Berlin, 14. Feb (Reuters) - Bei den Grünen nimmt der Streit über die Flüchtlingspolitik an Schärfe zu. Parteichefin Simone Peter warf ihrem Parteifreund und Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer am Sonntag vor, er spiele "rechten Hetzern" in die Hände. "Verantwortungsvolle Politik kümmert sich um eine humane Flüchtlingsaufnahme und gute Integration und wirbt für die Chancen einer vielfältigen, weltoffenen Gesellschaft", sagte Peter dem "Tagesspiegel" laut Vorabbericht vom Sonntag. "Wer Zäune und Mauern zur Begrenzung der Einwanderung von Flüchtlingen fordert, spielt in erster Linie rechten Hetzern in die Hände." Auch Co-Parteichef Cem Özdemir ging auf Distanz. "Boris Palmer ist ein guter OB in Tübingen, aber in dieser Frage spricht er weder für Landes- noch für Bundespartei", schrieb Özdemir per Twitter.
In einem "Spiegel"-Interview hatte Palmer dafür plädiert, die EU-Außengrenzen mit einem Zaun und bewaffneten Grenzern zu sichern, um mehr Flüchtlinge abzuweisen. "Wenn jeder, der über die Grenze will, an einer Kontrolle vorbei muss, wird sich die Zahl der Flüchtlinge deutlich reduzieren", sagte Palmer. "Es ist möglich, Ordnung herzustellen, ohne zu schießen." Es sei ihm zu einseitig, "nur die Sonnenseiten" der Zuwanderung zu sehen, sagte Palmer: "Wir haben die Probleme lange unterschätzt, wie ich aus meiner praktischen Erfahrung sagen kann."
Palmer hatte in den vergangenen Monaten wiederholt eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms gefordert und damit scharfe Kritik aus der Bundespartei auf sich gezogen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner erklärte auf Twitter zu den Palmer-Äußerungen: "Grüne stemmen sich dem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegen und sollten ihm nicht hinterherlaufen." In Palmers Bundesland Baden-Württemberg kämpfen die Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Landtagswahl am 13. März um ihren Verbleib an der Regierungsmacht.
Im "Spiegel"-Interview warb Palmer dafür, in der Flüchtlingspolitik "zugleich hart und großzügig" zu sein. "Ich will, dass wir so vielen Menschen helfen, wie wir können. Dass wir mehr Flüchtlinge aufnehmen als alle anderen Länder in Europa", sagte der Oberbürgermeister, dessen Stadt nach seinen Worten 1300 Flüchtlinge untergebracht hat. In der Bevölkerung schwinde die Akzeptanz von Tag zu Tag: "Spätestens seit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln kommen selbst grüne Professoren zu mir, die sagen: Ich habe zwei blonde Töchter, ich sorge mich, wenn jetzt 60 arabische Männer in 200 Meter Entfernung wohnen."