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Meereswelle als Sinnspruch - Merkels Ausflug in die YouTube-Welt

Veröffentlicht am 17.08.2017, 12:46
© Reuters. Chancellor Angela Merkel meets four German YouTubers in Berlin

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Eigentlich war es als riskantes Aufeinandertreffen zweier Welten verkauft worden: Die Kanzlerin spricht mitten im Wahlkampf mit jungen YouTube-Bloggern.

Aber dann dauert es in dem Studio in Berlin-Tempelhof fast eine halbe Stunde, bis Angela Merkel zumindest einmal kurz ins Stocken kommt. "Ach du lieber Gott", stutzt sie bei der Frage von Alex Böhm (alias AlexiBexi), welchen Spruch sie auf ein T-Shirt schreiben würde. Dann entscheidet sich Merkel für die sichere Antwort: "Ich würde eine schöne Meereswelle drauf machen. Das ist mein Wahlkreis." Zuvor hatte sie sich schon mit der Aussage, wonach Smileys ihre Lieblings-Emojis sind, nicht gerade aufs Glatteis begeben.

Darauf wollen sie die vier YouTube-Stars aber offenbar auch gar nicht führen, die nacheinander auf die Kanzlerin losgelassen werden. Dabei standen alle unter Druck: Weil es dem Blogger LeFloid 2015 im ersten YouTube-Interview mit Merkel nicht gelungen war, die Kanzlerin zu "stellen", war die Erwartungshaltung an das Quartett groß. Aber schon als die 22-jährige Lisa Sophie (Its Coleslaw) Merkel mit Fragen zur sozialen Gerechtigkeit konfrontiert, spielt die CDU-Chefin sofort und routiniert die Kümmerin - und schafft es, immer wieder Wahlkampfpositionen in ihre Antworten einzuflechten.

Dann versucht es Böhm mit Fragen zur Dieselkrise, sein Kollege Mirko Drotschmann (alia MrWissen2Go) zur Türkei und Donald Trump. Aber da ist Merkel schon ganz in ihrem Element. "Sind ja Ihre Fragen", spöttelt sie etwas, als Böhm darauf hinweist, dass nach "technischen" Fragen jetzt etwas Persönliches folgen soll.

Dabei will Merkel erkennbar nicht abweisend wirken, sondern ihre Gegenüber ernst nehmen. Denn was die fünf in der YouTube-Produktionsfirma von ProSiebenSat1 vereint, ist das gemeinsame Anliegen, die Politikerin einem jungen Publikum näherzubringen und generell für Politik zu interessieren.

Das scheint nötig. Ischtar Isik, die Vierte im Bund der YouTuber und eigentlich Modebloggerin, weist selbst darauf hin, dass die Wahlbeteiligung in keiner Altersgruppe so niedrig wie bei jungen Menschen ist. Merkel nickt nachdenklich. Deshalb soll das Format, das sich Studio 71 ausgedacht hat, Politik in Häppchen verpacken, die für junge Nutzer verdaubar sind. Jeder hat nur gut zehn Minuten Fragezeit. Dann kommen Reaktionen im Netz unter dem Hashtag #DeineWahl - und Onlineumfragen. Merkel spielt brav mit. "Ich muss das ernst nehmen, noch härter arbeiten", sagt sie etwa auf die Frage, was die Kanzlerin dagegen tun wolle, dass gerade 49 Prozent der Teilnehmer ihre Angst vor Krieg äußerten.

23 MINÜTIGER CDU-ERKLÄRFILM

© Reuters. Chancellor Angela Merkel meets four German YouTubers in Berlin

Bei Isik lebt Merkel aber erkennbar auf. Denn die 21-Jährige fragt am persönlichsten und direktesten - und versucht erst gar nicht, eine Nachricht zu produzieren und klassische Interviews zu imitieren. Plötzlich geht es um Feminismus, um Hass in der Politik und die Frage, warum der Politik den Kontakt zu jungen Menschen schwer fällt. Merkel scheint erst beim Sprechen zu merken, dass sie eigentlich umdenken müsste. Denn erst lobt sie, dass die CDU ihr Wahlprogramm auf YouTube erkläre - bis ihr auffällt, dass ein 23-minütiger Film vielleicht an den Sehgewohnheiten junger Menschen vorbeigeht.

Dann bietet Isik Merkel die Gelegenheit für den persönlichsten Teil des Etappen-Interviews, als sie erzählt, dass ihr im Netz als Modeexpertin keine Fragen zur Politik zugetraut worden seien. "Ich finde es blöd zu sagen, jemand mit Beauty-Sachen oder jemand, der Friseur ist, kann sich ja keine Wahlentscheidung erarbeiten. Das ist absurd", empört sich Merkel.

Dass das Quartett am Ende in den sozialen Netzen neben Lob auch Kritik erntet, weil sie Merkel wieder nicht "stellten", kann aber allen Beteiligten egal sein. Auch das kritisierte Interview aus dem Jahr 2015 ist fünf Millionen Mal angeschaut worden. Und Klicks sind die Währung in der digitalen Welt - und die der YouTuber und ihrer Gäste wie Merkel.

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