Berlin (Reuters) - Die SPD will kleine und mittlere Einkommen sowie Familien um jährlich 15 Milliarden Euro entlasten, Besserverdienende aber stärker zur Kasse bitten.
SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz kündigte am Montag in Berlin die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für Einkommen bis 52.000 Euro, einen höheren Spitzensteuersatz sowie eine höhere Reichensteuer an. "Wir haben solide gerechnet und versprechen nichts, was wir nicht halten können", sagte Schulz. Ein Wiedereinführung der Vermögensteuer sieht sein Konzept nicht vor. Die SPD-Nachwuchsorganisation Jusos erklärte daraufhin: "Die Vermögensteuer ist für uns nicht vom Tisch."
Der in Umfragen deutlich zurückgefallene Kanzlerkandidat stellte für die nächste Wahlperiode zugleich Investitionen von 30 Milliarden Euro etwa in Schulen und das Verkehrsnetz sowie kostenlose Kita-Plätze in Aussicht. Dies könne aus den Rücklagen des Bundeshaushalts und kommenden Überschüssen finanziert werden.
Stärker als bisher belastet würden laut einer SPD-Grafik zu versteuernde Einkommen ab etwa 60.000 Euro. Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 45 Prozent steigen, aber erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 76.200 Euro statt bisher rund 54.000 Euro jährlich greifen. Während kleine und mittlere Einkommen dadurch laut SPD etwa um 1,8 Milliarden Euro entlastet würden, müssten Besserverdienende mehr bezahlen. Die Reichensteuer ab 250.000 Euro stiege von 45 auf 48 Prozent.
SCHULZ: KONZEPT "AUCH GUT FÜR EUROPA"
Das Steuerkonzept war der letzte große Baustein für das Regierungsprogramm, das ein Bundesparteitag am kommenden Sonntag in Dortmund verabschieden soll. Dafür liegen mehrere Anträge der Basis vor, die Vermögensteuer wiedereinzuführen. Einer der Hauptbefürworter waren bisher die Jusos. Sie wollen es aber offenbar nicht zur Machtprobe mit Schulz kommen lassen. Juso-Chefin Johanna Uekermann sprach von einem "guten Konzept für eine gerechte Steuerpolitik". Die Forderung nach einer Wiedereinführung der Vermögensteuer stufte sie auf einen Prüfauftrag herunter: Eine SPD in Regierungsverantwortung müsse "die Einführung einer Vermögensteuer ernsthaft prüfen".
Schulz äußerte die Erwartung, "dass das Konzept von meiner Partei auch als Grundlage für das Wahlprogramm akzeptiert wird". Die Vermögensteuer sei ein Programmbestandteil der SPD. Er habe jedoch als Kanzlerkandidat und SPD-Chef Vorschläge für die Bundestagwahl vorgelegt: "Das ist ein Konzept für mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland." Damit werde die Binnenkonjunktur durch mehr Geld für den Konsum gestärkt, so dass sich laut Schulz die im Ausland kritisierten hohen Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands verringerten. Das SPD-Konzept sei damit "auch gut für Europa".
ENTLASTUNG BEI SOZIALBEITRÄGEN
Schulz stellte das Konzept gemeinsam mit seinen Stellvertretern Olaf Scholz und Thorsten Schäfer-Gümbel vor. Bei der Entlastung von jährlich 15 Milliarden Euro handele es sich nur um steuerliche Entlastungen, unterstrich Schäfer-Gümbel. Hinzu kämen Erleichterungen etwa durch kostenlose Kita-Plätze und die Rückkehr zur hälftigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Ab dem Jahr 2020 will die SPD den Solidaritätszuschlag für Einkommen bis 52.000 Euro fallenlassen. Dies soll kleine und mittlere Einkommen um zehn Milliarden Euro entlasten. Für höhere Einkommen soll der Zuschlag in Höhe von 5,5 Prozent der Einkommensteuer vorerst weiter erhoben, aber stufenweise verringert werden. "Der Soli muss abgeschafft werden", sagte Scholz. Das habe das Bundesverfassungsgericht klargemacht.
Geringverdiener bis zu einem Monatseinkommen von 1300 Euro sollen zudem bei den Sozialbeiträgen entlastet werden. Durch Steuerzuschüsse an die Sozialkassen sollen sie aber keine Einbußen bei ihren Rentenansprüchen haben. Die Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge soll abgeschafft werden, so dass für Zinsen die Höhe des Einkommensteuersatzes gelten würde. Eine "umfassende Erbschaftsteuerreform mit weniger Ausnahmen" soll sicherstellen, dass dort "mehr Gerechtigkeit realisiert wird".