Von Robert Zach
Investing.com - Die Händler am Ölmarkt haben am Montag nach der Rallye in der Vorwoche erst einmal Luft geholt. Die US-Ölsorte West Texas Intermediate (WTI Öl) zur Lieferung im Juni (CLM20) fiel im europäischen Handel um 2,99 Prozent auf 24 Dollar. Letzte Woche war US-Öl etwas mehr als 25 Prozent gestiegen. Für ein Fass der Nordseesorte Brent (CBN20) ging es um 3 Prozent auf 30,05 Dollar nach unten. Zwar mag die Nachfrage- und Angebotsseite positive Signale für den Ölpreis senden, aber das Risiko vor einer zweiten Coronavirus-Infektionswelle bleibt hoch, so ein Ölhändler. "Die Unsicherheit ist nach der letzten Woche zwar zurückgegangen, entspannen können sich die Investoren aber nicht."
Während die Infektionszahlen in vielen Ländern deutlich zurückgehen und damit einhergehend die Corona-Regeln zunehmend gelockert werden, besteht das Risiko, dass sich eine zweite Infektionswelle einstellt, die die Weltwirtschaft erneut lahmlegen könnte. China hat wegen einer Zunahme der Coronavirus-Infektionen eine Stadt nahe der nordkoreanischen Grenze abgeriegelt und in Deutschland liegt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) die Reproduktionsrate (R) den zweiten Tag in Folge über dem kritischen Wert von "1". Und in den USA wurde das Coronavirus bei mindestens zwei Personen mit Zugang zum Weißen Haus nachgewiesen.
Allerdings mehren sich die Anzeichen dafür, dass sich die Menge des Angebots der Nachfragemenge annähert. In China sind die Öllagerbestände in den letzten Wochen von einem Rekordhoch zurückgegangen, während die Hedgefonds ihre Wetten auf steigende Preise bei der US-Sorte WTI erhöhten.
Die chinesischen Rohöllagerbestände gingen im April um 9,5 Millionen Barrel zurück, nachdem sie im ersten Quartal um 161 Millionen Barrel gestiegen waren, so das Beratungsunternehmen SIA Energy. Unabhängige Raffinerien in der Provinz Shandong arbeiten in Rekordtempo, während der staatliche Riese PetroChina Co. (NYSE:PTR) nach eigenen Angaben die Treibstoffproduktion erhöht hat.
Am Freitag teilte der US-Ölfeldausrüster Baker Hughes mit, dass die Zahl der aktiven Öl-Bohrlöcher in der Woche bis zum 8. Mai mit 292 auf den tiefsten Stand seit Ende August gefallen sind. Vor einem Jahr lag die Zahl noch bei 807.
"Dies ist ein beispielloser Rückgang", sagte der Vorstandsvorsitzende von EOG Resources Inc (NYSE:EOG), Bill Thomas, während einer Telefonkonferenz mit Analysten, wie Bloomberg berichtete. "Die Ölförderung in den USA ist stark zurückgegangen, und es könnte Jahre dauern, bis sich die heimische Produktion wieder erholt. Wir glauben, dass das langjährige und produktive Ölförderwachstum durch US-Schiefer möglicherweise für immer verändert worden ist".
Der historische Rückgang der Bohraktivität werde das der Branche zur Verfügung stehende Kapital drastisch reduzieren, sagte EOG Resources, das gemessen am Marktwert das zweitgrößte unabhängige Erdöl-Explorationsunternehmen der Welt ist.
Die wöchentlichen Zahlen zur Bohraktivität von Baker Hughes weisen in der Regel eine enge Korrelation mit der US-Ölproduktion auf. In den USA ist die Ölförderung seit Mitte März um 1,2 Millionen Barrel oder 9,2 Prozent zurückgegangen.
Derweil ist die Zahl der Frac-Crews laut dem Branchendienst Primary Vision, dessen Daten bis auf Anfang 2014 zurückreichen, auf ein neues Rekordtief von 47 gefallen.
Mitglieder einer Frac-Crew bereiten die Ausrüstung auf dem Bohrstandort vor dem Einsatz vor, mischen und pumpen die notwendigen Chemikalien und Flüssigkeiten während des Frackings und machen den Bohrplatz nach dem Einsatz wieder fit.
Unterdessen teilten letzte Woche zwei bekannte Schieferölproduzenten mit, dass sie einen Öl-Durchschnittspreis von nur etwa 30 Dollar pro Barrel bräuchten, um ihre gedrosselte Rohölproduktion wieder hochzufahren und neue Bohrlöcher zu erschließen. Konkret handelte es sich dabei um Diamondback Energy Inc (NASDAQ:FANG) und Parsley Energy (NYSE:PE).
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Dass sich die Lage an der Angebotsfront aber weiter entspannt, zeigt auch die Steigung der Terminkurve, die weiter abnimmt. Nach 1,37 Dollar letzte Woche, sank der Spread zwischen Juni und Juli (WTI Öl) auf 1,34 Dollar. Ende April betrug die Differenz noch knapp 7 Dollar. Nimmt die Steigung zu, so ist dies ein Zeichen dafür, dass die Sorge vor einem anhaltenden Überangebot an Öl zunimmt - und umgekehrt.
Da noch immer Millionen von Barrel von Öl auf dem Meer schwimmen - das texanische Unternehmen Hess Corporation (NYSE:HES) hat erst kürzlich drei Supertanker zur Einlagerung von Rohöl aus North Dakota Bakken für Mai bis Juni geordert - bleibt das Thema Überangebot an Öl wohl noch länger ein wichtiger preistreibender Begleiter für Öl.
Im Fokus in dieser Woche - wie üblich - die Rohöllagerbestände in den USA. Am Dienstagabend gibt das API seine erste Schätzung ab. Am Mittwoch veröffentlicht die EIA dann die offiziellen Zahlen. Hier von Relevanz sind die Lagerbestände in Cushing, die laut aktuellen Schätzungen zu 86,5 Prozent gefüllt sind. Damit können noch rund 10,3 Millionen Barrel in Cushing eingelagert werden. Bei einer angenommenen Lagerfüllrate von durchschnittlich 2 Millionen Barrel pro Woche, laufen die Lager gegen Mitte Juni voll. Vor diesem Hintergrund sind weitere Turbulenzen in den kommenden Wochen nicht ausgeschlossen, insbesondere vor dem Rollover in den WTI-Juli-Kontrakt Mitte Mai, wenngleich der abnehmende Spread ein Silberstreif am Horizont darstellt.
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