Bewertung vergangener und zukünftiger Earnings. Selbst unter optimistischen Annahmen - basierend auf den voraussichtlichen Betriebsgewinnen - lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zu Beginn von Trumps erster Amtszeit bei 18. Heute beträgt das optimistischste Bewertungsmaß 24,5 und bewegt sich damit auf einem der höchsten Niveaus seit 1985.
Dieser Hintergrund ist entscheidend für die Diskussion über das Marktrisiko, das sich aus möglichen zukünftigen Zöllen ergibt.
Die unmittelbare Auswirkung wird sich vor allem in den Unternehmensgewinnen zeigen, da importabhängige Firmen mit steigenden Kosten konfrontiert sind. Dieser Punkt sollte nicht unterschätzt werden: Aktuell stammen 41 % der Unternehmensgewinne aus dem Export von Waren und Dienstleistungen. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, diese höheren Kosten über Preiserhöhungen an die Verbraucher weiterzugeben, begrenzt. Bereits in der ersten Phase der Zollmaßnahmen war die Inflation nicht so stark ausgeprägt wie befürchtet. Allerdings besteht nun das Risiko, dass sich die Zölle in einem hochzins- und inflationssensiblen Umfeld stärker auf die Verbrauchernachfrage auswirken - ein bedeutender Unterschied zu Trumps erster Amtszeit. Sollten Unternehmen die zusätzlichen Kosten nicht vollständig ausgleichen können, könnte dies ihre Gewinne spürbar belasten.
Ein Blick auf Trumps erste Amtszeit zeigt, dass die 3-Monats-Veränderungsrate der Unternehmensgewinne darauf hindeutet, dass Firmen die Zölle nur begrenzt an die Verbraucher weitergeben konnten. Das war ein Faktor für den Rückgang der Inflation - ein Punkt, der die pessimistischeren Prognosen zumindest relativiert.
Da sowohl die Bewertungen als auch die Gewinnerwartungen derzeit auf einem hohen Niveau liegen, könnten neue Zölle eine größere Enttäuschung an den Märkten auslösen. Auch wenn sie in der Vergangenheit nicht zu Inflation oder Stagflation geführt haben, waren sie doch mit erhöhter Volatilität und geringeren Marktrenditen verbunden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Muster erneut zeigen, ist durchaus gegeben.
Fazit
Die Beziehung zwischen Zöllen und dem Aktienmarkt ist historisch kaum erforscht. Deshalb ist es umso wichtiger, sich nicht von mediengesteuerten Darstellungen leiten zu lassen, sondern den Fokus auf das eigene Portfolio-Management zu richten. Wie wir bereits mehrfach betont haben: Schlagzeilen in den Medien liegen oft daneben.
"Das bedeutet nicht, dass sich die Lage nicht verändern kann. Doch sich bei Anlageentscheidungen von medialen Schlagzeilen beeinflussen zu lassen, hat sich wiederholt als wenig vorteilhaft erwiesen. Falls Sie die jüngste Marktvolatilität belastet und Sie das Bedürfnis verspüren, ‚etwas tun zu müssen‘, sollten Sie nur in kleinen, wohlüberlegten Schritten handeln."
Dazu einige sinnvolle Maßnahmen:
- Stop-Loss-Levels anpassen und auf aktuelle Unterstützungsniveaus abstimmen
- Absicherungen für das Portfolio prüfen, um sich gegen stärkere Marktrückgänge zu schützen
- Gewinne realisieren bei Titeln, die bereits hohe Renditen erzielt haben
- Verlustbringer verkaufen, um schwächere Positionen konsequent aus dem Depot zu nehmen
- Barreserven aufbauen und das Portfolio auf die gewünschte Zielgewichtung ausbalancieren
"Wie wir bereits am Montag gesehen haben: Kleine Schritte zur Risikoreduzierung können helfen, größere Marktereignisse besser zu überstehen. Denken Sie daran: Erfolgreiches Portfoliomanagement ist kein ‚Alles-oder-Nichts‘-Ansatz. Es geht darum, sich strategisch so aufzustellen, dass emotionale Entscheidungen minimiert werden – und Chancen in turbulenten Zeiten erkannt werden."
Aktuell ist das Risiko einer Stagflation nahezu nicht vorhanden, und auch ein sprunghafter Inflationsanstieg erscheint wenig wahrscheinlich.
Wahrscheinlicher ist hingegen eine steigende Marktvolatilität, da sich Gewinnerwartungen und Bewertungen zunehmend der wirtschaftlichen Realität anpassen müssen.
Handeln Sie besonnen!