BERLIN (dpa-AFX) - Jeden Tag ärgern sich Fahrgäste über verspätete oder ausgefallene Züge. Der Hauptgrund hinter der Misere auf der Schiene ist das überlastete und an vielen Stellen überalterte Gleisnetz der Bahn. Eine Reform innerhalb des Konzerns soll dazu beitragen, die Probleme in den kommenden Jahren in den Griff zu bekommen. Eine neue Gesellschaft, die InfraGo, soll ab Januar gemeinwohlorientiert den Betrieb, die Sanierung sowie den Aus- und Neubau des Netzes verantworten. Der Bahn-Aufsichtsrat hat an diesem Mittwoch einen dafür wichtigen Schritt beschlossen. Kritikern geht die Neustrukturierung indes nicht weit genug.
Der Beschluss
Der Aufsichtsrat der Bahn hat an diesem Mittwoch beschlossen, dass die für die Bahnhöfe zuständige Bahn-Tochter DB Station&Service auf die Infrastrukturtochter DB Netz verschmolzen wird. "Die neue Gesellschaft soll als DB InfraGo AG firmieren und als Teil des DB-Konzerns am 1. Januar 2024 starten", teilte der Konzern am Nachmittag mit. "Mit den heutigen Beschlüssen haben wir eine weitere gesellschaftsrechtliche Voraussetzung für die gemeinwohlorientierte Infrastruktur geschaffen", hieß es von Aufsichtsratschef Werner Gatzer.
Die Ausgangslage
Zuständig für den Betrieb und den Erhalt der Schieneninfrastruktur ist bisher die DB Netz. Als Teil des Bahn-Konzerns regelt sie den Zugang zum Schienennetz. Die Verkehrsunternehmen der Bahn und auch ihre Wettbewerber müssen bei ihr die Tassen anmelden, die sie zu einer bestimmten Zeit nutzen wollen. Dafür zahlen sie Trassenentgelte. Finanziell war die DB Netz in den vergangenen Jahren aber immer weniger in der Lage, insbesondere den Erhalt des Netzes zu gewährleisten. Viele Strecken sind überaltert und überlastet. Die Bahn-Wettbewerber stören sich neben zu hohen Trassenentgelten außerdem daran, dass die DB Netz als Teil eines mit ihnen auf der Schiene konkurrierenden Konzerns für die unabhängige Vergabe der Trassen zuständig ist.
Ziel der InfraGo
Die neue Gesellschaft soll zumindest einen Teil dieser Probleme lösen. Sie bleibt zwar weiter ein Unternehmen der Deutschen Bahn, allerdings erhält die Bundesregierung weitergehende Kontrollmöglichkeiten. Die InfraGo bleibt ein Wirtschaftsunternehmen. Sie soll aber neben den wirtschaftlichen auch gemeinwohlorientierte Ziele im Blick behalten. Die Gewinne des Unternehmens sollen an den Bund und nicht mehr wie bisher an den Mutterkonzern abgeführt werden. Der Bund wiederum will das Geld gleich wieder in die Schiene stecken.
Wichtigste Aufgabe der InfraGo in den nächsten Jahren wird die sogenannte Generalsanierung wichtiger Schienenkorridore sein. Rund 40 modernisierungsbedürftige Strecken sollen bis 2030 nach und nach für jeweils rund ein halbes Jahr vollständig gesperrt und grundlegend saniert werden. Für die Finanzierung hat der Bund bis 2027 rund 40 Milliarden Euro zusätzlich zugesagt. Der Start ist im kommenden Sommer auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim.
"Für unsere ambitionierten Ziele müssen wir Synergien zwischen Fahrweg und Bahnhöfen bestmöglich nutzen und schlagkräftiger werden", teilte Bahnchef Richard Lutz am Mittwoch im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung mit. "Die heutigen Beschlüsse des Aufsichtsrates schaffen eine wesentliche Voraussetzung, damit wir ab Januar loslegen können."
Kritik
Die Reform der Infrastruktur geht aus Sicht vieler Kritiker nicht weit genug, um die zahlreichen und komplizierten Probleme zu lösen. "Mehr als ein Scheinreförmchen wird es bei der Deutschen Bahn nicht geben", teilte am Mittwoch der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende für Verkehr, Ulrich Lange mit. "Zu erwarten ist, dass alles weitergeht wie bisher: Chaos im Bahnverkehr durch Verspätungen und Zugausfälle und Versenken von Abermilliarden an Staatsgeld im Konzern." Er bekräftige Forderungen nach einer vollständigen Trennung von Infrastruktur und Betrieb.
Aus Sicht der Allianz (ETR:ALVG) pro Schiene bleiben nach dem Beschluss des Aufsichtsrats entscheidende Fragen offen: "Wer steuert die neue Gesellschaft verkehrspolitisch? Und anhand welcher Kennzahlen soll das passieren?", fragte der Geschäftsführer des Interessenverbands, Dirk Flege, und forderte: "Hier muss der Bund schnellstmöglich Farbe bekennen.