Von Alessandro Albano
Investing.com – In der vergangenen Woche mussten digitale Vermögenswerte ein wahres Erdbeben über sich ergehen lassen, denn der Kollaps des UST/USD-Stablecoin schädigte das Vertrauen in die gesamte Branche.
Nicht alle Stablecoins sind gleich
„Nicht alle Stablecoins sind gleich: Die Bezeichnung wird im Allgemeinen zu großzügig ausgelegt“, schreibt Benjamin Dean, Direktor für digitale Vermögenswerte bei WisdomTree Investments. „Einige Stablecoins werden über eine regulierte und zentralisierte Treuhandvereinbarung gesichert und verwaltet (z. B. USDC von Circle). Einige sind besonders gesichert, werden aber durch einen Algorithmus verwaltet (z. B. Markers DAI). Dann gibt es noch Tether, das zentral verwaltet wird und auf großen Mengen an Commerical Papern beruht, deren Zusammensetzung im Detail nicht bekannt ist.“
„ Der UST-Stablecoin ist so konzipiert, dass er eine 1:1-Anbindung an den US-Dollar aufrechterhält.“ Dies geschieht, wie der Experte erklärt, mithilfe eines Algorithmus. Der ist mit der Terra-eigenen Kryptowährung LUNA verknüpft, die auf der Grundlage des Wertes von UST schwankt. In den letzten Wochen hat die Gesellschaft, welche die LUNA verwaltet, die sogenannte Luna Foundation Guard (LFG), damit begonnen, Bitcoins zu erwerben, um eine Reserve zu bilden. Diese sollte im Bedarfsfall für die Stabilität des UST sorgen.
Ein schutzloser algorithmischer Stablecoin kann aus einer Vielzahl von Gründen scheitern. Einer davon ist der „Fluch des Kupons“. Das heißt, wie Dean ausführlich beschreibt, „eine Situation, in der es nicht genügend Nachfrage nach LUNA gibt, um das mit der UST-Liquidation entstehende Angebot aufzufangen. Das setzt eine Kettenreaktion in Gang, wie wir sie letzte Woche gesehen haben.“
Die Besonderheit dieses Vorfalls ist das Volumen und die Größe des Ökosystems von Terra/Luna. Auf ihrem Höhepunkt Anfang April dieses Jahres wurde die Kryptowährung LUNA mit umgerechnet etwa 41 Milliarden Dollar bewertet, während sie am 12. Mai weniger als 300 Millionen wert war. Am 12. Mai 2022 kam es sogar zur Abschaltung der Blockchain.
Wachsende Ökosysteme
„Im Vorfeld der Ereignisse der letzten Woche fiel auf, dass es einen Ansturm von Investitionen in neue dezentrale Protokolle und Anwendungen im Zeitraum 2020–2021 gegeben hat. Im Jahr 2021 wurde mehr Risikokapital in diesen Bereich investiert als in den vorangegangenen sechs Jahren insgesamt. Diese neu entwickelten Technologien und Unternehmen wurden bisher noch nie einem wirklich extremen Stresstest unterzogen: Die potenziellen Renditen, Unsicherheiten und Investitionsmöglichkeiten unterscheiden sich stark von denen etablierterer Netzwerke wie Bitcoin und Ethereum“, so der Experte von WisdomTree.
In der 13-jährigen Geschichte des Ökosystems digitaler Vermögenswerte gab es unzählige technische und wirtschaftliche Misserfolge. Vor dem Terra/LUNA-Ereignis, so erinnert sich Dean, „waren die auffälligsten Ereignisse vielleicht der DAO-Hack im Wert von 150 Millionen Dollar, der zu einem Hard Fork von Ethereum führte, und der 2,4 Milliarden Dollar Kollaps von Bitconnnect.
Beide sind nicht annähernd mit dem Ausmaß des Zusammenbruchs von Terra/LUNA vergleichbar, denn die Ökosysteme digitaler Vermögenswerte waren noch nie so groß. Mittlerweile sind die Auswirkungen solcher Vorfälle umfangreicher, weil die Ökosysteme ganz andere sind als noch vor drei Jahren“, sagt Dean.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zukunft zwei große Trends bringen wird. „Der Erste wird sein, dass eine Reihe von Projekten aus technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen, regulatorischen oder anderen Gründen scheitert. Der andere Trend betrifft eine Gruppe von Akteuren, die skalierbare und nachhaltige Geschäftsmodelle entwickelt haben. Sie werden sich mit anderen Wettbewerbern messen müssen. In den nächsten zwei Jahren werden sich in diesem Sektor die größten Chancen ergeben“, betont der US-Fondsmanager abschließend.