MINSK (dpa-AFX) - Die geplante Lockerung der EU-Sanktionen gegen die autoritär geführte Ex-Sowjetrepublik Weißrussland wäre aus Sicht von Experten ein Signal für die deutsche Wirtschaft. "Weißrussland könnte sich zu einer Ost-West-Drehscheibe entwickeln", sagte Wladimir Augustinski, Leiter der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Minsk. "Die deutschen Unternehmen sind noch zögerlich mit ihrem Engagement in Weißrussland. Einige europäische Länder sind aktiver", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Nach der friedlichen, aber von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl vom Wochenende will die EU die Strafmaßnahmen noch nicht grundsätzlich aufheben. Sie plant sie aber ab November vorerst auszusetzen. Es geht um Einreiseverbote und Kontosperren für weißrussische Staatsdiener und Unternehmen. Brüssel hatte damit auf politische Unterdrückung unter Machthaber Alexander Lukaschenko reagiert. Der 61-Jährige wurde zum fünften Mal im Amt bestätigt. Vor der Wahl hatten die Behörden politische Häftlinge freigelassen. Weißrusslands Lage zwischen den EU-Staaten Polen, Litauen und Lettland einerseits und Russland andererseits sei strategisch günstig, betonte Augustinski. Er sieht das Land mit knapp zehn Millionen Einwohnern als mögliche "verlängerte Werkbank" internationaler Konzerne und als Transitland für Handel mit der von Russland dominierten Eurasischen Wirtschaftsunion. Der Union mit rund 180 Millionen Menschen gehören auch die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan und Kirgistan sowie die Südkaukasusrepublik Armenien an. Deutschland ist nach AHK-Angaben für Weißrussland der drittwichtigste Handelspartner nach den Nachbarländern Russland und Ukraine. Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Weißrussland lag demnach 2014 bei 4,1 Milliarden US-Dollar (etwa 3,6 Mrd. Euro). Derzeit sind rund 360 deutsche Unternehmen in dem Land aktiv.