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Veröffentlicht am 16.03.2012, 20:47
Börsen-Zeitung: Der Dax wird teurer, Börsenkommentar 'Marktplatz', von

Christopher Kalbhenn.

Frankfurt (ots) - Für die meisten völlig überraschend, geht das

bald endende erste Quartal des Jahres eindeutig an die Risiko-Assets.

Die Risikoscheu, die die Akteure zur Jahreswende noch von mutigeren

Engagements abgehalten hat, weicht zunehmend aus den Märkten. Gründe

sind unter anderem die aufgrund ermutigender Daten schwindenden

Rezessionsbefürchtungen, die beruhigende und erhebliche Liquidität in

die Märkte bringende Wirkung der Dreijahrestender der Europäischen

Zentralbank und die zumindest vorläufig gelungene Abwendung eines

ungeordneten Staatsbankrotts Griechenlands. Mehr noch als die Tendenz

verblüfft in vielen Marktsegmenten aber das Ausmaß der

Aufwärtsbewegung. So haben die Aktienmärkte der Schwellenländer seit

Jahresbeginn um 16% zugelegt, Industrieanleihen werden den Emittenten

geradezu aus den Händen gerissen, und auch Hochzinspapiere sind

inzwischen heiß begehrt und werfen satte Anlageerträge ab, zyklische

Rohstoffe wie Kupfer und Nickel haben sich seit dem Jahresauftakt um

13% und 23% verteuert.

Herausragend ist nicht zuletzt auch die Entwicklung des Dax. Er

hat um 21,4% auf 7158 Punkte zugelegt, so deutlich wie noch nie in

den ersten elf Wochen eines Jahres. Damit ist er, eine bemerkenswerte

Parallele zum zurückliegenden Jahr, mit Abstand der stärkste Index

Westeuropas. Nur wenige Länder, darunter Ägypten, Russland, die

Türkei, Ungarn und Vietnam, können stärkere Indexentwicklungen

vorweisen. Seit dem Tief vom August des Vorjahres bei knapp 5000

Zählern summieren sich die Gewinne des Dax sogar auf mehr als 40%.

Reihenweise haben die Marktbeobachter im Zuge dieser Entwicklung ihre

Indexziele erhöht. Anfang des Jahres hatten deutsche Institute für

den Dax per Ende März und zur Jahresmitte noch Durchschnittsprognosen

von rund 5750 und 6050 abgegeben.

Allerdings hat die Entwicklung auch ihre Schattenseiten. Denn der

Dax wird teurer - und zwar nicht nur wegen der starken

Kurssteigerungen. Seit dem Jahresbeginn sind zudem die

Gewinnschätzungen leicht weiter gesunken. Im Ergebnis hat sich damit

das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dax auf Basis der

Konsensschätzungen von 9,3 auf 11,1 erhöht. Auf Deutsch: Um die im

Dax enthaltenen deutschen Unternehmen zu kaufen, muss nun das

Elffache ihres Jahresgewinns aufgewendet werden, während es zum

Jahresauftakt nur ungefähr das Neunfache war. Zwar bewegt sich der

Index mit einem KGV von 11 noch längst nicht im roten Bereich. Aber

das Argument, dass der deutsche Aktienmarkt sehr günstig, ein

Schnäppchen sei, hat an Kraft verloren. Ein ähnliches Bild liefert

das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Ende 2011 noch bei 1,2, liegt es

mittlerweile bei knapp 1,5. Das zeigt bei weitem noch keine

Überbewertung an; der Zehnjahresdurchschnitt von 1,54 ist damit aber

nahezu erreicht.

Aus rein bewertungstechnischer Sicht hat der Markt - sofern

Störfeuer seitens der Schuldenkrise ausbleibt - durchaus noch

Spielraum nach oben. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der

immensen Anlagen suchenden Liquidität, die an den großen

Top-Staatsanleihemärkten nur indiskutable Ertragschancen vorfindet.

Außerdem werden in den kommenden Monaten zunehmend die Ergebnisse des

nächsten Jahres in den Überlegungen der Investoren Berücksichtigung

finden. Legt man den Konsens für die Dax-Gewinne im nächsten Jahr

zugrunde, ergibt sich ein KGV von knapp 10, das erst recht auf

Aufwärtspotenzial hindeutet.

Wenn nur das Wörtchen wenn nicht wäre. Denn die vermutete günstige

Bewertung steht und fällt mit der Ergebnisentwicklung beziehungsweise

den Markterwartungen. Bislang hat sich in diesem Jahr bei den

Prognosen noch nicht viel getan. Mit rund 722 Indexpunkten liegt der

aggregierte Gewinn des Dax auf Basis des Konsenses für das Jahr 2012

ziemlich genau da, wo er am Jahresanfang war. Steigen die

Gewinnerwartungen für das nächste Jahr, sinkt das KGV - den aktuellen

Dax-Stand unterstellt - deutlich unter 10, und es eröffnet sich

erhebliches Aufwärtspotenzial.

Doch das Jahr 2013 ist noch weit weg, und wie sich die

Weltwirtschaft und die Unternehmensgewinne dann entwickeln werden,

kann derzeit niemand einschätzen, nicht zuletzt, weil der ausufernde

Interventionismus der Politik die Berechenbarkeit zusätzlich

erschwert. Bei aller Freude über die prächtige Rally und das zuletzt

aufgehellte Umfeld sind auch die schwelenden Risiken zu beachten, so

neue Turbulenzen durch die Schuldenkrise und eine von manchen

Experten befürchtete harte Landung in China.

(Börsen-Zeitung, 17.3.2012)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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