- von Victoria Bryan und Alexander Hübner
Frankfurt (Reuters) - Der größte Teil der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin könnte schon bald beim größeren Konkurrenten Lufthansa (DE:LHAG) landen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sprach sich in der "Rheinischen Post" ungewöhnlich deutlich für eine nationale Lösung aus: "Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr", sagte der CSU-Politiker am Donnerstag. "Deswegen ist es dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann." Regionale Monopole dürften dabei keine Rolle spielen. Zwei Insider sagten der Nachrichtenagentur Reuters, Lufthansa wolle bis zu 90 der 140 Maschinen übernehmen, darunter die Tochter Niki. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" könnte die Zerschlagung schon kommende Woche über die Bühne gehen.
Auch die Bundesregierung macht Druck, schnell zu Ergebnissen zu kommen: "Alle Beteiligten sind jetzt dazu aufgerufen, zügig, aber gewissenhaft zu verhandeln", sagte Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig der Nachrichtenagentur Reuters. Der 150 Millionen Euro schwere Überbrückungskredit der Regierung gebe Air Berlin die nötige Luft, bis eine Übernahme in trockenen Tüchern sei. Machnig geht davon aus, dass der Kredit - der als staatliche Beihilfe gilt - und der Verkauf von Air Berlin die Zustimmung der Wettbewerbshüter bei der EU-Kommission bekämen. Je größer die Teile sind, in die die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft zerschlagen wird, desto größer ist die Chance, dass sich Brüssel für zuständig erklärt und die Entscheidung nicht dem Bundeskartellamt überlässt.
Laut "Süddeutscher Zeitung" soll der Löwenanteil an die Lufthansa gehen. Vorstandschef Carsten Spohr wolle "im Idealfall rund 90 Flugzeuge der Air Berlin übernehmen und unter der Marke Eurowings weiterbetreiben." Dazu zählten auch die 38 Maschinen, die sie schon jetzt samt der Besatzungen von Air Berlin gemietet hat. "Das sind Vorstellungen, mit denen die Lufthansa in die Gespräche geht", bestätigte ein Insider. Die Verhandlungen mit dem Air-Berlin-Vorstand und mit Sachwalter Lucas Flöther sollen am Wochenende beginnen. "Geht alles glatt, so könnte Air Berlin bereits im September und nicht erst im November zerlegt sein", berichtete die Zeitung.
FLUEGE.DE: VIELE KUNDEN SCHWENKEN AUF ANDERE LINIEN UM
Die Zeit drängt, weil die Buchungen angesichts der Insolvenz einzubrechen drohen. Das Online-Buchungsportal fluege.de hat den Verkauf von Air-Berlin-Flügen vorübergehend gestoppt, will ihn aber spätestens am Freitag wieder aufnehmen. "Wir gehen jedoch davon aus, dass Kunden die Angebote der Konkurrenz aufgrund der Insolvenz aus nachvollziehbaren Gründen bevorzugt in Anspruch nehmen werden", sagte ein Sprecher. Einem Insider zufolge hatte der Lufthansa-Vorstand abgelehnt, Garantien für alle Buchungen von Air Berlin zu übernehmen.
Lufthansa will auch die österreichische Tochter Niki mit 20 Flugzeugen schlucken, wie die Insider sagten. Interesse an Niki werde aber auch der britischen Easyjet (LON:EZJ) nachgesagt, hieß es in der "Süddeutschen Zeitung". Attraktiv seien vor allem die Start- und Landezeiten von Niki am Düsseldorfer Flughafen. Air Berlin besetzt dort ein Drittel der Slots. "Er ist besonders wichtig, weil die Slots dort aus Umweltgründen sehr begrenzt sind und weil er (...) lukrativeres Geschäft für die Lufthansa bietet", sagte Luftfahrtberater John Strickland. Deutschlandweit wickelt die Lufthansa 68 Prozent der Inlandsflüge ab, Air Berlin kommt auf 27 Prozent.
VERDI SETZT BEI ARBEITSPLATZ-FRAGE AUF BUNDESREGIERUNG
Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", er verhandele neben der Lufthansa mit zwei weiteren börsennotierten Rivalen über eine Übernahme von Teilen von Air Berlin selbst und der Österreich-Tochter Niki. Sie seien "in finanzieller Hinsicht seriös, vom Volumen her ausreichend groß, um Air Berlin eine sichere Zukunft zu bieten, und hätten zudem das Interesse, weiterhin vom Standort Deutschland aus zu operieren." Alle 7200 Stellen in Deutschland seien aber nicht zu retten. Die Gewerkschaft Verdi macht sich große Sorgen um die 1000 Mitarbeiter in der Verwaltung und 850 in der Technik. Die Bundesregierung müsse Druck auf die Verhandlungspartner ausüben. Die potenziellen Käufer sollten "Beschäftigte von Air Berlin zu fairen Konditionen übernehmen", forderte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle, die auch im Ausichtsrat von Lufthansa sitzt.
Zum Verkauf stehen vor allem Start- und Landerechte (Slots). Sie standen Ende 2016 noch mit 80 Millionen Euro in der Bilanz von Air Berlin. Aus dem Erlös soll der Massekredit der Staatsbank KfW[KFW.Ul] getilgt werden. Seine Flugzeugflotte hat Air Berlin nur geleast. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit dem Verkauf von Geschäfteinheiten und den damit verbundenen Start- und Landerechten Erlöse in einem Umfang erzielen werden, der über der gewährten Finanzhilfe liegt", sagte Winkelmann.