FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die Richtung scheint klar: Die Leitzinsen dürften 2024 deutlich fallen. Das muss aber nicht zwingend sinkende Renditen und damit steigende Kurse an den Anleihemärkten bedeuten.
5. Januar 2024. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die 2023 ungewöhnlich starken Kursschwankungen an den Anleihemärkten setzen sich zu Beginn des neuen Jahres weiter fort. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist in den ersten Handelstagen 2024 von 2,02 Prozent auf rund 2,17 Prozent gestiegen. Zuvor war es hier innerhalb von nur gut zwei Monaten zu einem massiven Rückgang von über 2,9 Prozent auf unter 1,9 Prozent gekommen.
Nun also die Wende nach oben. "Die Zinssenkungseuphorie der Finanzmarktteilnehmer hat um die Weihnachtsfeiertage ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht", konstatieren die Analysten der LBBW. Auftrieb erhielten die Renditen durch wieder gestiegene Inflationsdaten aus Deutschland und der Eurozone. "Die Inflations-Kuh ist auch im neuen Jahr keineswegs vom Eis", warnt die DZ Bank. Der Anstieg beruhe allerdings zum Großteil auf Basiseffekten aus dem Vorjahr. Daher gehen die Strategen davon aus, dass die Teuerung in der Eurozone nach 5,5 Prozent im Vorjahr im Jahresdurchschnitt 2024 auf 3,0 Prozent sinkt.
Die Inflation steht weiterhin im Fokus
Für Arthur Brunner von der ICF Bank ist Inflation der entscheidende Faktor für die weitere Entwicklung an den Anleihemärkten. "In dieser Woche wurden viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt", erklärt der Rentenhändler den deutlichen Anstieg der Renditen. Den Optimismus vieler Analysten bezüglich der Zinspolitik der Notenbanken teilt Brunner nicht. "Die Märkte haben seit November schon vieles vorweggenommen." Im Jahresverlauf könnten die anhaltenden politischen Spannungen womöglich erneut zu Lieferketten-Problemen und wieder steigenden Preisen führen. "Es bleibt mit Blick auf die Inflation und die davon abhängenden Zinsentscheidungen daher spannend."
Auch Tim Oechsner von der Steubing AG rechnet mit einem spannenden Anleihejahr und einer zudem nochmals steigenden Nachfrage von Seiten der Kundschaft. Auf dem aktuellen Niveau ist es nach Ansicht des Händlers noch sinnvoller, auf Anleihen zu setzen als vor einem Jahr. "Es können nach Abzug der Inflation wieder reale Renditen erzielt werden, was zu echten Chancen an den Anleihemärkten führt", begründet Oechsner seine Zuversicht. Mit Leitzinssenkungen rechnet er in der Eurozone erst zur Jahresmitte - "und auch dann eher zögerlich".
Keine klare Tendenz bei den Renditen
Anleger*innen sollten sich seiner Meinung nach bewusst sein, "dass der Jahresstart noch durch Renditesteigerungen geprägt sein könnte, bevor dann im weiteren Jahresverlauf die Renditen wieder sinken und die Kurse steigen." Bei der zehnjährigen Bundesanleihe hält er einen zwischenzeitlichen Hochlauf auf 2,5 bis 2,6 Prozent für möglich. Am Jahresende sollte die Rendite dann wieder bei rund 2,0 Prozent liegen. Während vor diesem Hintergrund zunächst eher Kurzläufer gefragt sein dürften, könnten Anleihen guter Qualität mit längeren Restlaufzeiten, d.h. über 10 Jahre, im Jahresverlauf "sehr attraktive Renditen abwerfen".
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank rechnet ebenfalls mit einem volatilen Jahr und warnt vor "überraschenden Ereignissen, die alles durcheinanderbringen". Beim Blick auf die Zinsprognosen sieht er nach dem deutlichen Rückgang der Renditen seit dem Spätherbst ein gewisses Enttäuschungspotenzial. "Es wäre zu einfach, wenn alles so laufen würde, wie es die Analysten erwarten". Sollten die am Markt eingepreisten Zinsschritte der Notenbanken nicht im erwarteten Ausmaß kommen, könnten die Renditen auch schnell wieder auf ihre jüngsten Hochs steigen. Seiner Meinung nach wird sich gerade die EZB eher noch etwas Zeit lassen mit Zinssenkungen. "Alles andere würde mich sehr überraschen."
Starke Nachfrage nach zahlreichen Neuemissionen
Für Anleger*innen hofft der Händler "auf ein paar Neuemissionen" und damit neue Anlagemöglichkeiten auf der Rentenseite. Und hier sieht es zum Jahresstart schon sehr gut aus. Das Rententeam von Hauck Aufhäuser Lampe berichtet von einer "Flut an Neuemissionen", die weiterhin stark nachgefragt werden. "Nahezu alle Emissionen waren mindestens 1,5-fach überzeichnet". Bei der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank war konkret eine fünfjährige Anleihe der Renault (EPA:RENA) Bank gesucht, die mit einer 1.000er Stückelung angeboten wurde und eine Rendite von ca. 4 Prozent ermöglicht. Bei der Steubing AG geht man davon aus, dass das aktuell gute Sentiment nach dem Rückgang der Renditen auch weiterhin zu einer regen Emissionstätigkeit führen wird. "Der Markt ist dafür gerade offen", erklärt Oechsner die sich in den vergangenen Monaten veränderte Ausgangslage.
Von Thomas Koch, 5. Januar 2024 © Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG
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