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HINTERGRUND-Billige Aktien locken Value-Investoren

Veröffentlicht am 09.09.2011, 15:12
Aktualisiert 09.09.2011, 15:16
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* Kursturbulenzen schaffen Chancen für langfristig orientierte Anlagen

* Kennzahlen geben Auskunft über inneren Wert eines Konzerns

- von Jan Willmroth

Berlin, 09. Sep (Reuters) - Der Aktienmarkt ist derzeit nur etwas für Anleger mit starken Nerven: Gerade hat der Dax den zweitschlechtesten Monat seiner Geschichte hinter sich. Nach einem Minus von fast 25 Prozent erholten sich die Kurse zuletzt zwar ein wenig, doch die Lage bleibt angespannt. Wenn so viel Geld aus dem Aktienmarkt fließt und die Kurse derart abstürzen, haben Value-Investoren Festzeit. Dax-Unternehmen sind derzeit relativ zu ihren Gewinnen so günstig bewertet wie seit fast drei Jahren nicht.

"Vieles ist gerade grotesk billig", sagt der Investment-Experte und Fondsmanager Max Otte. Wer seine Kapitalanlage am Wert des ausgewählten Objekts orientiert, steigt am liebsten dann ein, wenn sich alle anderen aus dem Markt zurückziehen. Er interessiert sich für den langfristigen Geschäftserfolg, nicht für den Profit aus kurzfristigen Marktbewegungen. Kursturbulenzen, so die Annahme, erzeugen mitunter einen Aktienpreis, der unter dem tatsächlichen Firmenwert liegt. Der Grundgedanke ist: Der Markt irrt sich mit diesem Wert kurzfristig, wird gute Geschäfte aber irgendwann wieder mit höheren Preisen belohnen.

"Value Investing" ist allerdings eine in die Jahre gekommene und im Tagesgeschäft wenig beachtete Anlagephilosophie. Als ihr geistiger Vater gilt der US-Amerikaner Benjamin Graham, einst ein Lehrer von Investment-Legende Warren Buffett. Wer sein Geld innerhalb eines Jahres verdoppeln will, ist bei der Strategie an der falschen Adresse. Erst einmal gilt es, die Inflation zu schlagen und mehr zu verdienen, als mit seinem auf Sparbüchern und in Lebensversicherungen geparkten Geld. Dafür reichen rund fünf Prozent Durchschnittsrendite im Jahr.

ETABLIERTE GESCHÄFTSMODELLE GEFRAGT

Value-Investoren orientieren sich am fundamentalen Wert eines Konzerns, auf den einige Kennzahlen Hinweise geben. So liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis bei Volkswagen derzeit beispielsweise bei 1,05. Der Konzern kostet an der Börse also in etwa so viel wie er Eigenkapital in der Bilanz stehen hat. Liegt das Verhältnis unter Eins, ist das Unternehmen billiger bewertet als sein Eigenkapital. Auskunft gibt auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), bei dem der Marktwert durch den Unternehmensgewinn geteilt wird. Das KGV von Volkswagen liegt - berechnet zum geschätzten Jahresgewinn für 2011 - in etwa bei 7. Ein Ergebnis unter zehn gilt als günstig, alles ab 25 als teuer.

Der langfristige Ertragswert eines Unternehmens wird etwas komplizierter ermittelt: Dabei wird die durchschnittliche Gewinnmarge der vergangenen zehn Jahre oder länger mit dem aktuellen Umsatz eines Unternehmens multipliziert - heraus kommt der sogenannte nachhaltige Gewinn. Er beträgt bei Volkswagen bezogen auf den Jahresumsatz 2010 rund 4,7 Milliarden Euro, im Gegensatz zu den mehr als 7,23 Milliarden an ausgewiesenem Nachsteuergewinn.

