Börsen-Zeitung: Ungeheurer Trug, Kommentar zur EZB von Stephan Balling
Frankfurt (ots) - Zu beneiden ist Mario Draghi nicht. Der
Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sein Haus in eine
Sackgasse manövriert. 'Dankt Gott mit jedem Morgen, daß ihr nicht
braucht fürs Röm'sche Reich zu sorgen! Ich halt es wenigstens für
reichlichen Gewinn, daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin', ruft der
Brandner in Goethes Faust. Noch undankbarer aber als der Job des
Kanzlers ist derzeit der des Notenbankchefs.
Die EZB hat durch ihre Liquiditätsflut Eurolands Banken ein
wunderbares Geschäftsmodell eröffnet: Kaufe Staatsanleihen von
Krisenländern und finanziere dies zum Niedrigstzins bei der
Notenbank. Wollte die EZB diesen Carry Trade beenden, hätte das
womöglich heftige Folgen: Die Refinanzierung der Krisenländer Italien
und vor allem Spanien könnte wieder schwerer werden, es droht ein
Marktkollaps wie im Sommer 2011 - mit unabsehbaren Folgen für das
Finanzsystem. Doch gleichzeitig verhindert die ultraexpansive
Geldpolitik nötige Strukturänderungen im Bankensektor und birgt
Risiken für den Steuerzahler und die Preisstabilität.
Die Ursachen für diese Zwickmühle liegen in der EZB-Politik nach
Draghis Amtsübernahme im Herbst 2011. Die Kombination aus zwei
Leitzinssenkungen, der abermaligen Lockerung des Sicherheitenrahmens,
den intensivierten Anleihekäufen sowie den Dreijahreskrediten als
Reaktion auf zugegeben schwache monetäre Daten waren zu viel des
Guten.
Dabei irrt Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi, wenn
er den Deutschen vorwirft, zu viel Angst zu haben, sich zu große
Sorgen um die Bilanz der Notenbank zu machen. Gerade die Bundesbank
hat im Zuge der Lehman-Pleite erfahren, dass zu lasche Anforderungen
an die Sicherheiten bei ihren Repogeschäften mit den Banken riskant
sind. Seit dreieinhalb Jahren sitzen die deutschen Währungshüter auf
dem von der deutschen Lehman-Tochter hinterlegten Finanzprodukt
'Excalibur', bilanzierter Wert: 1,3 Mrd. Euro. Eigentlich sollte
dieser Posten bis Ende Februar 2012 höchstens mit einem 'kleinen
Verlust' losgeschlagen werden. Doch bisher kann die Bundesbank keinen
Vollzug melden, gibt auf Nachfrage keine Stellungnahme ab. Gibt es
also doch größere Probleme als noch im Januar offiziell eingeräumt?
Der Weg, mithilfe der Notenpresse die Probleme zu lösen, erweist
sich wieder mal als falsch. 'Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug',
antwortet der Kaiser dem Faust, als dieser die Wirtschaft im Reich
mithilfe der Notenpresse stimulieren will. Das mag man auch Draghi
zurufen, wenn er heute nach der EZB-Ratssitzung wieder vor die Presse
tritt.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Börsen-Zeitung
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Telefon: 069--2732-0
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Frankfurt (ots) - Zu beneiden ist Mario Draghi nicht. Der
Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sein Haus in eine
Sackgasse manövriert. 'Dankt Gott mit jedem Morgen, daß ihr nicht
braucht fürs Röm'sche Reich zu sorgen! Ich halt es wenigstens für
reichlichen Gewinn, daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin', ruft der
Brandner in Goethes Faust. Noch undankbarer aber als der Job des
Kanzlers ist derzeit der des Notenbankchefs.
Die EZB hat durch ihre Liquiditätsflut Eurolands Banken ein
wunderbares Geschäftsmodell eröffnet: Kaufe Staatsanleihen von
Krisenländern und finanziere dies zum Niedrigstzins bei der
Notenbank. Wollte die EZB diesen Carry Trade beenden, hätte das
womöglich heftige Folgen: Die Refinanzierung der Krisenländer Italien
und vor allem Spanien könnte wieder schwerer werden, es droht ein
Marktkollaps wie im Sommer 2011 - mit unabsehbaren Folgen für das
Finanzsystem. Doch gleichzeitig verhindert die ultraexpansive
Geldpolitik nötige Strukturänderungen im Bankensektor und birgt
Risiken für den Steuerzahler und die Preisstabilität.
Die Ursachen für diese Zwickmühle liegen in der EZB-Politik nach
Draghis Amtsübernahme im Herbst 2011. Die Kombination aus zwei
Leitzinssenkungen, der abermaligen Lockerung des Sicherheitenrahmens,
den intensivierten Anleihekäufen sowie den Dreijahreskrediten als
Reaktion auf zugegeben schwache monetäre Daten waren zu viel des
Guten.
Dabei irrt Ex-EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi, wenn
er den Deutschen vorwirft, zu viel Angst zu haben, sich zu große
Sorgen um die Bilanz der Notenbank zu machen. Gerade die Bundesbank
hat im Zuge der Lehman-Pleite erfahren, dass zu lasche Anforderungen
an die Sicherheiten bei ihren Repogeschäften mit den Banken riskant
sind. Seit dreieinhalb Jahren sitzen die deutschen Währungshüter auf
dem von der deutschen Lehman-Tochter hinterlegten Finanzprodukt
'Excalibur', bilanzierter Wert: 1,3 Mrd. Euro. Eigentlich sollte
dieser Posten bis Ende Februar 2012 höchstens mit einem 'kleinen
Verlust' losgeschlagen werden. Doch bisher kann die Bundesbank keinen
Vollzug melden, gibt auf Nachfrage keine Stellungnahme ab. Gibt es
also doch größere Probleme als noch im Januar offiziell eingeräumt?
Der Weg, mithilfe der Notenpresse die Probleme zu lösen, erweist
sich wieder mal als falsch. 'Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug',
antwortet der Kaiser dem Faust, als dieser die Wirtschaft im Reich
mithilfe der Notenpresse stimulieren will. Das mag man auch Draghi
zurufen, wenn er heute nach der EZB-Ratssitzung wieder vor die Presse
tritt.
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