- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Nach dem Wahldebakel in Hessen will die SPD trotz des Rückzuges von Angela Merkel vom CDU-Vorsitz die Union auf einen Fahrplan zur Umsetzung gemeinsamer Regierungsvorhaben einschwören.
"Wir werden hier zeitlich klare Verabredungen treffen müssen", sagte Parteichefin Andrea Nahles am Montag. Das Präsidium beauftragte sie mit entsprechenden Gesprächen. Ihre inhaltliche Erneuerung durch die Klärung von Streitthemen wie Hartz IV und Klimaschutz will die SPD beschleunigen. Personelle Konsequenzen in der Bundespartei schloss Nahles aus: "Eine personelle Neuaufstellung ist nicht in Rede in der SPD." Juso-Chef Kevin Kühnert forderte indes, den SPD-Parteitag 2019 auf das Frühjahr vorzuziehen. Dort müsse sich auch die SPD-Spitze zur Wahl stellen.
Nahles zufolge kam in den Beratungen von Präsidium und Parteivorstand nicht die Frage eines sofortigen Austritts aus der Koalition auf. Auf die Frage, ob es solche Forderungen gegeben habe, sagte Nahles "Nein". Die SPD-Chefin ging kurz auf den Abschied Merkels vom CDU-Vorsitz ein und sagte, die CDU sei ihrer langjährigen Vorsitzenden zu Dank verpflichtet. Für die SPD gelte: "Wir haben genug eigene Hausaufgaben zu machen."
NAHLES: WOLLEN KOMPASS FÜR ALLTAGSPOLITIK
Bis zur üblichen Jahresauftaktklausur der SPD-Spitze will die Partei klare Positionen finden zu Themen, die immer wieder umstritten sind. Nahles nannte die Sozialstaatsdebatte mit der Frage "Was kommt nach Hartz IV?", die Vereinbarkeit von Klimaschutz und Arbeitsplätzen, den Investitionsstau in Deutschland und die Europapolitik. Die SPD will sich damit laut Nahles "einen klaren Kompass in der Alltagspolitik" geben, damit sie "schlagkräftig agieren" könne und sich nicht immer wieder in Widersprüche verwickele. Sie habe dafür "vielleicht zwei Monate Zeit". Konkrete Punkte für diese Erneuerung solle der Parteivorstand am kommenden Montag beschließen.
Der Vorsitzende des SPD-Nachwuchses brachte einen vorgezogenen Parteitag im Frühjahr ins Spiel. Wenn der Erneuerungsprozess früher als geplant und nicht erst im Dezember 2019 abgeschlossen werden solle, müsse der Parteitag vorgezogen werden, forderte Juso-Chef Kühnert. Die Parteispitze müsse sich dort - wie für Dezember vorgesehen - zur Wahl stellen. An der Basis werde "außerordentlich uncharmant" über die SPD-Führung gesprochen. Diese müsse sich daher eine neue Legitimation holen.
NAHLES RÄUMT GEGENWIND FÜR HESSEN EIN
Nahles räumte ein, dass die große Koalition zur Niederlage in Hessen beigetragen habe: "Es ist klar, dass die Bundespolitik nicht für Rückenwind, sondern für Gegenwind gesorgt hat." Bei der Landtagswahl fuhr die SPD mit 19,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1946 ein und wurde mit einem Rückstand von 94 Stimmen nur drittstärkste Kraft noch hinter den Grünen.
"Der Bundestrend hat uns diese Kampagne verhagelt", sagte Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. Der Landes-SPD seien "phasenweise Sturmböen ins Gesicht geblasen". Verantwortlich dafür seien der "Dauerstreit von CDU und CSU", der Umgang mit "der Affäre Maaßen" und dem Diesel-Problem, aber auch die Grundfrage: "Für was steht eigentlich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands?"
Nahles und Generalsekretär Lars Klingbeil legten dem Präsidium ein sechsseitiges Papier mit dem Titel "Wir machen Politik für ein solidarisches Land" vor. Ein Beschluss dazu wurde nicht gefasst. Juso-Chef Kühnert kündigte an: "Die Textgrundlage wird noch nicht ausreichen." Sie müsse auch klare Positionen zu aktuellen Themen wie der Diesel-Problematik und dem Kohleausstieg enthalten. Zuvor hatte Kühnert per Twitter erklärt: "Das Urteil über diese Groko ist final gesprochen." Der Ruf der Wähler "lautet nicht 'Zurück zur Sacharbeit'!"