(neu: Hintergrund, vzbv, KBA)
BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Die milliardenteure Diesel-Affäre bei Europas größtem Autobauer Volkswagen (XETRA:VOW3) weitet sich abermals aus: Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA hat der Konzern auch in Autos mit 3,0-Liter-Dieselmotoren eine Manipulations-Software eingesetzt. "VW (XETRA:VOW3) hat einmal mehr seine Verpflichtungen missachtet, sich an die Gesetze zu halten, welche saubere Luft für alle Amerikaner sichern", sagte EPA-Vertreterin Cynthia Giles der Mitteilung zufolge. "Alle Hersteller sollten nach den selben Regeln spielen."
Im September hatte das Unternehmen eingestanden, bei Abgas-Tests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben. Die Software schaltet in Testsituation in einen Sparmodus. Bislang drehte sich die Abgas-Affäre lediglich um Motoren bis zu 2,0 Liter Hubraum. Ein Volkswagen-Sprecher wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. Ein Porsche-Sprecher sagte, man habe die Vorwürfe zur Kenntnis genommen und werde sie nun prüfen.
Nach Angaben der Behörde wurden in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW, Audi (XETRA:NSUG) und Porsche der Modelljahrgänge 2014 bis 2016 Drei-Liter-Diesel-Motoren verbaut, die bei Stickoxid-Emissionen die in den USA erlaubten Grenzwerte um das bis zu Neunfache überträfen. Im einzelnen handele es sich um Fahrzeuge der Typen VW Touareg (2014), Porsche (DE:PSHG_p) Cayenne (2015) sowie die Audi-Modelle A6 Quattro, A7 Quattro, A8, A8L, and Q5 (2016).
BISLANG UNBEKANNTE ZAHL AUS DEM MODELLJAHRGANG 2016 BETROFFEN
Wieviele Fahrzeuge in den USA und weltweit davon betroffen sind, ist bislang nicht bekannt: Die neuerliche Rüge der EPA betreffe ungefähr 10 000 Dieselfahrzeuge, die seit dem Modelljahr 2014 in den USA verkauft worden seien. Zusätzlich sei eine bislang unbekannte Zahl aus dem Modelljahrgang 2016 betroffen.
Schon im September war die EPA mit dem Thema an die Öffentlichkeit gegangen. VW hatte die Vorwürfe daraufhin eingeräumt. Seitdem steckt der Konzern in einer Krise. Der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn räumte wie zahlreiche andere Manager seinen Posten. Der Aktienkurs war eingebrochen. Im dritten Quartal musste der VW-Konzern wegen des Diesel-Skandals erstmals seit Jahren wieder einen Verlust ausweisen. Das Drama beendete abrupt eine jahrelange und zuletzt immer rasantere Rekordfahrt - und die Verluste zwingen die Wolfsburger auch, ihre Jahresziele zu kappen.
VERBRAUCHERVERBAND WARNT VW-KUNDEN VOR MÖGLICHEN KOSTEN
Weltweit ging es bislang um etwa 11 Millionen Autos der Marken VW-Pkw, VW-Nutzfahrzeuge, Audi, Seat und Skoda. Allein in Deutschland müssen 2,4 Millionen Diesel ab Januar 2016 in die Werkstatt. EU-weit sind 8,5 Millionen Fahrzeuge betroffen. Neben Ausgaben für die Rückrufe drohen Kosten etwa für Klagen und Schadenersatz. Laut dem Konzern steht der Zeitpunkt für weitere Rückstellungen noch nicht fest.
Der Abgas-Skandal droht den betroffenen VW-Kunden nach Einschätzung von Verbraucherschützern direkt ans Portemonnaie zu gehen. So besagt ein Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), dass Volkswagen nach aktueller Rechtslage nicht verpflichtet ist, sämtliche Kosten für die Folgen der bevorstehenden Rückrufe zu tragen. Dazu zählten etwa ein Ersatzwagen während der Reparatur, Verdienstausfall oder Mängel im Anschluss an die Nachbesserungen in den Werkstätten.
RÜCKRUF BEGINNT IM JANUAR
"Verbraucher dürfen nicht auf dem Schaden sitzen bleiben, den ihnen Volkswagen beschert hat", forderte der Verband. Kritisch ist es laut dem Gutachten auch, dass bereits nach zwei Jahren Gewährleistungsansprüche gegen Autohändler verjährten. Diese Frist ist für viele betroffene VW-Kunden schon abgelaufen.
Die Rückrufaktion für 2,4 Millionen Diesel in Deutschland beginnt im Januar. Das KBA habe den geforderten Maßnahmen- und Zeitplan nun bewertet und für tragfähig erachtet, sagte ein Behördensprecher. Los gehen könne es mit den Zwei-Liter-Fahrzeugen.