Börsen-Zeitung: Unheilige Allianz, Kommentar zum EZB-Verfahren von
Stephan Lorz
Frankfurt (ots) - Womöglich steht mit der Europäischen Zentralbank
(EZB) der Falsche am Pranger im Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Eigentlich müssten sich zunächst die handelnden Politiker
rechtfertigen. Sie haben es so weit kommen lassen, dass sich die
Notenbank gezwungen sah, mit der Ankündigung von Staatsanleihekäufen
den Zerfall der Eurozone zu verhindern. Aber es hatte ja
funktioniert: Die Finanzmärkte hatten sich beruhigt, die
Marktteilnehmer haben ihr das Versprechen geglaubt, alles Erdenkliche
zu tun, um die Existenz der Währungsunion zu sichern.
Blickt man auf die Ursprünge der Euro-Krise zurück, so hat nicht
die EZB die fatale Entwicklung zu verantworten, sondern die
Regierungen: Durch ihre über Jahre unverantwortliche Budgetpolitik,
durch ihre Reformverweigerung, durch ihre Missachtung rechtlich fest
vereinbarter Regeln und durch ihre im Grunde europafeindliche
Politik. Denn die mit einer Währungsunion verbundene Notwendigkeit
einer weiteren Souveränitätsübertragung wurde negiert. Zudem wurde
alles getan, um sich die Krisenkosten von anderen Ländern finanzieren
zu lassen. Dass sie sich jetzt in der mündlichen Verhandlung des EuGH
an die Seite der EZB stellen und deren Handeln verteidigen, ist pure
Heuchelei.
Die Notenbank indes muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht
standhaft geblieben zu sein und dabei - das Bundesverfassungsgericht
und die Kläger haben das treffend dargelegt - auch rechtliche
Zuständigkeitsgrenzen klar überschritten zu haben. Außerdem kann die
EZB nicht alle Vorwürfe mit dem Hinweis entkräften, dass Geldpolitik
ja immer auch wirtschaftspolitische Effekte habe.
Was sich hier exemplarisch zeigt, ist ein Charakterwandel der
Notenbanken weltweit. Es geht nicht mehr "nur" um die Wahrung der
Preisstabilität, sondern um die Etablierung ökonomischer
Gestaltungsmacht - demokratisch übrigens ohne jede Legitimation.
Dabei geht die EZB eine unheilige Allianz mit der Finanzpolitik ein.
Die Marktakteure mögen das heute noch beklatschen, weil sie davon
aktuell profitieren. Doch schnell kann dies in Misstrauen umschlagen,
wenn politische Abhängigkeiten offenkundig werden. Umso wichtiger ist
es darum, dass der EuGH nun kein Urteil fällt, um seiner
"Schwesterinstitution" EZB mehr Gestaltungsmacht zu geben, wie er es
ansonsten handhabt. Sondern er muss ihr so enge Grenzen setzen, dass
auch Karlsruhe damit leben kann. Das festigt das Vertrauen in die
Notenbank einer schon wackeligen Währungsunion - und stabilisiert
letztlich die Eurozone.
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