Value-Investoren setzen auf etablierte Geschäftsmodelle, die den Konzernen über Jahre ordentliche Gewinne beschert haben. "Aktien kauft man gebraucht", umschreibt Otte diesen konservativen Ansatz. Er warnt daher vor Investments in erneuerbare Energien oder in den aufstrebenden Schwellenländern. Das Geld soll so betrachtet lieber in einen Traditionskonzern wie Siemens als in den Solar-Newcomer Conergy gesteckt werden oder besser in den Branchen-Platzhirsch Microsoft als in das soziale Netzwerk LinkedIn .

BÖRSEN-DICKSCHIFFE LIEGEN UNTER IHREM BUCHWERT

Aktuelle Trends oder der Boom eines Marktsegments interessieren Value-Investoren nicht. Sie fühlen sich von Erfahrungen wie mit der Internetblase Ende der 90er Jahre bestätigt. Im März 2000 notierte der US-Technologieindex Nasdaq bei seinem Allzeithoch von rund 5050 Punkten und rauschte bis Oktober 2002 um mehr als 77 Prozent auf unter 1200 Punkte ab. Heute finden sich auf den Kurszetteln wieder Internet-Konzerne, deren Bewertung alle Dimensionen sprengt. So raste der Kurs von LinkedIn am ersten Handelstag im Mai von 45 auf 122 Dollar - womit das sieben Jahre alte soziale Netzwerk zeitweise mit 7,7 Milliarden Dollar bewertet war.

Dagegen sind Börsen-Dickschiffe wie RWE , E.On oder Allianz derzeit unter ihrem Buchwert zu haben. Die deutschen Energie-Unternehmen sind wegen des Atomausstiegs unter Druck geraten, die Allianz muss dreistellige Millionenbeträge auf Griechenland-Anleihen abschreiben und erwirtschaftet weniger Umsatz als im Vorjahr. Trotz kurzfristiger Belastungen rechnen sich Investoren für solche Unternehmen einen langfristigen Ertragswert aus und dann könnten sich die Aktien besonders lohnen. Warren Buffett hat Ende der 80er Jahre bewiesen, was Value Investment heißen kann: Er steckte rund eine Milliarde Dollar in Coca Cola . Bis 1999 wurden aus dieser Milliarde fast zwölf.

RUHE IST DAS OBERSTE GEBOT

Oft hat es jedoch gute Gründe, wenn Investments unpopulär sind. Nicht immer liegt der Markt falsch, wenn ein Unternehmen unterbewertet ist. So haben viele Anleger schon früh das Vertrauen in den Handyhersteller Nokia verloren, als klar wurde, dass Nokia beim lukrativen Geschäft mit Smartphones Marktanteile an Apple oder Samsung verliert. An diesem Beispiel wird auch deutlich, wie problematisch das Kurs-Gewinn-Verhältnis als Kennzahl ist. Brechen die Gewinne weg wie bei den Finnen, schnellt das KGV nach oben. Obwohl sich der Nokia-Kurs halbiert hat, lag die Kennzahl für den Konzern im Lauf des vergangenen Jahres teilweise über 30. Zugleich bewegt sie sich mit jeder neuen Gewinnschätzung. Wer den inneren Wert eines Unternehmens ausrechnen will, kann sich auf kaum eine Kennzahl verlassen.

Auch wenn die jetzigen Kursstürze nicht so extrem sind wie vor zehn Jahren oder in der Finanzkrise - das oberste Gebot der Value-Investoren heißt: Ruhe bewahren. "An dieser eigentlich banalen Hürde scheitern sogar erfahrene Anleger mit professioneller Begleitung", sagt Otte. Sich von Kursstürzen nicht beirren zu lassen, fällt Aktionären nicht leicht. Dem Value-Investoren kommen Turbulenzen allerdings sehr gelegen. "Volatilität ist gut für den Value-Investor", sagt Otte. Vorausgesetzt, er hat im richtigen Moment Geld zur Verfügung. (redigiert von Angelika Stricker)

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