London (Reuters) - Konjunkturabschwung, Jobverlust, weniger Kaufkraft: Die britische Regierung sieht im Falle eines EU-Abschieds schwarz für die heimische Wirtschaft.
"Das ist die Option zur Selbstzerstörung", warnte Regierungschef David Cameron am Montag bei der Vorstellung einer Studie des Finanzministeriums zu den möglichen "Brexit"-Folgen. "Das britische Volk muss sich selbst diese Frage stellen: Können wir bewusst für eine Rezession stimmen?", sagte Ressortchef George Osborne zu dem in gut vier Wochen angesetzten Referendum. "Will Großbritannien diese hausgemachte Rezession?" Mindestens eine halbe Million Arbeitsplätze könnten demnach vernichtet werden, sollte das Land die Europäische Union (EU) verlassen. Die Reallöhne dürften binnen zwei Jahren um fast drei Prozent schrumpfen, was knapp 800 Pfund jährlich weniger pro Durchschnittsverdiener bedeute.
Das Finanzministerium hat zwei Szenarien für die kurzfristigen Folgen des sogenannten Brexit entworfen. Bei einem milden Schock wäre demnach die Wirtschaftsleistung nach zwei Jahren um 3,6 Prozent niedriger als bei einem Verbleich in der EU. Zugleich dürfte die Inflation bei der erwarteten Pfund-Abwertung steigen und die Immobilienpreise um zehn Prozent niedriger sein als bei einem EU-Verbleib. Im schlimmsten Fall könnte das Bruttoinlandsprodukt sogar um sechs Prozent und die Immobilienpreise um 18 Prozent niedriger ausfallen.
Kritiker werfen der Regierung in London vor, kein realistisches Bild zu zeichnen. "Dieses Dokument des Finanzministeriums ist keine ehrliche Bewertung, sondern ein stark voreingenommener Blick auf die Zukunft" sagte Iain Duncan Smith, früher Minister unter Premier Cameron. Der Regierungschef hatte zuvor bereits vor steigenden Lebensmittelpreisen nach einem "Brexit" gewarnt.
Vor dem Referendum am 23. Juni nimmt die Zahl der EU-Befürworter unterdessen um zwei Punkte auf 44 Prozent zu, wie aus einer Umfrage des Instituts Opinium für die Zeitung "Observer" hervorgeht. Für einen EU-Austritt Großbritanniens sprachen sich 40 Prozent der Befragten aus. Nach einem "Brexit" könnten beispielsweise der Freihandel mit den anderen 27 EU-Staaten gestoppt und Zollschranken errichtet werden. Zudem drohen Turbulenzen an den Finanzmärkten und der Abzug ausländischer Investoren.