Du hast im Lotto gewonnen und fragst dich jetzt, wie du deinen Zufallsgewinn am besten in einen ETF investierst? Dein verschollener Vetter zehnten Grades hat dich in seinem Testament bedacht und nun fragst du dich, wie du deinen spontanen Reichtum in einen ETF verschieben und für dich arbeiten lassen kannst?
Auf den ersten Blick scheint die Antwort trivial: ETF auswählen, den Kaufprozess initiieren und die erworbenen Anteile im Depot bewundern – fertig ist die Investition!
Aber was ist, wenn der ETF deiner Wahl gerade jetzt anfängt zu schwächeln und dich über Jahre auf Buchverlusten sitzen lässt? Gerade bei großen Summen können rote Zahlen im Depot den unbedarften Erstkäufer leicht in chronische Panik versetzen. Wer sich ein Leben in den roten Zahlen ersparen möchte, sollte sich die folgenden Gedanken zu Herzen nehmen.
Der ETF – dein bester Mitarbeiter Was ist ein ETF? Für die einen ist es schlicht und einfach ein börsengehandelter Investmentfonds. Also ein Finanzprodukt, das über eine Börse gekauft oder verkauft werden kann. So wie Thunfisch, venezianische Druckerzeugnisse aus dem 17. Jahrhundert oder fast jedes andere Produkt auch.
Für mich ist ein ETF allerdings etwas anderes. Denn als ETF-Investor sehe ich mich in erster Linie als Unternehmer – und meine ETFs sind meine Angestellten.
Vom Tellerwäscher zum Millionär Nun ist nicht jeder neue Mitarbeiter vom Fleck weg zu übermenschlichen Höchstleistung fähig. Auch beim ETF der Wahl läuft nicht immer alles glatt, ganz egal, was der Prospekt verspricht. Kaum ist der Wunsch-ETF im Depot, geht es oft erst mal direkt abwärts ins Tal der roten Minuszeichen.
Daher habe ich es mir angewöhnt, neue ETFs schrittweise zu befördern, anstatt alles auf eine Karte zu setzen. Oder, anders ausgedrückt: Ich investiere zu Anfang niemals 100 % der Zielsumme.
Stattdessen verordne ich meinem Wunsch-ETF erst mal ein Kennenlernpraktikum in meinem Depot und verwende dazu maximal 10 % der Zielsumme – ganz gleich, wie sehr der Markt nach mehr bettelt.
Wenn der neue Praktikant einen guten Eindruck macht, folgt exakt einen Monat nach dem Erstkontakt der Aufstieg zum Junior-Mitarbeiter. Damit wären dann weitere 10 % investiert.
Nur die Besten dürfen bleiben Unter Softwareentwicklern kursiert die Weisheit, dass es keinen Unterschied macht, ob man einem verunglückten Projekt mehr Personal zuteilt oder nicht. Intuitiv ist das nicht – wahr ist es (meistens) trotzdem.
Mit meinem Depot halte ich es ähnlich. Hier sind meine persönlichen ETF-Ritter der Tafelrunde versammelt. Die Besten der Besten!
Das macht nicht jeder so. Oft lese ich Empfehlungen, die unzählige Nischen-ETFs zu einem Konglomerat des Grauens zusammenschustern. Oh weh!
Eigentlich klingt die Idee logisch. Wer alle ETFs dieser Welt kauft, liegt mit irgendeinem zu jeder Zeit richtig. Aus unternehmerischer Sicht sehe ich allerdings wenig Sinn darin, mir auf einen Schlag unzählige Praktikanten in den Laden zu holen. Ich setze lieber auf wenige, handverlesene Mitarbeiter.
Reklamation leicht gemacht Ob Aktien oder ETFs: Wer von der Sparstrumpf- in die Investorenwelt wechselt, liegt mit den ersten Käufen gerne mal daneben. Das ist aus meiner Sicht absolut in Ordnung. Sofern man nicht 100 % seiner Möglichkeiten auf einmal verspielt.
Wer sich hingegen – wie beschrieben – schrittweise an einen ETF herantastet, kann im Zweifel die Notbremse ziehen und neu anfangen, ohne gleich alles zu riskieren. Niemand ist perfekt – Strategien, die diese Wahrheit nicht berücksichtigen, sind aus meiner Sicht immer zum Scheitern verurteilt.
Es ist schwieriger, als es aussieht, aber leichter, als es erzählt wird Das klingt doch alles ziemlich einfach, oder? Aber Vorsicht! Sich schrittweise in einen Markt hineinzukaufen, kann nachhaltig süchtig machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es viele gestandene Investoren mit Sportwagen, Weinfässern oder Unterhosen nicht viel anders machen.
Aber es kann auch einige Nerven kosten. Von Zeit zu Zeit wirst du dein neues Unternehmen, deine unfähigen Praktikanten und die ganze Welt verfluchen. Wohl wissend, dass die Inflation unaufhaltsam an deinem Berg Bargeld knabbert.
Liegen die Nerven blank, ist es zum Panikkauf nicht mehr weit. Irgendwann ist alles besser, als in dieser Zwischenwelt zwischen Depot und Tagesgeldkonto festzustecken.
Besser, du gewöhnst dich an diesen Zustand. Denn eine Bargeldquote von 30 % würde ich trotz aller Inflationswarnungen immer griffbereit haben wollen. Früher oder später landet jeder ETF auf dem Flohmarkt – und dann ist es vorbei mit den Praktika.
Motley Fool Deutschland 2019