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Börse Frankfurt-News: "Das Ende einer Ära?" (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 15.05.2014, 16:20

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. Mai 2014. Ist die Kursrallye, die derzeit auf manchen Kapitalmärkten der Schwellen- und Entwicklungsländer stattfindet, fundamental begründet? Oder sollte man ihr lieber nicht trauen?

Könnte es sein, dass wir das Ende einer Ära erleben? Über Jahrzehnte galten Anlagen in Schwellen- und Ent­wicklungsländern als "sichere Bank". Das Wachstum

ist dort nicht nur höher als in den Industriestaaten. Die Perspektiven sind aufgrund der jungen Bevölkerung, des Nachholbedarfs auf den Märkten und in vielen Fällen auch der guten Ausstattung mit Rohstoffen besser. Es gibt zwar mehr Risiken, aber auch mehr Rendite.

Jetzt kommen Zweifel auf. Es begann im letzten Mai, als die amerikanische Notenbank ankündigte, ihre Wertpa­pierkäufe zu verringern. Das führte zu einem Abzug von Kapital aus den Schwellenländern mit negativen Folgen für Zinsen und Wechsel- und Aktienkurse. Anfang die­ses Jahres wiederholte sich das. Manche sahen darin nur eine vorübergehende Störung eines an sich guten Modells. In der Tat gab es in den letzten Monaten wie­der deutliche Aufwärtsentwicklungen zum Beispiel in Brasilien, Argentinien oder der Türkei.

Wenn man sich die längerfristige Entwicklung anschaut, sieht das jedoch etwas anders aus. Die Grafik zeigt das Wirtschaftswachstum der Industrie-, der Schwellen- und Entwicklungsländer in den letzten 35 Jahren. Was weni­ge wissen: Bis zur Jahrtausendwende waren die Raten zwischen den beiden Ländergruppen insgesamt nicht sehr unterschiedlich. Dann setzte sich die Dritte Welt deutlich nach oben ab. Gleichzeitig fielen die Industrie­länder zurück. Das war die Euphorie, als Jim O'Neill von Goldman Sachs das Wort von den "BRIC" (= Brasilien, Russland, Indien, China) erfand und alle Welt dort inves­tierte.

Jetzt geht die Bonanza zu Ende. In den Entwicklungs­ländern verringert sich das Wachstum. In den Industrie­ländern nimmt es zu. Die USA expandieren in diesem Jahr schneller als Brasilien, Deutschland schneller als Russland. Die Raten der Dritten Welt sind zwar immer noch höher, der Abstand wird aber kleiner.

Die Entwicklung ist nicht zufällig. In den Industrieländern wirken sich die Reformen und Strukturbereinigungen nach der großen Finanzkrise aus. Die Wirtschaft dieser Staaten steht heute auf wesentlich gesünderer Basis. In den Entwicklungsländern gab es nach der Krise keinen solchen Erneuerungsschub.

Die Infrastruktur in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas hat sich im Gegenteil weiter verschlech­tert und muss ausgebaut werden. Der Rechtsrahmen der Volkswirtschaften muss verbessert und den sich än­dernden Gegebenheiten angepasst werden. Korruption muss bekämpft werden. Die Bevölkerung fordert in vie­len Staaten eine größere Teilhabe an dem entstandenen Wohlstand.

Hinzu kommen die Verzerrungen durch die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität. Durch die hohen Lohn­steigerungen und durch das Vordringen arbeitssparen­der Technologien werden die Länder vielfach nicht mehr als billige Werkbank der Welt gebraucht. Das export­orientierte Entwicklungsmodell hat ausgedient. Sie müs­sen sich auf die Erschließung der Binnenmärkte konzen­trie­ren. Eine solche Umstrukturierung kostet zunächst Wachstum.

Symptomatisch ist die Verlangsamung der Expansion in China (das ich bei dieser Betrachtung noch zu den Schwellenländern rechne). Es lag vor zehn Jahren noch bei 10 %, zwischenzeitlich sogar noch höher. Jetzt be­trägt es nur noch 7,5 %, Tendenz fallend. In ein paar Jahren wird es bei 5 % liegen. Das wirkt sich nicht nur auf die asiatische Region aus, sondern zum Beispiel auch auf Südamerika (unter anderem Brasilien, Mexiko).

Es zeigt sich das altbekannte Phänomen, dass Wachs­tum, noch dazu starkes Wachstum, strukturelle Verände­rungen mit sich bringt. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Politik und Gesellschaft müssen sich anpassen. Das wurde in den Jahren der großen Dynamik versäumt. Ein drastisches Beispiel ist Indien, das noch vor zwei, drei Jahren als großer Hoffnungsträger galt, jetzt aber weit zurückgefallen ist. All das lässt sich nicht von heute auf morgen richten. Es erfordert erhebliche Anstrengun­gen und Schmerzen.

Ein bisschen erinnert mich die Situation an den Euro. Dort gab es ursprünglich auch viel Begeisterung und ho­he Wachstumsraten in einzelnen Mitgliedsländern. Darü­ber wurden die notwendigen Maßnahmen zur Konsoli­dierung der Finanzen und zur Sicherung der Wettbe­werbsfähigkeit vergessen. Das ganze endete im Knall der Eurokrise. In der Dritten Welt muss es nicht zu ei­nem "Knall" kom­men. Die Anpassungsmaßnahmen wer­d­en jedoch kaum schneller als in Europa gehen. Eher wird es noch länger dauern.

Freilich darf man die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht alle über einen Leisten scheren. Manche sind bei den Reformen schon weiter, wie zum Beispiel Mexiko. Manche hinken noch hinterher wie etwa Brasilien oder Südafrika (noch krasser Nigeria, Argentinien oder Vene­zuela).

Für Anleger

Ich empfehle nicht den Abschied aus den Märkten der Schwellen- und Entwicklungsländer. Diese Staaten ha­ben nach wie vor große Möglichkeiten und werden at­traktive Teile der Weltwirtschaft und der Weltkapital­märkte bleiben. Man sollte in der jetzigen Übergangs­periode aber das Engagement vielleicht etwas niedriger halten. Zudem ist es noch wichtiger, zwischen den ein­zelnen Ländern zu unterscheiden. Im übrigen zeigt die jüngste Kursrallye auf manchen dieser Märkte, dass sie für Trading nach wie vor gut geeignet sind (vorausge­setzt man kennt sich dort aus).

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

von Martin Hüfner, Assenagon

© 15. Mai 2014

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa - Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011).

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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