Frankfurt (Reuters) - Eine Woche nach dem schwarzen Freitag haben die europäischen Börsen den Schock über die Entscheidung der Briten für einen EU-Austritt offenbar verwunden.
Der Dax stieg um ein Prozent auf 9776,12 Punkte, der EuroStoxx50 legte 0,6 Prozent auf 2883,06 Zähler zu. Signale der Bank of England für eine weitere Lockerung der Geldpolitik sowie neue US-Konjunkturdaten stützten die Kurse weltweit. Viele Börsianer warnten jedoch vor zu viel Optimismus, die Nervosität bleibe hoch. "Die Lage in London bleibt undurchsichtig, die Folgen des Brexit weiter noch nicht geklärt", sagte ein Händler. Die Unsicherheit lasse sich am steigenden Goldpreis ablesen.
Die Industrie in den USA nahm im Juni überraschend viel Schwung auf. Der entsprechende Einkaufsmanager-Index legte auf 53,2 Zähler von 51,3 Punkten zu, wie die Firmenumfrage des Institute for Supply Management (ISM) ergab. Für lange Gesichter sorgte allerdings der überraschend Rückgang der Bauausgaben im Mai.
Das Pfund fiel bis auf 1,3247 Dollar und blieb damit in Sichtweite seines am Montag erreichten 31-Jahres-Tiefs von etwa 1,3120 Dollar. Die Aussagen des britischen Notenbankchefs Mark Carney vom Donnerstag wirkten nach. Er hatte zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Brexit eine mögliche Lockerung der Geldpolitik im Sommer in Aussicht gestellt.
Hingegen beflügelten Carneys Aussagen den Aktienmarkt. Der Londoner "Footsie" kletterte um 1,1 Prozent auf ein Elf-Monats-Hoch von 6577,83 Punkten. Damit notierte er mehr als drei Prozent über dem Niveau vor dem Brexit-Referendum. Der Dax liegt allerdings immer noch 4,6 Prozent unter seinem Vor-Brexit-Niveau vom Donnerstag vor einer Woche.
An der Wall Street notierten der Dow-Jones- und der S&P500-Index zum europäischen Handelsschluss 0,2 Prozent höher. Dabei hielten sich viele Anleger in New York bedeckt, denn ihnen steht mit dem Feiertag am Montag (Independence Day) ein langes Wochenende bevor. "Alle sind schon am Strand", sagte Anlagestratege Brad McMillan vom Handelshaus Commonwealth Financial.
VW AUF DER ÜBERHOLSPUR
Zeitweise sorgte am Rentenmarkt ein Bericht der Agentur Bloomberg für Furore, wonach die EZB wegen Engpässen bei deutschen Bundesanleihen den Kapitalschlüssel für den Anleihe-Aufkauf aufweichen könnte. Insidern zufolge ist das derzeit aber nicht geplant. Die Notenbank kauft Staatsanleihen im Volumen von 80 Milliarden Euro monatlich. Zeitweise waren vor allem südeuropäische Staatsanleihen gefragt. Dagegen tendierten die deutschen Bundesanleihen leichter.
Die Aussicht auf Staatshilfen und die Notenbank-Hoffnungen schoben auch zeitweise Aktien der hoch verschuldeten italienischen Geldhäuser um bis zu sechs Prozent an. Mit dem Nachlassen der Spekulationen drehten sie ins Minus: UniCredit (MI:CRDI) verloren 4,9 Prozent und hielten damit im EuroStoxx die rote Laterne.
Gestiegene Neuwagenverkäufe in Frankreich gaben hingegen den Aktien von europäischen Autobauern einen Schub von durchschnittlich 3,5 Prozent nach oben. Volkswagen (DE:VOWG) lagen trotz eines knapp elfprozentigen Absatz-Einbruchs und der Erwartung auf eine weitere Kostenlawine im Dieselskandal fünf Prozent höher. Auch Peugeot und Renault legten 6,7 und 4,7 Prozent zu. Sie hatten in den vergangenen fünf Handelstagen allerdings auch besonders stark verloren.